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Aktien-Vermögensverwaltung: Value Investing kommt zurück

von A&W Online

Goran Vasiljevic, Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Lingohr & Partner aus Erkrath bei Düsseldorf
Goran Vasiljevic ist Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Lingohr & Partner aus Erkrath bei Düsseldorf. Foto: Lingohr & Partner

Die Märkte könnten derzeit nicht unsicherer sein, und Growth-Werte als Heilsbringer der vergangenen Jahre in der Vermögensverwaltung haben massiv an Wert verloren. Steigende Zinsen und Inflation und das deutlich verlangsamte Wirtschaftswachstum machen das nicht einfacher, meint Finanzexperte Goran Vasiljevic*.

Es waren schon teilweise fantastische Wachstumsgeschichten, die die Börsen in den vergangenen Jahren gezeigt haben. Tesla beispielsweise hat in drei Jahren fast 1900 % zugelegt, Apple immer noch mehr als 250 %. Beim Streamingdienst Netflix waren es in den fünf Jahren vor der einschneidenden Korrekturphase ab Herbst 2021 deutlich mehr als 600 Euro.

Heute hingegen notiert die Aktie auf Sicht von fünf Jahren bei knapp 29 % im Plus, auf Sicht von drei Jahren liegt sie fast 43 % im Minus. Diese Tendenz zeigt sich auch an anderen Stellen. Der US-Technologie-Index Nasdaq, der unter anderem alle bekannten Silicon-Valley-Firmen enthält, hat seit Jahresbeginn fast ein Drittel an Wert verloren.

Alles hat einen Preis

Die Zeit der stark wachstumsorientierten Werte, in den vergangenen Jahren der Heilsbringer jeder Aktien-Vermögensverwaltung, ist zunächst einmal vorbei. In einem Umfeld starker wirtschaftlicher Unsicherheiten und steigenden Zinsen sind fremdfinanzierte Unternehmen, deren Ziel in dauerhaft starkem Wachstum liegt, für viele Investorinnen und Investoren eher zweite Wahl.

Sie suchen im Gegensatz dazu die Werte, deren Stärke in einem substanziellen Geschäftsfeld liegt und auch antizyklisch funktioniert. Denn: Alles hat einen Preis. Manchmal reichen auch gute Zahlen nicht mehr aus, um eine Bewertung zu rechtfertigen, weil darin noch bessere Ergebnisse eingepreist waren, zumal nicht jedes Unternehmen diese guten Zahlen dauerhaft halten kann. Das hat Growth-Werte unattraktiver werden lassen.

Aktives Management sorgt dafür, die Differenzen zwischen dem eingepreisten und dem realisierten Wert herauszustellen und dauerhaft richtig in der Geldanlage zu bewerten. Aus diesem Grund steht das Value Investing vor einer Renaissance. Das Value Investing versteht die Aktie in ihrer ursprünglichsten Funktion als verbrieften Anteil an einem Unternehmen, an dessen Kapital und Wachstum man langfristig teilhaben kann. Es geht nicht um das Verständnis der Aktie als kurzzeitiges Spekulationsobjekt.

Value Investing reduziert Fallhöhe bei Korrekturen

In den vergangenen Jahren war das Value Investing ins Hintertreffen geraten, weil der Growth-Trend eben deutlich attraktiver erschien und auch die schnelleren und größeren Gewinne versprach. Wesentliche Kennziffern wie Cashflows, die in die Zukunft weisen und gerade nicht die Vergangenheit projizieren, wurden nicht mehr als sinnvoll angesehen. Diese sind aber gerade für die künftige Investment-Substanz entscheidend, und der Blick auf Quartalszahlen oder Konjunkturdaten ist nicht aussagekräftig für die tatsächliche Stärke von Unternehmen. Das hat die Konjunkturdelle der Covid-19-Pandemie gezeigt. Die Zahlen sinken, um dann wieder zu steigen, sodass die Unternehmen und deren Investorinnen und Investoren überdurchschnittlich profitieren.

Diese Sicht setzt sich jetzt mehr und mehr durch. Bereits seit 2021 hat sich das Value Investing aufgemacht, wieder zu einer wahrnehmbaren und interessanten Investmentstrategie zu werden. Für Investorinnen und Investoren ist es wieder interessant, Aktien auszuwählen, die unter ihrem inneren Wert oder Buchwert gehandelt werden. Also solche, von denen sie auf Basis professioneller Finanzanalysen meinen, dass der Aktienmarkt sie unterbewertet. Sie folgen nicht dem Herdentrieb an den Kapitalmärkten und wollen auf diese Weise langfristig in attraktive Unternehmen investieren. Das reduziert auch die Fallhöhe bei Marktkorrekturen und nimmt den Druck aus den Wachstumserwartungen heraus. Denn beim Growth Investing werden häufig hohe Preise gezahlt, sodass die Werte in Relation deutlich stärker steigen müssen. Und wenn es dann abwärts geht, sind die Verluste umso größer. Die Fehlertoleranz ist damit sehr gering.

Beim Value Investing liegt der Fokus auf antizyklischem Verhalten

Das bedeutet: Die Bewertung zum Startpunkt einer Investition spielt die wichtigste Rolle auf zukünftige Investment-Performance. Wer in das Segment investiert, das das Beste war, begibt sich in die Gefahr, einen großen Teil des Zyklus schon verpasst zu haben. Für Investorinnen und Investoren bedeutet das, dass es nicht ausreicht, die Zukunft aus der Vergangenheit abzuleiten. Beim Value Investing liegt der Fokus auf antizyklischem Verhalten. Anlegerinnen und Anleger laufen dann nicht einem Trend permanent hinterher, weil sie wissen, dass eine überdurchschnittliche Performance langfristig wesentlich leichter zu erreichen ist, indem substanzstarke Aktien und Fondsanteile gekauft werden, wenn sie niedrig bewertet sind.

Value-Investorinnen und -Investoren kaufen somit Wertpapiere (auch solche, deren innerer Wert möglicherweise wenig Wachstum in der Zukunft beinhaltet) aus Überzeugung, dass der aktuelle Wert im Vergleich zum derzeitigen Preis höher liegt. Damit positionieren sich Anlegerinnen und Anleger mit der Value-Philosophie auch gegen die allgemeine Marktmeinung.

Rückenwind für Aktien des Value-Anlagestils

Gerade die aktuelle Marktphase ist also sehr aussichtsreich für Value-Strategien. Die Unternehmen performen sehr stark und sind weiterhin aufgrund des politischen Ausnahmezustands mit einem hohen Abschlag im Vergleich zu vielen anderen Marktteilnehmern zu haben. Die „Wiederentdeckung“ der Inflation und das Ende des billigen Geldes geben lang erwarteten Rückenwind, während die historische Durchschnittsbewertung für Aktien des Value-Anlagestils eine deutliche Outperformance erwarten lässt. Nach nunmehr über einer Dekade Value-Underperformance scheint sich die Stimmung unter Anlegerinnen und Anlegern zu ändern. Daher kann das Jahr 2022 als Startschuss für ein Revival des Value-Stils gelten. In einer zukunftsorientierten Vermögensverwaltung, die sich von zyklischen Entwicklungen unabhängig machen will, spielt Value daher eine exponierte Rolle. Es sorgt für Vermögensschutz und bewahrt vor allzu heftigen Talfahrten.

Der Autor: Goran Vasiljevic ist Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Lingohr & Partner aus Erkrath bei Düsseldorf. Der unabhängige Asset Manager ist Spezialist für konsequentes Value Investing (www.lingohr.de) vor allem in Form von institutionellen Mandaten und Publikumsfonds.

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