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Corona-News

Ein Jahr ist es nun her, dass die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch von COVID-19 zur Pandemie erklärt hat. Während die Menschen in Deutschland psychisch noch einigermaßen gut durch den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 kamen, zehrt der monatelange zweite Lockdown an den Nerven.

So berichteten uns in letzter Zeit auch Kolleginnen und Kollegen von Erlebnissen mit ihren Patienten, die besorgniserregend sind. Mütter, die in der Sprechstunde weinend zusammenbrechen, weil sie über der Grenze ihrer Belastbarkeit sind. Ungewöhnlich viele Patienten, die depressive Störungen entwickeln. Deutlich mehr Kinder, die psychische Auffälligkeiten und selbstverletzendes Verhalten zeigen. Dass dies alles keine Einzelfälle sind, bestätigten jetzt auch Studien, die sich mit den psychischen Auswirkungen der Pandemie und der politischen Maßnahmen zu deren Eindämmung befassten.

Deutliche Abwärtsspirale sichtbar

Eine Untersuchung nahm besonders die kleinen Patientinnen und Patienten in den Blick. Die sogenannte COPSY-Studie – von Corona und Psyche – ist bundesweit die erste und international eine der wenigen Längsschnittstudien ihrer Art. Sie wird unter der Leitung von Prof. Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) durchgeführt. Im Februar 2021 wurden die Ergebnisse der zweiten Befragung veröffentlicht. Eine deutliche Abwärtsspirale ist erkennbar. Die Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden immer mehr unter der Situation.

Während vor der Pandemie drei von zehn Kindern eine geminderte Lebensqualität beklagten, waren es bei der ersten Befragung im Mai und Juni 2020 schon sechs von zehn Kindern. Diese Entwicklung setzte sich bei der zweiten Befragung im Dezember 2020 und Januar 2021 fort. Nun sind es sieben von zehn Kindern. Fast jedes dritte Kind leidet zudem unter psychischen Auffälligkeiten. Auch Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen.

 

Grafik: ANTEIL DER KINDER UND JUGENDLICHEN MIT EINER GEMINDERTEN LEBENSQUALITÄT

Auch Ältere leiden unter Pandemie

Aber auch in den älteren Bevölkerungsgruppen hinterlassen Lockdown, soziale Isolation, existenzielle Sorgen und Angst vor COVID-19 ihre Spuren. Für eine Untersuchung zur mentalen und physischen Verfassung während der Pandemie hat ein Forschungsteam der Universität Duisburg-Essen fortlaufend fast 25.000 Menschen online befragt. Anfang dieses Jahres stellten sie ihre Ergebnisse vor. Demnach leidet eine deutliche Mehrheit der Befragten unter psychisch belastendem Stress (65 %) und COVID-19-bezogener Furcht (59 %).

Frauen und junge Menschen seelisch stärker belastet

Studienleiter und Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Prof. Martin Teufel, ergänzt: „Man könnte sagen: Bis zu einem gewissen Grad sind wir alle Patienten in der Pandemie. Dabei berichteten Frauen und junge Menschen über eine höhere seelische Belastung als der Durchschnitt.“

Dies könnte bei Frauen an der Doppelbelastung durch Homeoffice und Homeschooling liegen. Heranwachsenden setzen vermutlich Bildungssorgen zu, verbunden mit der Einschränkung der wichtigen Interaktion in Peer-Groups. Aber auch Menschen mit psychischen Vorerkrankungen sind gefährdet. Prof. Martin Teufel: „Menschen mit organischen Leiden wie Krebs oder Herzkreislauferkrankungen gaben dagegen keine höhere negative Stressbelastung oder COVID-19-bezogene Angst als gesunde Studienteilnehmer an. Das ist ein beruhigender Befund. Patienten mit chronischen Erkrankungen stabilisieren ihre seelische Situation ganz offenbar durch angemessenes Sicherheitsverhalten.“

Was entlastet die Psyche in der Pandemie?

Die Wissenschaftler untersuchten ebenfalls, ob es Faktoren gibt, die auch psychisch entlastend wirken. Tatsächlich fanden sie heraus: „Wer sich subjektiv gut informiert fühlt oder Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen hat, leidet weniger“, so Teufel.