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Elektronisches Rezept: Muster 16 kommt aufs Abstellgleis

von Melanie Hurst

Medikamente auf Smartphone
Ab Januar 2022 müssen Ärzte und GKV-Patienten das eRezept verwenden. Foto: Fotos: viperagp – stock.adobe.com

Rund 500 Millionen Arzneimittelverordnungen werden pro Jahr mit dem Muster 16 ausgestellt. Doch das gehört bald der Vergangenheit an. Denn spätestens ab Januar 2022 ist für Ärzte und GKV-Patienten das elektronische Rezept verpflichtend.

Lange dauert es nicht mehr, bis das elektronische Rezept (eRezept) kommt. Doch die Aufklärungsarbeit läuft bisher schleppend. So zeigte eine repräsentative Umfrage im Juni 2021 der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, dass 63 Prozent der Patientinnen und Patienten noch nie etwas davon gehört haben. Quasi kaum jemand (95 %) weiß, wann es eingeführt wird. Für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben wir hier die zehn wichtigsten Fragen und Antworten zum eRezept zusammengestellt.

Wann wird das eRezept Pflicht?

Am 1. Juli 2021 startete in Berlin-Brandenburg eine Testphase. Ab 1. Oktober 2021 wird die freiwillige Anwendung auf die gesamte Bundesrepublik ausgeweitet, sofern die technischen Voraussetzungen dafür vorhanden sind. Ab 1. Januar 2022 löst das eRezept das bisherige Muster 16 ab und wird für alle Vertragsärzte und GKV-Patienten für apothekenpflichtige Arzneimittel verpflichtend.

Welche technischen Voraussetzungen benötigen Praxen?

Grundlage ist die Praxisanbindung an die Telematikinfrastruktur. Der Konnektor muss mindestens über das Update zum E-Health-Konnektor verfügen. Praxistauglicher ist es allerdings (siehe Frage 4), wenn die nächste Stufe in Form des ePA-Konnektors implementiert ist. Praxisinhaber müssen zudem einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) besitzen sowie einen Praxisdrucker, der eine Auflösung von 300 dpi ermöglicht. Dies ist notwendig, um das Sicherheitszertifikat – das sogenannte Token – ausdrucken zu können. Und die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssen die erforderlichen Updates der PVS zur Verfügung stellen. Es kann auch sinnvoll sein, sich ein zweites Kartenterminal für das Sprechzimmer anzuschaffen, um die eRezepte bequem unterschreiben zu können.

Wie funktioniert die  eRezept-Verordnung?

Ärzte erstellen das eRezept wie gewohnt in ihrem Praxisverwaltungssystem. Anschließend unterschreiben sie das Rezept am Computer mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur (QES). Das eRezept wird nach der Signatur verschlüsselt zum eRezept-Server übermittelt.

Wie lange dauert das elektronische Signieren?

Die qualifizierte elektronische Signatur (QES) hat ein hohes Sicherheitsniveau: Ärztinnen und Ärzte müssen dafür ihren elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) in das Lesegerät stecken und ihre PIN eingeben. Da die Einzelsignatur viel Zeit kosten würde, gibt es zwei schnellere Möglichkeiten.

Stapelsignatur: Dabei signieren Ärzte einmal einen vorbereiteten elektronischen Dokumentenstapel, zum Beispiel am Ende eines Arbeitstages. Für die Stapelsignatur reicht ein E-Health-Konnektor. Allerdings ist die Stapelsignatur im Alltag unpraktisch, da Patienten bis abends auf ihr Rezept warten müssten.
Komfortsignatur: Bei diesem Verfahren können Ärztinnen und Ärzte für eine bestimmte Zeit bis zu 250 Signaturen freigeben. Für diese Variante ist das Update zum ePA-Konnektor notwendig.

Wie erhält der Patient das eRezept?

Ärzte fragen ihre Patienten, ob sie das Rezept als Papierausdruck oder digital erhalten möchten. Im ersten Fall drucken Ärzte das Sicherheits-Token aus. Dieses ist als Datamatrix-Code gestaltet, der ähnlich wie ein QR-Code aussieht. Er wird automatisch vom PVS erstellt, nicht unterschrieben und kann im Format A5 oder A4 in Schwarz-Weiß gedruckt werden. Diesen Ausdruck zeigt der Patient in der Apotheke vor.

Ausdruck eRezept

So sieht der Ausdruck des eRezepts aus. Diesen erhalten Patienten, wenn sie die eRezept-App nicht nutzen. Foto: KBV

Entscheidet sich der Patient für die digitale Version, muss er die eRezept-App der gematik auf seinem Smartphone installiert haben. Sie steht seit 1. Juli 2021 kostenlos im Google-Play- und App-Store sowie in der Huawei AppGallery zur Verfügung. Um die App nutzen zu können, müssen sich Patienten zuvor am eRezept-Server authentifizieren. Dazu sind ein NFC-fähiges Smartphone mit mindestens iOS-14- oder Android-7-Betriebssystem und eine elektronische Gesundheitskarte der neuesten Generation mit aufgedruckter Card Access Number erforderlich. Außerdem benötigen sie noch eine von der Krankenkasse per Post versendete PIN.

Ist alles eingerichtet, kann sich der Versicherte das eRezept sowie Hinweise zur Einnahme und Dosierung in der App anzeigen lassen. Zum Einlösen des eRezepts wird der Code in der App geöffnet und in der Apotheke vorgezeigt. Im Gegensatz zum Ausdruck haben Versicherte damit weitere Möglichkeiten. So können sie zum Beispiel die Verfügbarkeit bei bis zu drei Apotheken vorab elektronisch abfragen und sich die Medikation reservieren oder per Botendienst nach Hause liefern lassen. Das erspart Wege, was besonders für mobil eingeschränkte Patienten eine Erleichterung darstellt.

Was ist mit Folgerezepten?

Ärztinnen und Ärzte können Folgerezepte elektronisch ausstellen und ihren Patienten ohne persönliche Vorstellung über die eRezept-App bereitstellen.

Können eRezepte auch in einer Videosprechstunde ausgestellt werden?

Ja, im Anschluss an eine Videosprechstunde können Ärzte ihren Patienten ein eRezept in der App zur Verfügung stellen.

Gibt es eRezepte auch für Privatpatienten?

Nein, Privatpatienten erhalten zunächst weiter den „blauen Schein“. Die gematik ist aber im Austausch mit dem Verband der Privaten Versicherungen über die Umsetzung des eRezepts für Privatversicherte. Es ist das Ziel, es zum 1. Januar 2022 auch Privatversicherten anbieten zu können.

Wird das Muster 16 komplett abgeschafft?

Nein. Falls die Technik streikt oder als Ersatzverfahren können Ärzte das Muster 16 weiterhin verwenden. Außerdem kommt es nach wie vor für die Verordnung bei Haus- und Heimbesuchen, für Hilfsmittel, Sprechstundenbedarf, Verbandsmittel sowie Teststreifen zum Einsatz. Auch BtM- und T-Rezepte bleiben erhalten und sollen erst in einer künftigen Folgestufe digitalisiert werden.

Gibt es eine Erstattung für die Technikkosten?

Für das Update zum ePA-Konnektor erhalten Praxisinhaber einmalig 400 Euro, für das PVS-Update „eRezept“ 120 Euro sowie einen Betriebskostenzuschlag von einem Euro pro Quartal. Der eHBA wird mit 11,63 Euro pro Quartal und Arzt gefördert. Ein weiteres Kartenterminal für das Sprechzimmer wird mit 595 Euro pro Gerät erstattet – dabei gibt es ein zusätzliches Terminal je angefangene 625 Betriebsstättenfälle.

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