Aufgrund der derzeitigen Krisen des chinesischen Immobilienriesen Evergrande und des Berliner Wohnungskonzerns Adler werden die Warnungen vor Immobilienblasen wieder lauter. Die Expertenmeinungen gehen allerdings weit auseinander.
Erst die drohende Insolvenz des chinesischen Immobilienriesen Evergrande, dann der Börsencrash der Alder-Group-Aktie nach Bilanzbetrugsvorwürfen und einer Shortseller-Attacke auf den Berliner Wohnungskonzern. Können die Turbulenzen im internationalen Immobilienmarkt die Preisblasen, die mancherorts in den vergangenen Jahren auch in Deutschland entstanden sind, zum Platzen bringen?
Immerhin warnte die Deutsche Bundesbank schon in einem Monatsbericht im Februar vor einer Überhitzung. Ihren Schätzungen zufolge lagen die Immobilienpreise in den Städten im Vorjahr zwischen 15 und 30 Prozent über dem Wert, der durch „demografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren“ angezeigt sei.
Frankfurt am Main hat das höchste Blasen-Risiko
Im Oktober wies die Schweizer Großbank UBS erneut darauf hin, dass deutsche Metropolen zunehmend überteuert sind. Laut ihrer aktuellen Untersuchung von 25 Großstädten weltweit zeigte der Markt für Wohnimmobilien in Frankfurt am Main von Mitte 2020 bis Mitte 2021 das höchste Risiko für eine Immobilienblase. Die inflationsbereinigten Wohnungspreise seien dort seit 2016 jährlich um zehn Prozent gestiegen. Die Mainmetropole verdrängte damit München von der Spitze, das in diesem Jahr an vierter Stelle und damit weiterhin im roten Gefahrenbereich liegt. Andere deutsche Metropolen hat UBS nicht analysiert. Die Wahrscheinlichkeit sei allerdings groß, dass auch Städte wie Berlin oder Köln in der Risikozone liegen, sagt Matthias Holzhey, Studienautor und Chef der UBS-Immobilienabteilung, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Mit dem Blasenrisiko sei das potenzielle Ausmaß einer Preiskorrektur im vergangenen Jahr gestiegen, so die Studie. Die UBS rät Investoren deshalb, vorsichtig zu sein. Eine Verschärfung der Kreditvergabestandards könnte in den meisten Märkten den Immobilienboom abrupt stoppen.
Evergrande-Krise keine Gefahr für den deutschen Markt
Den wankenden Immobilienriesen Evergrande sieht Holzhey dagegen nicht als Gefahr, da der chinesische Markt in diesem Segment zu stark vom globalen abgeschottet sei. Wie groß die Gefahr eines Crashs im Immobiliensektor vor allem in Deutschland ist, wollte er gegenüber dem RND nicht einschätzen. Möglich sei auch ein langsamer Rückgang der Immobilienpreise in überhitzten Städten wie Frankfurt und München. Er müsse zehn bis fünfzehn Jahre andauern, bis wieder ein realistisches Niveau erreicht sei.
Wie auf den meisten anderen Immobilienmärkten zeichnet sich laut der UBS-Studie in der Corona-Krise in Frankfurt am Main aktuell ein Wandel ab. Angesichts des immer teureren Wohnraums und der neuen Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten sei das Bevölkerungswachstum in der Großstadt vorerst zum Stillstand gekommen. Dasselbe gelte für München, wo es sogar eine leichte Mietenkorrektur gegeben habe. Das Wachstum finde zunehmend in Vororten statt, so UBS. Erstmals seit Beginn der 90er-Jahre seien im Analysezeitraum zudem die Immobilienpreise außerhalb der Städte schneller gestiegen als innerhalb. Diese Entwicklung zugunsten weniger urbaner Räume werde sich fortsetzen.
Häuser und Wohnungen beliebte Renditegaranten
Der Boom am deutschen Immobilienmarkt hält schon seit über einer Dekade an. Auch die Corona-Krise verursachte keine Delle. Die Pandemie verstärkte aus Sicht vieler Marktbeobachter eher die Bedeutung des Wohnraums und führte zu einer größeren Bereitschaft, höhere Preise für Immobilien zu zahlen. Gleichzeitig hätten sich die günstigen Finanzierungsbedingungen noch weiter verbessert. Teilweise wurden sogar die Kreditvergabestandards für Eigenheimkäufer gelockert. Zudem setzten höhere Sparquoten und boomende Aktienmärkte zusätzliches Eigenkapital frei. Einige Haushalte haben sich durch die Null- und Negativzinsen in immer mehr Geldanlageklassen veranlasst gesehen, in Immobilien zu investieren. Neben Besserverdienern tragen auch institutionelle Investoren, die verstärkt Immobilien als Kapitalanlagen nutzen, zu steigenden Preisen bei.
Das alles werde in absehbarer Zeit wohl auch so bleiben, sofern die Europäische Zentralbank ihre lockere Geldpolitik nicht ändere, meint Reiner Braun. Der Chef des Forschungsinstituts Empirica beobachtet, dass in immer mehr deutschen Städten die Immobilienpreise steigen, weil das „billige Geld“ den Markt flute und die Nachfrage das Angebot vielerorts weit übertreffe. Seit Jahren wachsen ihm zufolge die Kaufpreise schneller als die Einkommen und die Mieten, es wird immer mehr gebaut und die Kredite steigen erheblich. „Selbstverständlich haben wir eine Immobilienblase am Wohnungsmarkt“, betont er. 2021 habe sich dieser Trend verstärkt. Im Sommer betraf er 331 von 401 untersuchten Städten und Kreisen. „Sobald die Zinsen steigen, müssen die Preise runter oder die Mieten hoch“, warnt er. Doch die Zuwanderung aus dem Ausland, die Knappheit des Baulands und steigende Materialkosten machten ein Szenario wahrscheinlich, bei dem die Luft langsam aus der Blase entweicht.
Der Immobilienblase könnte ab 2023 langsam die Luft ausgehen
Aus Sicht von Jochen Möbert, Volkswirt aus dem Research-Bereich der Deutschen Bank, könnte es in zwei bis drei Jahren so weit sein. Auf Wohnimmobilien fokussierte Investoren sollten sich danach auf neue Zeiten einstellen, prophezeit er in einer Studie. Beim Norddeutschen Immobilientag bekräftigte er jüngst, die fundamentale Angebotsknappheit im Markt könnte ab 2023 erheblich zurückgehen. Bestehende Unterbewertungen könnten aufgrund des Niedrigzinsumfeldes bei anhaltend hoher Preisdynamik zunehmend beseitigt werden. Damit steige das Risiko, dass Zinserhöhungen eine Verkaufswelle auslösen. „Aber auch ohne Zinsschock verlieren deutsche Wohnimmobilien zumindest im Vergleich zu anderen Wohnimmobilienmärkten an Attraktivität“, meint Möbert.
Michael Voigtländer sieht das ganz anders. Die Preise würden noch steigen, meint der Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft. Eine Blasenbildung sehe er nicht in Deutschland, sagte er kürzlich der Süddeutschen Zeitung (SZ). In Zeiten übermäßiger Spekulation steige die Zahl der Verkäufe normalerweise deutlich an. Die Daten jedoch zeigten das Gegenteil. Der Immobilienmarkt boome weiter – auch wenn sich die Entwicklung vielleicht verlangsame. Anziehende Zinsen und Mieten, die teilweise die Grenze der Belastbarkeit erreicht hätten, könnten die Verteuerung bremsen. „Den Markt drehen werden sie aber nicht“, versicherte Voigtländer der SZ. Die zuletzt gestiegene Inflation könne sogar bewirken, dass sich auch die Mieten noch einmal verteuerten – und in der Folge auch die Immobilienpreise.
Geldhäuser bleiben zumindest kurzfristig optimistisch
Die Immobiliengesellschaften der Landesbausparkassen und Sparkassen sowie die Baufinanzierungsexperten der Postbank gehen auch davon aus, dass die Lage auf dem Markt für Wohnimmobilien kurzfristig weiter anspannt bleibt. Für eine LBS-Analyse befragte 560 Immobilienvermittler erwarten Preissteigerungen zwischen gut vier Prozent für neue Reihenhäuser und knapp sieben Prozent für Bauland. Gebrauchte Einfamilienhäuser könnten sich demnach um rund fünf Prozent verteuern. Die große Mehrheit der LBS-Fachleute glaubt nicht, dass die Kaufpreise in den oft überteuerten Städten infolge der Corona-Krise sinken werden. Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen könnte jedoch nicht mehr ganz so dynamisch steigen wie zuvor.
Der aktuelle Postbank-Wohnatlas prognostiziert bis 2030 vor allem in und um die urbanen Zentren steigende Kaufpreise – am stärksten in den sieben größten Metropolen. Auch Städte wie Potsdam, Dresden und Leipzig sind im Aufwind. Für mehr als die Hälfte der 401 kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland sagt die Postbank einen Preisauftrieb bei Wohneigentum voraus. Treiber seien vor allem die demografischen sowie die Wirtschafts- und Einkommensentwicklungen in den Regionen. Meist sei im Süden und Nordwesten mit Wertsteigerungen zu rechnen. Für strukturschwache Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen in den ostdeutschen Bundesländern und im Ruhrgebiet sind die Kaufpreisprognosen pessimistischer.
Investitionschancen-Index hilft bei Immobiliensuche |
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Wo finden Kaufinteressierte derzeit noch günstige Preise und können zugleich mit weiteren Wertsteigerungen des Wohneigentums rechnen? Der sogenannte Investitionschancen-Index, den das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut jährlich für den Postbank-Wohnatlas berechnet, zeigt vielversprechende Regionen in Deutschland. Mehr dazu unter: www.postbank.de/themenwelten/bauen-wohnen.html |