Lebensversicherung: Profitieren Kunden von steigenden Zinsen?

Branchenkenner rechnen bei Lebensversicherungen zwar mittel- bis langfristig wieder mit einer höheren Überschussbeteiligung. Noch drücken aber oft stille Lasten in den Bilanzen auf die verbesserten finanziellen Aussichten.
Das Zinsniveau an den Kapitalmärkten zieht seit einigen Monaten an. Können auch Kundinnen und Kunden von Lebensversicherern davon profitieren, dass die internationalen Notenbanken die Ära der ultralockeren Geldpolitik beendet haben?
Diese Frage drängt sich derzeit auf. Die Zinswende sorgt theoretisch immerhin dafür, dass die Assekuranzen ihr Geschäft einfacher finanzieren und die Sparbeiträge der Versicherten wieder zu besseren Konditionen anlegen können. Wenn die Versicherer jetzt etwa festverzinsliche Wertpapiere kaufen, dann erzielen sie damit höhere Renditen. Noch vor einem Jahr machten niedrige Zinsen es fast unmöglich, die einst gegebenen Garantiezusagen von bis zu vier Prozent zu erwirtschaften.
Die Deutsche Aktuarvereinigung rechnet eher mittel- bis langfristig mit Besserung. Bis sich die Zinswende bei Lebensversicherungen positiv bemerkbar macht, dürfte es noch eine Weile dauern, sagte deren Vorstandsvorsitzender Herbert Schneidemann der Nachrichtenagentur dpa: „Ich würde in den nächsten drei bis fünf Jahren bei klassischen Kapitallebensversicherungen nicht mit einem Anstieg der laufenden Verzinsung rechnen.“ Ein schnellerer Zinsanstieg sei bei Lebensversicherungen vorstellbar, bei denen Kunden nur einmalig einen Beitrag entrichten.
Lang laufende Anleihen bremsen
Der Bund der Versicherten teilt die Ansicht, dass sich die Auswirkungen durch die aktuell steigenden Zinsen erst in vielen Jahren für Kunden auszahlen. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten erklärte dazu: „Die deutsche Lebensversicherung ist zu unflexibel, um auf sich ändernde Zinsen reagieren zu können, das haben die letzten Jahre einmal mehr gezeigt.“ Kurzfristig helfe es den Solvenzquoten, damit die Unternehmen, die solche Produkte anbieten, finanziell besser aufgestellt seien.
Der Verein kritisiert, Lebensversicherungen zur Altersvorsorge seien „legaler Betrug“. Denn sie seien in der Regel langfristige Sparverträge mit einer Rendite, die oft unter der Inflationsrate liege. „Die Unternehmen nehmen das Geld, arbeiten damit und lassen die Kundschaft nur zum Teil überhaupt an den Gewinnen teilhaben“, so Kleinlein in einem Interview des Bundes der Versicherten. Am Ende gehe es um die Überschussbeteiligung aus Kapitalanlagen, damit ein Vertrag sich überhaupt rechne.
Vor allem die Assekuranzen, die viel in Staatsanleihen investiert haben, könnten hier zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Sie kommen laut dem Verbraucherschützer zwar oft besser durch Zeiten niedriger Zinsen, könnten bei steigenden Zinsen aber nur geringe Überschüsse weitergeben. Das liegt daran, dass langfristige Anleihen, die in der Niedrigzinsphase gezeichnet worden sind, infolge der Zinswende zunächst an Marktwert verlieren und nicht so schnell abgestoßen werden können.
Tilgung von Altlasten geht oft vor
Schneidemann sieht ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen finanziell starken und schwachen Lebensversicherern. Nach Einschätzung des Mannes, der die deutschen Versicherungsmathematiker vertritt, stehen solche Anbieter gut da, die hauptsächlich Verträge mit kurzen Restlaufzeiten in ihrem Bestand und zugleich wenig Geld in festverzinsliche Wertpapiere investiert haben. „Wer aber jetzt schon stille Lasten in der Bilanz hat und weiterhin Zinszusatzreserven aufbauen muss, wird es künftig schwer haben“, so der Experte gegenüber dem „Handelsblatt“. Er rechnet damit, dass viele dieser Assekuranzen zunächst ihre stillen Lasten abbauen, bevor sie die Überschussbeteiligung an Kunden erhöhen.
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Verzinsung bei zwei Prozent Die Überschussbeteiligung der Kunden, die Lebensversicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu festsetzen, ist ein wichtiger Teil der laufenden Verzinsung. Hinzu kommt der Garantiezins, den das Bundesfinanzministerium festlegt. Die laufende Verzinsung aus Überschussbeteiligung und Garantiezins, die sich auf den Sparanteil nach Abzug der Kosten bezieht, liegt laut Herbert Schneidemann von der Deutschen Aktuarvereinigung im Durchschnitt nur mehr bei knapp über zwei Prozent. |
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