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Steuern

Dass die Krankenkassen bestimmte Behandlungsmethoden nicht bezahlen, ist nicht neu – und gesetzlich abgesichert. Doch unter welchen Voraussetzungen darf der Fiskus eine Beteiligung an den Kosten verweigern, die Patienten entstehen, die sich für eine wissenschaftlich (noch) nicht anerkannte Therapie entscheiden? Diese Frage musste vor Kurzem das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entscheiden (Az.: 1 K 1480/16).

Im konkreten Fall ging es um ein Ehepaar, das seine zweieinhalbjährige und wegen Komplikationen bei der Geburt schwerbehinderte Tochter in einem sogenannten Naturheilzentrum behandeln ließ, das von zwei Heilpraktikern betriebenen wird.

Nachdem die Krankenkasse die Erstattung der Kosten für die Heilbehandlung in Höhe von 16.800 Euro abgelehnt hatte, machten die Kläger ihre Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Um zu unterstreichen, dass die Ausgaben medizinisch indiziert waren, legten sie das privatärztliche Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde (Homöopathie) vor. Darin war unter anderem ausgeführt, dass bei dem schweren Krankheitsbild des Mädchens jeder Versuch, ihren Zustand zu verbessern, für die Familie wichtig sei. Gleiches gelte für die damit verbundenen, medizinisch positiven Impulse für das Kind. Deswegen sei ärztlich die Teilnahme am Förderprogramm des Naturheilzentrums zu empfehlen.

Der zuständige Amtsarzt hatte das Attest zudem mit dem Kommentar versehen: „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt”.

Das kürzeste Gutachten der Welt

Der Fiskus weigerte sich jedoch, die Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Grund: In Fällen, in denen eine Heilbehandlung nach wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden durchgeführt werden, müssen Steuerpflichtige die Erforderlichkeit beziehungsweise Zwangsläufigkeit der dafür entstandenen Kosten nach § 64 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung in qualifizierter Form nachweisen – etwa durch ein Gutachten. Das, so die Meinung des Finanzamts, sei vorliegend nicht geschehen, da die knappe Äußerung des Amtsarztes kein Gutachten darstelle.

Die Eltern des Mädchens klagten daraufhin – und bekamen Recht. Das Finanzgericht entschied: Zwar enthalte der Wortlaut des § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStDV tatsächlich den Begriff „amtsärztliches Gutachten“. Die Vorschrift ermächtige jedoch nicht nur den Amtsarzt, sondern auch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei unkonventionellen Behandlungsmethoden zu bestätigen. Hierfür müsse der MDK nur eine „Bescheinigung“ ausstellen.

Vor diesem Hintergrund und mit Rücksicht auf Sinn, Zweck und historische Entwicklung der Vorschrift seien daher an das „Gutachten“ eines Amtsarztes in Bezug auf Form und Inhalt keine höheren Anforderungen als an eine „Bescheinigung“ zu stellen.

Das Urteil ist rechtskräftig.