SARS-CoV-2 hinterlässt in allen Lebensbereichen seine Spuren. Vor allem eines hat es gelehrt: Die Stütze der Gesellschaft ist ein gutes Gesundheitssystem und die Menschen, die darin arbeiten. Was die Europäer im Jahr zwei der Pandemie über Ärzte, Videosprechstunden und Maskenpflicht denken, brachte nun eine Studie ans Tageslicht.
Das überraschendste Ergebnis vorweg: Die Pandemie wirkt sich auf junge Frauen am schwerwiegendsten aus. Sie leiden am meisten unter den negativen Folgen. Das ergab der siebte Stada-Gesundheitsbericht, die zurzeit umfangreichste Untersuchung im Gesundheitsbereich. Über 30.000 Menschen aus 15 europäischen Ländern wurden dafür im März und April 2021 befragt.
Europäer vermeiden Arztbesuche
Neben der Erkenntnis, dass vor allem 18- bis 34-Jährige und Frauen von negativen Auswirkungen betroffen sind, beunruhigte aber auch ein weiteres Ergebnis. Einer von fünf sagte einen Vorsorgetermin ab. Zu befürchten ist, dass andere schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs zu spät erkannt oder nicht bestmöglich behandelt werden. Grund für die Zurückhaltung bei Arztbesuchen ist die Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2. 42 Prozent der Europäer haben Angst, sich mit dem Virus anzustecken.
In diesen beängstigenden Zeiten kristallisierte sich aber ein Fels in der Brandung heraus: Ärztinnen und Ärzte sind die Helden der Pandemie! Europaweit vertrauen 81 Prozent der Befragten ihnen am meisten bei allen Gesundheitsfragen. Portugal landete hier mit stolzen 90 Prozent auf dem ersten Platz, in Deutschland haben immerhin 79 Prozent höchstes Vertrauen in ihre Ärztinnen und Ärzte.
Quelle: Stada
Etwas überraschend wurde aber auch deutlich: die Beliebtheit von Videosprechstunden sank im Vergleich zum ersten Pandemiejahr. Während in 2020 noch 70 Prozent die Behandlung via Webcam guthießen, sehen jetzt nur noch 57 Prozent der Umfrageteilnehmer diese Form der Arztkonsultation positiv. Besonders aussagestark sind die Zahlen aus Deutschland. Nur sieben Prozent nutzen virtuelle Möglichkeiten, um ihren Arzt zu sehen. Die Spanier, die hier europaweit führend sind, erreichen immerhin 27 Prozent. Als Hintergrund vermuten die Studienmacher eine generelle Bildschirm-Müdigkeit der Menschen. Es gibt einfach zu viele berufliche Videokonferenzen, Zoom-Meetings und private Video-Chats. Zudem weist dies auch auf das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und deren Wichtigkeit hin.
Kein Urlaub — darunter litten die Deutschen am meisten
So verwundert es nicht, dass die Europäer weniger die Möglichkeit beunruhigt, sich mit Corona anzustecken, als sich nicht mit Familie und Freunden treffen zu können. Mehr als die Hälfte der Europäer (52 %) empfindet es als belastend, sie nicht sehen zu können. Das gilt besonders für Franzosen und Österreicher (63 %). Insgesamt betrachtet leiden aber die 18- bis 34-Jährigen am stärksten unter der Einsamkeit. Wegen der Reisebeschränkungen und Quarantäneauflagen konnten die meisten Europäer auch nicht in den Urlaub fahren. Etwa jeder vierte Europäer (24 %) fühlte sich am meisten dadurch beeinträchtigt, dass er in den letzten Monaten größtenteils zu Hause bleiben musste. Für die Deutschen (35 %) war dies allerdings der Hauptgrund, warum sie sich deprimiert fühlten. Sie belegen hier Platz 1, gefolgt von den Belgiern mit 31 Prozent.
Einschränkungen, Ängste und Sorgen schlagen sich auch immer mehr auf die Psyche nieder. Fast ein Drittel der Europäer berichtet über vermehrte Angstzustände aufgrund der Pandemie. 25 Prozent leiden unter innerer Unruhe und 15 Prozent unter Schlafstörungen. Der selbst eingeschätzte Anteil der Europäer mit Burnout-Risiko bleibt mit 54 Prozent hoch. Noch höher liegt die Zahl bei den 18- bis 34-jährigen Frauen. 65 Prozent hatten bereits einen Burnout oder das Gefühl, kurz davor zu sein.
Positive Auswirkungen gibt es auch
Eine erfreuliche Nachricht liefert der Gesundheitsbericht aber auch: Eine Folge der Pandemie ist, dass die Menschen mehr auf ihre Gesundheit achten. Die Studienleiter vermuten, dass die Hoffnung besteht, ein gesünderer Lebensstil könne helfen, nicht an COVID-19 zu erkranken. Insgesamt 70 Prozent der Europäer zeigten auch eine erhöhte Bereitschaft, mehr Geld und Zeit in ihre Gesundheit zu investieren. 45 Prozent der Befragten achten nun stärker auf eine gesunde Ernährung. Auch zeigen sich 22 Prozent bereit, unabhängig von der Pandemie, künftig weiterhin einen Mund-Nasen-Schutz zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr zu tragen, um sich und andere vor Infektionen zu schützen. Jeder Dritte will weiterhin den empfohlenen Mindestabstand einhalten.
Die meisten Europäer zeigten sich auch sehr zufrieden mit ihrem Gesundheitssystem. Am zufriedensten waren die Briten und Schweizer (91 %). In Deutschland lobten 82 Prozent der Befragten das Gesundheitssystem während der Pandemie. Nur in Osteuropa kritisierten die Befragten ihr Gesundheitssystem. In Serbien waren es 49 Prozent, in Russland 41 Prozent und in Polen 36 Prozent. Das Schlusslicht bildet die Ukraine mit 25 Prozent.