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Nachhaltigkeit: Mit Wertpapieren etwas bewirken

von André Gieße

gestapelte Münzen, aus denen etwas wächst
Nachhaltige Anlageprodukte haben sich zuletzt an der Börse besser entwickelt als viele andere. Foto: iStock/natrot

Immer mehr Privatanleger an der Börse achten auf Nachhaltigkeit – auch Ärztinnen und Ärzte. Doch nicht bei allen Fonds und ETFs können sie wirklich mit gutem Gewissen investieren.

Logo UND IN ZUKUNFT Klimaschutz & Nachhaltigkeit

Grafik: iStock/Ratsanai

Privatanleger setzen an der Börse verstärkt auf Produkte mit Nachhaltigkeit. Fridays for Future und die Corona-Krise haben bei vielen das Bewusstsein für das Thema weiter geschärft und die Hoffnung geweckt, mit ihren Investitionen etwas in Wirtschaft und Gesellschaft verändern zu können. Auch Ärztinnen und Ärzte stellen sich die Frage, wie sie Vermögen angesichts von Inflation und Zinsflaute am Finanzmarkt sowohl lohnend als auch wirkungsvoll anlegen. Dabei haben sie immer mehr Auswahl.

Die Nachfrage wächst rasant und die börsennotierten Unternehmen stellen sich zunehmend darauf ein, indem sie etwa freiwillig die sogenannten ESG-Kriterien für Umwelt (E), Soziales (S) und gute Unternehmensführung (G) beherzigen. Deutsche Anleger konnten Ende des Jahres 2020 laut Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) aus einem Angebot von insgesamt 878 nachhaltigen Anteilsscheinklassen wählen. Dies seien 242 mehr als im Jahr 2019 gewesen.

Nachhaltigkeits-Bewertung an der Börse

Wofür steht die Abkürzung ESG?

Die Abkürzung ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). Diese drei Kriterien stecken den Rahmen ab, in dem Manager nachhaltiger Fonds Unternehmen beurteilen:
Im Segment Umwelt werden zum Beispiel Energie- und Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung oder Müllproduktion eines Unternehmens bewertet. Im sozialen Bereich geht es unter anderem um die Einhaltung der Menschenrechte oder um faire Arbeitsbedingungen. Im Segment Governance werden das Handeln der Unternehmensführung und der Umgang mit Investoren unter die Lupe genommen.

Für langfristiges Sparen geeignet sind vor allem börsengehandelte Investmentfonds (Exchange Traded Funds, ETFs), die meist passiv verwaltet werden und deshalb kostengünstiger sind als aktiv gemanagte Aktienfonds. ETFs bilden die Aktienzusammensetzung und Wertentwicklung eines Börsenindizes nach – etwa des DAX.

Die laufenden Kosten für globale Aktien-ETFs betragen pro Jahr zwischen 0,2 und 0,5 Prozent des Anlagevermögens, bei herkömmlichen Investmentfonds häufig das Drei- bis Fünffache. Dazu kommen mitunter noch Transaktionskosten.

Und wie viel werfen sie ab?

Wer nachhaltig investieren will, muss keine Abstriche gegenüber gewöhnlichen Anlageprodukten machen. Manchmal ist die Rendite sogar höher. „Nachhaltige Fonds und ETFs haben 2020 nicht nur ihr Handelsvolumen ausbauen können, sondern auch außerordentliche Wertentwicklungen gezeigt“, erklärt Lena Lochner, Portfoliomanagerin von Bayerische Vermögen Management. Sie seien der Megatrend im Börsenmarkt. Banken und Geldverwalter haben auf das gewachsene Interesse reagiert und bieten unter dem Label „nachhaltig“ derzeit eine kaum noch überschaubare Fülle von Finanzprodukten an.

Bewertungskriterien sind schwammig

Doch nicht bei allen Anteilsscheinen, die Nachhaltigkeit versprechen, können Privatanleger wirklich mit gutem Gewissen investieren. Grund dafür ist, dass weltweit weder einheitliche und verbindliche Kriterien für die nachhaltige Geldanlage existieren noch Mindeststandards. Jeder Anbieter von Fonds und ETFs versteht also etwas anderes darunter.

Das gilt auch für Finanzprodukte, die explizit als „klimafreundlich“, „sozial“, „fair“, „ethisch“ oder „ökologisch“ beworben werden. Zwar schreiben viele Wertpapiere in ihren Anlagebedingungen bestimmte Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) fest. Vermögensverwalter und Fondsmanager verlassen sich bei der Auswahl aber in der Regel vor allem auf die Bewertungen von Analysten und Research-Häusern.

Finanzdienstleister wie MSCI, ISS und die Morningstar-Tochtergesellschaft Sustainalytics sammeln Informationen über Unternehmen, bereiten sie auf und interpretieren sie. Teilweise widersprechen sich ihre Ratings. Zudem verfolgen Fondsmanager unterschiedliche Portfolio-Strategien bei der Aktienauswahl.

Bei der Hälfte dominieren Ausschlusskriterien wie Kinderarbeit, Pornografie oder Waffengeschäfte. Ein Drittel verfolgt eher den Best-in-Class-Ansatz – aus jeder Branche werden dabei die nachhaltigsten Firmen herausgefiltert. So kann es sein, dass vermeintlich grüne Wertpapiere bei genauer Betrachtung einen überraschend großen CO2-Fußabdruck haben.

Beliebter ETF veranschaulicht Krux

Das Beispiel des erfolgreichen iShares Dow Jones Global Sustainability Screened UCITS ETF macht dies deutlich. Im selbst formulierten Anlageziel heißt es demnach: „Der Fonds strebt die Nachbildung der Wertentwicklung eines Index an, der aus Unternehmen weltweit besteht, die im Bereich der Nachhaltigkeit führend sind.“ Auf der Liste der darin enthaltenen Positionen tauchen allerdings unter anderem umstrittene Atomkonzerne, Mineralölgesellschaften, Goldminenbetreiber, Flughäfen und Autohersteller auf. Um eine ethische oder gar ökologische Geldanlage handelt es sich hier also nicht.

Dieser ETF schließt dem Kleingedruckten zufolge nur Unternehmen aus, die Erträge aus Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Rüstung, Waffen und nicht jugendfreier Unterhaltung generieren.

Zertifizierung gegen Green-Washing

Es bedarf einer aufwendigen Analyse, um Green-Washing zu erkennen. Ärztinnen und Ärzte, die an der Börse in Nachhaltigkeit investieren wollen, sollten sich die Zusammensetzung der Fonds und ETFs in jedem Fall genauer anschauen und die eigenen Wertvorstellungen damit abgleichen. Eines sollte dabei klar sein: Völlig nachhaltige Unternehmen gibt es kaum. Vielmehr geht es darum, diejenigen finanziell zu fördern, die an einem positiven Wandel arbeiten, um Druck auf den restlichen Markt auszuüben.

Eine weitere Einsicht: Als nachhaltig beworbene Geldanlagen führen nicht automatisch zu mehr Nachhaltigkeit. Zu diesem Fazit kommt jedenfalls ein wissenschaftliches Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzen-tralen (VZBZ). Direkte Effekte über den Kapitalmarkt seien zwar möglich, aktuell aber kaum nachweisbar. „Die große Gefahr für Verbraucher ist, dass Anbieter das Blaue vom Himmel versprechen, ohne dass sich tatsächlich etwas bewegt“, betonte kürzlich VZBZ-Vorstand Klaus Müller. Anbieter, die mit einem direkten Beitrag ihrer Anlageprodukte zu bestimmten Nachhaltigkeitszielen werben und zugleich marktübliche Renditen versprechen, müssten kritisch hinterfragt werden, sagte er.

Anhaltspunkte für seriöse Investments können unabhängige Instanzen geben, die den Inhalt nachhaltiger Fonds und ETFs unter die Lupe nehmen. Für mehr Durchblick will etwa das Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG) sorgen, das Investmentfonds mit Nachhaltigkeitsanspruch jährlich mit einem Gütesiegel auszeichnet. Laut dem Verein, in dem auch Banken, Fondsgesellschaften und Ratingagenturen vertreten sind, sind von den nachhaltigen Publikumsfonds in Deutschland allerdings nur etwa 18 Prozent zertifiziert. Das FNG-Siegel mit Audit durch die Universität Hamburg basiert auf Mindeststandards. Dazu zählen international anerkannte Transparenzkriterien sowie die Berücksichtigung von Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung.

Zu diesen Fonds raten Finanztester

Privatanleger können sich auch an den Empfehlungen unabhängiger Experten orientieren. Die Stiftung Warentest bewertet regelmäßig Fonds und ETFs anhand des Chance-Risiko-Verhältnisses. Die monatlich aktualisierten Ergebnisse veröffentlicht sie in einer großen Online-Datenbank. Sie achtet dabei auch darauf, wie viele Aktien eine Fondsgesellschaft wegen schmutziger Geschäfte aussortiert. Je strenger die Auswahlkriterien, desto besser die Bewertung. Zudem prüft die Stiftung Warentest für die Nachhaltigkeitsbewertung, ob ein Anbieter über einen entsprechenden Beirat mit unabhängigen Experten verfügt.

Für ihre Zeitschrift „Finanztest“ hat sie im vergangenen Jahr insgesamt 73 aktive und passive Fonds untersucht, die weltweit mit ethisch-ökologischer Ausrichtung investieren. „Wir haben zum Beispiel gefragt, welche Branchen und Geschäftspraktiken tabu sind“, so Projektleiter Boštjan Krisper. Die am besten beurteilten nachhaltigen Fonds setzen die strengsten Anlagekriterien an: Sie investieren nur in Unternehmen, die bestimmte soziale, ökologische oder rechtliche Standards erfüllen. Daneben hat die Performance in den vergangenen 60 Monaten eine Rolle gespielt.

Zwei aktiv gemanagte Fonds und ein Indexfonds haben die Bestnote von fünf Punkten erhalten (GLS Bank Aktienfonds, Superior 6 Global Challenges und Warburg Global Challenges). Die Werteentwicklung war bei allen dreien eher mittelmäßig. Passive ETFs haben bei der Untersuchung von „Finanztest“ in Sachen Nachhaltigkeit schlechter abgeschnitten.

Gute MSCI-World-ETFs für Einsteiger

Bequemer und über einen längeren Investitionszeitraum betrachtet renditestärker sind dennoch meist ETFs, die den Index MSCI World SRI abbilden – die letzten drei Buchstaben stehen für Socially Responsible Investment. Er schneidet seit Jahren besser ab als der Weltaktienindex MSCI World. Sogar in der Corona-Krise. Als kostengünstige und etwas transparentere Basisanlage empfehlen ihn auch die Redaktion von „Finanztest“ und Vermögensmanagerin Lena Lochner. Das nachhaltige Pendant bündelt die weltweit größten 357 Unternehmen, die das höchste ESG-Ranking aufweisen. Der Grundstock dieser Analyse ist der normale MSCI-World-Index, der 1.583 Unternehmen umfasst.

Als meisterfolgversprechende und historisch gesehen relativ krisensicherere ETFs für eine nachhaltig ausgerichtete Geldanlage empfiehlt das Online-Portal „Finanztip“ zwei MSCI-World-SRI-Produkte der Marke UBS (ISIN: LU0629459743 und ISIN: LU0950674332). Und darüber hinaus einen der Marke iShares (ISIN: IE00B57X3V84), der den Dow Jones Sustainability Index World Enlarged abbildet.

Diese würden die Anlage breit genug über Unternehmen verschiedener Branchen, Länder und Währungen streuen und könnten Schwankungen sowie Verlustrisiken besser ausgleichen. Die durchschnittliche Rendite für Anleger lag jeweils bei knapp über zehn Prozent im Jahr. Letztlich gilt auch hier wie bei allen anderen Geldanlagen: Nicht alles auf eine Karte setzen.

Surftipps: Diese Online-Portale helfen bei der Anlageauswahl

Auf diesen kostenlosen Vergleichsplattformen im Internet können Sie Tausende Anlagetypen nach Ihren individuellen Präferenzen (z.B. klimaschonend und sozial) filtern und die Nachhaltigkeit prüfen – auch Fonds und ETFs:

André Gieße

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