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Praxiskauf: Praxiswert berechnen, Steuerfallen vermeiden


Empfangstresen Arztpraxis

Vorsicht beim Praxiskauf und -verkauf: Das Finanzamt lässt Ärzte und Zahnärzte nicht den ganzen Kaufpreis einer Praxis in den Jahren nach dem Erwerb abschreiben. Michael Arnold, Rechtsanwalt und Steuerberater in Villingen-Schwenningen, erklärt die Details der Regelung.

Zwar streiten sich auch Gutachter über die richtigen Methoden der Praxisbewertung vor einem Verkauf, aber auf einige Dinge konnte sich der Arzt bzw. Zahnarzt dennoch verlassen. Bislang wurde der Kaufpreis einer Praxis immer unterteilt in einen

Goodwill als Streitpunkt beim Praxisverkauf

Über die Höhe des jeweiligen Wertes wird naturgemäß ziemlich viel diskutiert. Denn der Goodwill beinhaltet für den Nachfolger ein gewisses Risiko. Schließlich hat er keine Garantie dafür, dass Patienten und bewährte Mitarbeiter nach der Abgabe wirklich bleiben.

Finanzamt ließ Abschreibung aller Bestandteile zu

Doch zumindest auf die steuerliche Seite war lange Zeit Verlass. Sowohl der Substanzwert als auch der Goodwill sind steuerlich betrachtet abnutzbare Wirtschaftsgüter eines Unternehmens. Damit können sie abgeschrieben werden. Die Abschreibungsdauer nach einem Praxiskauf beträgt dann meist drei bis fünf Jahre.

Wer kurz vor dem Praxisverkauf steht, muss aber wissen, dass der Fiskus – einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz (Az.: S 2134 a A – St 314) folgend – nicht länger die Auffassung vertritt, alle Bestandteile eines Praxiskaufpreises seien tatsächlich abschreibungsfähig. In überversorgten Gebieten sei der mit einer Vertragsarztzulassung verbundene wirtschaftliche Vorteil einer selbstständigen Bewertung zugänglich. Da die Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt werde, kämen Absetzungen für deren Abnutzungen auch nicht länger in Betracht.

Erwerb immaterieller Werte ist kein Praxiskauf

Die Oberfinanzdirektion Koblenz sieht sich durch ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23. September 2004 (Az.: 13 K 412/01) bestätigt. In dem Urteilsfall erhielt der ausscheidende Arzt dafür einen Geldbetrag, dass er seinen Nachfolger in der Gemeinschaftspraxis gegenüber den Zulassungsinstanzen als seinen favorisierten Nachfolger angegeben hatte. Andere Wirtschaftsgüter hatte der neu eintretende Arzt bei der Abgabe nicht erworben.

Nach Ansicht des Finanzamts handelte es sich bei der Praxisabgabe nicht um einen normalen Praxisverkauf. Da der Arzt nur immaterielle Werte erworben habe, sei eine Abschreibung rechtlich nicht möglich. Der Arzt klagte gegen diese Auffassung – und verlor.

Verfahren bestätigt Finanzamt

Das Niedersächsische Finanzgericht sah in der angeblichen Praxisabgabe einen isolierten Erwerb der Vertragsarztzulassung. Den Kaufpreis habe der Mediziner nicht für den Praxiskauf geleistet, sondern um den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zu erwerben. Das sei rechtlich in Ordnung, aber: Die Vertragsarztzulassung sei grundsätzlich zeitlich unbegrenzt. Deshalb seien Absetzungen für Abnutzung nicht möglich.

Diese fiskalische Rechtsauffassung wird inzwischen übrigens nicht nur in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz vertreten, sondern auch in Baden-Württemberg. Ärzte, die sich auf so einen Deal einlassen, haben also das Risiko, das eine Abschreibung des Kaufpreises wohl nicht möglich ist.

Umdenken bei der Praxisbewertung

Wenn die Finanzverwaltung die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts nun bundesweit überträgt, muss die Praxisbewertung neu überdacht werden. In Fällen, in denen der Erwerber einheitlich für eine gesamte Praxis inklusive Substanzwert bezahlt, wird sie in der Regel wie folgt aussehen: Zunächst wird der Substanzwert für die übernommenen Gerätschaften und Einrichtungen ermittelt.

Daneben wird der abschreibungsfähige Goodwill ermittelt. Hierzu bedient sich der Fiskus der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Ermittlung des Verkehrswerts einer Praxis (Praxiswert, Goodwill). Laut den Richtlinien der Bundesärztekammer berechnet sich der immaterielle Praxiswert aus einem Drittel des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Jahre abzüglich eines kalkulatorischen Unternehmerlohns (Oberarztgehalt in der Klinik, BAT Ib), also nach folgender Formel:

Werte von mehr als 50.000 Euro

Ist der Gesamtkaufpreis einer Praxis höher als die Summe aus Substanzwert und Praxiswert nach der Methode der Bundesärztekammer, setzt die Finanzverwaltung die Differenz als nicht abschreibungsfähige Vertragsarztzulassung an. In der Praxis ergeben sich hierdurch teilweise Werte von mehr als 50.000 Euro.

Auswirkungen auf den Praxisverkauf

Die wirtschaftliche Auswirkung dieses Denkansatzes ist für Praxiskäufer von existenzieller Bedeutung. Die Größenordnungen an zu zahlenden Steuern können sich ebenfalls in Höhe von 50.000 Euro oder mehr bewegen. Jeder potenzielle Praxiserwerber muss heute diese rechtliche Problematik deshalb kennen, um sich vor Unterzeichnung eines Kaufvertrags damit auseinanderzusetzen. Deshalb sollte der Deal unbedingt von einem Steuerberater für Heilberufler und/oder einem Rechtsanwalt begleitet werden.

Für Arztpraxen in gesperrten Gebieten relevant

Freilich: Die neue Abschreibungsauffassung dürfte aller Voraussicht nach nur in den gesperrten Zulassungsgebieten zum Streit ausarten. Hier müssen Praxisverkäufer und Praxiskäufer

Verkäufer und Käufer sollten sich beraten lassen

Die Auffassung der Finanzverwaltung muss noch keineswegs als endgültig gesichert angesehen werden. Rechtsbehelfsverfahren sind gegen die neue Handhabung anhängig. Betroffene sollten deshalb prüfen, ob sie sich gegen entsprechendes Ansinnen der Finanzverwaltung noch mit Rechtsmitteln wehren können. Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass andere Finanzgerichte zur Ansicht gelangen, die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts habe einen besonders gelagerten Einzelfall betroffen, der nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragbar ist.

Vermeidungsstrategien

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