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Recht

Nicht nur Ärzte stehen im klinischen Alltag enorm unter Druck, sondern auch das pflegerische Personal. Fehler können bei beiden gravierende Folgen haben. Das zeigt auch eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) München. Die Richter hatten zu bewerten, wer für den folgenschweren Lapsus einer Intensiv-Schwester geradezustehen hat – und fällten ein eindeutiges Urteil.

Wenn wichtige Unterlagen fehlen….

Im konkreten Fall ging es um eine Patientin, die wegen einer hypertensiven Krise in eine Klinik eingeliefert und dort intensivmedizinisch behandelt wurde. Um einen reibungslosen Ablauf auf der Station zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Ärzte stets Zugriff auf wichtige Patientenunterlagen haben, bestand dort die interne Anweisung, dass das Pflegepersonal EKG-Befunde vorn in die Behandlungsakte legen sowie die Anfertigung von EKG in der Akte vermerken muss.

Entgegen dieser Anordnung blieb jedoch ein aktuelles 12-Kanal-Ruhe-EKG der Patientin in der Akte unerwähnt. Der diensthabende Oberarzt konnte bei der Visite daher nicht sehen, dass es ein verlängertes korrigiertes QT-Intervall von 0,62 Sekunden zeigte. Mit einem solchen Wert hätte die Frau weiterhin unter Monitorüberwachung auf der Intensivstation bleiben müssen. Auch hätte das bis dahin gegebene Aponal (Doxepin) abgesetzt werden müssen.

Ehemann verlangt Schmerzensgeld

In Unkenntnis der auffälligen Werte verlegte der Arzt die Frau jedoch auf die Normalstation. Dort erlitt sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand und trug am Ende eine Hirnschädigung davon. Ihr Ehemann verklagte die Klinik auf Schmerzensgeld.

OLG kassiert Entscheidung der Vorinstanz

In der ersten Instanz hatte er mit seinem Ansinnen noch keinen Erfolg. Da das Landgericht Kempten einen ärztlichen Behandlungsfehler verneinte, wies es die Klage als unbegründet ab. Das OLG München hingegen hielt auch den Fehler des nichtärztlichen Personals für relevant. Zwar negierten auch die Münchener Richter einen Behandlungsfehler des Oberarztes. Auf Grundlage der ihm vorliegenden Informationen sei die Verlegung der Patientin nicht zu beanstanden gewesen. Allerdings bejahte das OLG ein grob fehlerhaftes Verhalten des Pflegepersonals. Dieses müsse sich der Krankenhausträger zurechnen lassen.

Die Patientin hat demnach Anspruch auf ein Schmerzensgeld von 225.000 Euro für die erlittene Hirnschädigung (OLG München, Az. 24 U 1360/19).