Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind nach Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats rund 22,6 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Bis Mai 2023 haben davon rund 1,1 Millionen ukrainische Geflüchtete in Deutschland Zuflucht gefunden. 72 Prozent der Ukrainer verfügen über einen Hochschulabschluss und sind somit hoch qualifiziert. Darunter sind auch viele Angehörige des Gesundheitswesens, die in Deutschland auf der Suche nach einer Arbeitsstelle sind. Aber ist das so einfach? Ankommen und gleich als Arzt weiterarbeiten? Leider nicht.

Wird ein Medizinstudium in der Ukraine in Deutschland anerkannt?

Bei der Anerkennung in Deutschland wird zunächst differenziert, in welchem Land der oder die Geflüchtete einen Berufsabschluss erworben hat und ob es sich um einen sogenannten reglementierten Beruf handelt. Kommt die Person aus einem EU-Staat, gibt es vereinfachte Regelungen. Ukrainische Schutzsuchende unterliegen jedoch den verschärften (Anerkennungs-) Regelungen für Drittstaaten.

Welche Anerkennungs-Regelungen gelten für Heilberufler aus Drittstaaten?

Bei reglementierten Berufen, die in einem Drittstaat erworben wurden, bedarf es eines Anerkennungsverfahrens. Zu diesen Berufen zählen insbesondere Heilberufe. Unter die Heilberufe fallen alle Tätigkeiten, welche sich um die Gesundheit von Menschen oder Tieren kümmern. Zu diesen Berufsgruppen gehören nicht ausschließlich Ärztinnen und Ärzte. So werden auch Apotheker, Kranken- und Altenpfleger, Hebammen, Physiotherapeuten oder Logopäden mit umfasst. Jedoch wird hier im Folgenden insbesondere auf die Besonderheiten der ärztlichen Anerkennung eingegangen.

Erteilung der Approbation für ukrainische Ärzte nach Anerkennungsverfahren

Möchte ein ukrainischer Arzt die Approbation nach § 3 BÄO erlangen, so muss er ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. In einem solchen Anerkennungsverfahren wird geprüft, ob die im Ausland erworbene Berufsbezeichnung „Arzt“ mit dem deutschen Medizinstudium in formeller (z.B. Studiendauer) und inhaltlicher (u.a. Fachwissen) Form gleichwertig ist (vgl. § 3 III 1, BÄO). So wird neben der anzuerkennenden Berufsqualifikation auch die vorhandene Berufserfahrung berücksichtigt, welche Unterschiede ausgleichen kann (vgl. § 3 III 1, II 5 BÄO).

Werden alle medizinischen Abschlüsse aus der Ukraine in Deutschland anerkannt?

In der Vergangenheit wurden medizinische Abschlüsse aus der Ukraine nicht als gleichwertig mit dem deutschen Medizinstudium bewertet. In solchen Fällen besteht aber die Möglichkeit, an einer sogenannten Ausgleichsmaßnahme teilzunehmen. Dabei weist der Antragsteller nach, dass er über gleichwertiges Wissen verfügt. So ist für Ärztinnen und Ärzte eine Kenntnisprüfung notwendig (vgl. § 3 III 3 BÄO, § 37 ÄApprO). Dabei werden Inhalte aus der deutschen Abschlussprüfung abgefragt. Besteht der Antragsteller diese Prüfung, wird sein ukrainischer Berufsabschluss in einem nachfolgenden, zusätzlich zu stellendem Antrag, vollständig in Deutschland anerkannt.

Daher wird in der Praxis Antragstellern oft nahe gelegt, statt der Dokumentenprüfung (s.o.) direkt eine Kenntnisprüfung zu machen, wenn davon auszugehen ist, dass der Abschluss als nicht gleichwertig anerkannt werden würde. Damit könnte man sich einen zusätzlichen Antrag sparen und so die Zeit verkürzen.

Anerkennung von ukrainischen Ärzten mit Berufserfahrung in der EU

Hat der Antragsteller seinen ärztlichen Berufsabschluss in der Ukraine erworben und zusätzlich bereits Berufserfahrung in einem EU-Staat, welcher dessen Ausbildung anerkannt hat, kann er nach § 3 II 7 BÄO, § 36 ÄApprO eine Eignungsprüfung ablegen.

Welche Sprachkenntnisse müssen ukrainische Ärzte für Approbation in Deutschland nachweisen?

Für die Erlangung einer Approbation muss der Arzt neben dem beschriebenen Nachweis einer gleichwertigen Ausbildung auch die sonstigen Voraussetzungen nach § 3 BÄO – beispielsweise ausreichende Sprachkenntnisse – nachweisen. Verlangt wird ein allgemeines Sprachniveau in B2 und eine Fachsprachenprüfung in medizinischer Fachsprache auf Level des C1-Niveaus. Diese wird in der Regel von den Landesärztekammern durchgeführt.

Erteilung der Berufserlaubnis für ukrainische Ärztinnen und Ärzte

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, als drittstaatsangehöriger Arzt (z.B. aus der Ukraine) eine ärztliche Berufserlaubnis nach § 10 BÄO, § 34 ÄApprO zu erlangen. Hierfür ist keine Gleichwertigkeitsprüfung nötig, vielmehr genügt ein abgeschlossenes Medizinstudium. Wesentliche Unterschiede zur Approbation sind, dass die Berufserlaubnis auf zwei Jahre befristet ist und auf bestimmte Tätigkeiten, Beschäftigungsstellen oder Bundesländer beschränkt werden kann.

Darüber hinaus muss der Antragsteller nachweisen, dass er im rechtlichen Sinne zuverlässig ist, also sich keines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit des ärztlichen Berufs ergibt. Zudem muss er gesundheitlich geeignet sein, den Beruf auszuüben und über erforderliche Sprachkenntnisse verfügen. In der Regel orientieren sich die zuständigen Behörden an den soeben dargestellten Fremdsprachenkenntnissen für die Approbation.

Zuständigkeit für eine Approbation und Berufserlaubnis

Sowohl für die Beantragung der Approbation und der Berufserlaubnis sind regelmäßig die Bezirksregierungen zuständig, was durch Landesrecht geregelt wird. So sind beispielsweise in Bayern für die Erteilung einer Berufserlaubnis die Regierungen von Oberbayern und Unterfranken zuständig. Bei der Erteilung der Approbation ist hingegen ausschließlich die Regierung von Oberbayern zuständig, wenn eine Gleichwertigkeitsprüfung erforderlich ist (§ 1 I HeilBZustV Bayern).

Anerkennung von Weiterbildungen als Facharztbezeichnung

Hat ein Arzt in der Ukraine bereits einen Facharzttitel erworben, muss auch dieser in Deutschland anerkannt werden. In Bayern ist dafür die Bayerische Landesärztekammer zuständig. Sie überprüft, ob die ukrainische Qualifikation mit der deutschen gleichwertig ist. Liegen wesentliche Unterschiede vor, müssen die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen in einer Prüfung nachgewiesen werden (vgl. § 19 Weiterbildungsordnung Ärzte Bayern).

Benötigen ukrainische Ärzte eine Arbeitserlaubnis in Deutschland?

Neben den berufsrechtlichen Aspekten stellt sich auch die Frage, ob der drittstaatsangehörige Arzt in Deutschland tatsächlich arbeiten darf. Für die reguläre Fachkräfteeinwanderung kann das „beschleunigte Fachkräfteverfahren“ nach § 81a AufenthG herangezogen werden, welches inzwischen auch eine schnellere Anerkennung für Heilberufe vorsieht.

Bei Geflüchteten ist zu differenzieren. Grundsätzlich können Asylbewerber frühestens nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis von der örtlich zuständigen Ausländerbehörde erlangen. Dabei gibt es aber für ukrainische Schutzsuchende einige Besonderheiten. So müssen Ukrainer gerade keinen Asylantrag stellen, da ihr sogenannter vorübergehender Schutzstatus durch die EU-Richtlinie 2001/55/EG geregelt wird. Dieser Schutzstatus muss im Rahmen einer Aufenthaltserlaubnis bei der örtlichen Ausländerbehörde beantragt werden und war erst mal für ein Jahr bis zum 4. März 2023 gültig, wird aber bei Bedarf verlängert.

Ein zusätzlich zu stellender Asylantrag ist zwar nicht nötig, aber möglich, da der internationale Schutz nur erweitert wird. Dieser vorübergehende Schutzstatus ermöglicht unter anderem einen vereinfachten Zugang zum Arbeitsmarkt. So dürfen Ukrainer mit Erlangung der Aufenthaltserlaubnis, besser gesagt, mit der sogenannten Fiktionsbescheinigung nach Art 24 I AufenthG, arbeiten. Die oben dargestellten berufsrechtlichen Voraussetzungen (z.B. Berufserlaubnis o.ä.) sind jedoch weiter zu beachten.

Zusammenfassung und Ausblick

Folglich sind bei der Beschäftigung ukrainischer Ärzte oder anderer Angehöriger von Heilberufen zwei Bereiche zu trennen: einerseits das Ausländerrecht im engeren Sinne, also Fragen nach der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis und andererseits die Frage, ob im Sinne des (ärztlichen) Berufsrechts die Tätigkeit aufgenommen werden darf.

Diese Bereiche sind zu differenzieren, verzahnen sich aber. So plant beispielsweise die EU-Kommission Leitlinien zur vereinfachten Anerkennung ukrainischer Berufsabschlüsse. Ob jedoch neben internen Weisungen bei den Anerkennungsbehörden auch eine Änderung der BÄO für eine pauschale Anerkennung ukrainischer Berufsabschlüsse möglich ist, bleibt fraglich.

Eine pauschale Anerkennung von ukrainischen Abschlüssen könnte zu einer unberechtigten Bevorzugung von Flüchtlingen aus anderen Drittstaaten wie beispielsweise Syrien führen. Zudem treffen den Gesetzgeber auch Schutzpflichten gegenüber den Patienten, um durch ein hohes Qualifikationsniveau weiterhin ein hohes Behandlungsniveau zu gewährleisten. Daher scheint ein weiteres Festhalten an der Einzelfallprüfung auch in Zukunft naheliegend. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass bürokratische Erleichterungen kommen.

Bislang wurden jedoch kaum Anträge von ukrainischen Ärztinnen und Ärzten gestellt. Nach Informationen des Spiegel lagen etwa im Saarland bis Februar 2023 zwei Anträge vor, in Hessen einer, in Bremen gar keiner. Sachsen-Anhalt registrierte dagegen 19 Anträge. Bei der Regierung von Oberbayern seien seit Kriegsbeginn 110 entsprechende Anträge gestellt und 22 ge­nehmigt worden.

Weitere Informationen:

zur Berufsanerkennung: https://www.anerkennung-in-deutschland.de/de/interest/finder/profession?query=Arzt
zum vorübergehenden Schutzstatus von der EU: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/stronger-europe-world/eu-solidarity-ukraine/eu-assistance-ukraine/information-people-fleeing-war-ukraine_de
Hilfsportal des Bundesinnenministeriums: https://www.germany4ukraine.de/hilfeportal-de
über Arbeit: https://www.arbeitsagentur.de/ukraine

Autor: Johannes T. Kayser