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Versicherungsrecht

Damit möchte keiner rechnen. Aber manchmal sind die Verletzungen nach einem Unfall so gravierend, dass der Betroffene Körperteile verliert. Auch Sinnesorgane oder innere Organe könnten dauerhaft nicht mehr funktionieren.

Die private Unfallversicherung springt in so einem Fall ein. Wie viel sie zahlt, richtet sich unter anderem nach der sogenannten Gliedertaxe.

Was genau ist diese Gliedertaxe?

Damit bemessen private Versicherer den Invaliditätsgrad nach einem Unfall. „Von diesem Invaliditätsgrad hängt ab, in welcher Höhe eine Leistung auf Basis der vereinbarten Versicherungssumme ausbezahlt wird“, erklärt Claudia Frenz vom Bund der Versicherten. Der Versicherer ordnet Gliedmaßen, Sinnesorganen und den inneren Organen für deren Verlust oder dauernde Invalidität feste Prozentsätze zu.

Sind die Bemessungswerte bei allen Anbietern gleich?

Nein. „Jeder Unfallversicherer bestimmt seine Gliedertaxe selbst“, erklärt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Aber viele Gesellschaften richten sich nach Empfehlungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Diese Richtwerte sind allerdings nur Empfehlungen und nicht verbindlich.  „Einige Versicherer legen höhere Werte in ihren Versicherungsklauseln fest“, sagt Weidenbach. Allerdings sind auch Negativabweichungen denkbar. Kunden sollten deshalb darauf achten, dass der Versicherer ihrer Wahl nicht weniger leistet, als die Musterbedingungen des GDV vorsehen.

Sie nehmen beim Verlust oder der vollständigen Funktionsunfähigkeit der genannten Körperteile oder Sinnesorgane folgenden Invaliditätsgrade an:

  • Arm: 70 Prozent.
  • Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks: 65 Prozent.
  • Arm unterhalb des Ellenbogengelenks: 60 Prozent.
  • Hand: 55 Prozent.
  • Daumen: 20 Prozent.
  • Zeigefinger: 10 Prozent.
  • anderer Finger: 5 Prozent.
  • Bein über der Mitte des Oberschenkels: 70 Prozent.
  • Bein bis zur Mitte des Oberschenkels: 60 Prozent.
  • Bein bis unterhalb des Knies: 50 Prozent.
  • Bein bis zur Mitte des Unterschenkels: 45 Prozent.
  • Fuß: 40 Prozent.
  • große Zehe: 5 Prozent.
  • andere Zehe: 2 Prozent.
  • Auge: 50 Prozent.
  • Gehör auf einem Ohr: 30 Prozent.
  • Geruchssinn: 10 Prozent.
  • Geschmackssinn: 5 Prozent.

Was gilt bei Teilverlust?

Ein vollständig funktionsunfähiger Arm bedeutet einen Invaliditätsgrad von mindestens 70 Prozent. Ist der Arm nur um ein Zehntel in seiner Funktion beeinträchtigt, ergibt das einen Invaliditätsgrad von 7 Prozent: ein Zehntel von 70 Prozent. Eine verringerte Invalidität nehmen die Versicherer zudem an, wenn Krankheiten oder Gebrechen am Verlust oder der Funktionsunfähigkeit mitgewirkt habe.  Allerdings lässt sich trefflich darüber streiten, wann das der Fall ist. Meist muss dann ein medizinisches Gutachten eingeholt werden, auf dessen Basis dann auch ein Gericht entscheidet.

Wie hoch ist der Betrag, der einem bei Invalidität zusteht?

Ausgangspunkt der Berechnung ist die vereinbarte Versicherungssumme für den Fall einer Invalidität. Angenommen, ein Kunde hat eine Versicherungssumme von 100.000 EUR vereinbart. Bei einem Unfall verliert er seine rechte Hand und hat damit einen Invaliditätsgrad von 55 %. In diesem Fall muss die Assekuranz einen Betrag von 55.000 € zahlen. Deutlich weniger Geld gibt es, wenn der Kunde nur eine Funktionsbeeinträchtigung von zehn Prozent davonträgt. Dann liegt sein Invaliditätsgrad nur bei 5,5 % (ein Zehntel von 55 %). Die ausgeschüttete Summe läge dann bei 5500 €.

Was gilt, wenn Körperteile und Sinnesorgane zu Schaden kommen, die nicht in der Gliedertaxe aufgeführt sind?

In diesem Fall richtet sich die Bewertung der Invalidität danach, wie wichtig diese für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers sind. Maßstab ist dann meist eine durchschnittliche Person gleichen Alters und Geschlechts.

Addieren sich bei mehreren Verletzungen die Invaliditätsgrade?

Ja, wenn sie an unterschiedlichen Gliedmaßen auftreten. Dann legt ein medizinischer Gutachter den Invaliditätsgrad für jede Verletzung fest. Allerdings kann der Invaliditätsgrad nie mehr als 100 Prozent betragen.

Wie hoch sollte die Versicherungssumme sein?

Wichtig ist, sich individuell beraten zu lassen. Bei der Kalkulation sollte man die aktuellen Lebensverhältnisse und bereits bestehende Versicherungsverträge berücksichtigen. Bei Berufstätigen spielen zudem das Alter und das Einkommen eine wichtige Rolle. „Bei Personen bis 30 Jahren sollte die Grundinvaliditätssumme ungefähr das Sechsfache des Bruttojahreseinkommens betragen, bei bis 40-Jährigen das Fünffache und bis 50-Jährigen das Vierfache“, rät Expertin Frenz.

Was ist eine Progression?

Vereinbaren Versicherer und Kunde eine Progression, steigen die Versicherungsleistungen bei höheren Invaliditätsgraden deutlich an. Bei Vollinvalidität komme ein Vielfaches der Versicherungssumme zusammen, bemerkt Weidenbach.