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Bundestagswahl 2021: Das wollen Parteien in Sachen Gesundheitspolitik


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Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl und die Gesundheitspolitik spielt im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Wir haben die Wahlprogramme von Union, SPD, Grünen, FDP, Linken und AfD unter die Lupe genommen. Diese Vorhaben  und Positionen sollten Ärztinnen und Ärzte kennen, bevor sie ihre Stimme abgeben.

CDU/CSU will an Bewährtem festhalten und Begonnenes fortsetzen

In den beiden vergangenen Legislaturperioden stellte die CDU den Gesundheitsminister. Dementsprechend ist im Wahlprogramm der Union häufig von der Fortsetzung begonnener Maßnahmen zu lesen. Die Corona-Pandemie habe sowohl die Stärken als auch die Schwächen des Systems gezeigt. „In einem zukunftsfähigen Gesundheitswesen setzen wir deshalb auf stärkere vernetzte Zusammenarbeit der einzelnen Akteure und nutzen das Potenzial der Digitalisierung“, so die gesundheitspolitische Ankündigung.

Zur Finanzierung der Krankenversicherung setzen CDU und CSU weiter auf „einkommensabhängige paritätische Beiträge, Eigenbeteiligung und einen Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen (wie beispielsweise in der Pandemiebekämpfung), der dynamisiert und an die tatsächlichen Kosten der versicherungsfremden Leistungen und deren Entwicklung gekoppelt wird“. Eine Einheitsversicherung lehnen die Schwesterparteien ab.

Die Union will auch in anderen Bereichen am Status Quo festhalten: „Eine umfassende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger und den Erhalt unseres sehr guten Gesundheitssystems erreichen wir mit der bewährten Selbstverwaltung, der freien Arzt- und Therapiewahl sowie mit dem Zusammenspiel von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen“, betont sie vor der Bundestagswahl 2021.

Damit Ärzte mehr Zeit für die Patienten haben und Gesundheitsberufe attraktiver werden, plant die Union einen Bürokratieabbau. Details dazu nennt sie nicht. Daneben ist im Wahlprogramm von einer Stärkung der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen die Rede. Zusammen mit den Ländern soll die nächste Bundesregierung etwa 5.000 zusätzliche Studienplätze für Humanmedizin schaffen. Die Landarztquote soll bei der Studienplatzvergabe über die heutige Grenze von zehn Prozent hinaus erhöht werden.

Um das deutsche Gesundheitswesen zukunftsfähig zu gestalten, soll die E-Health-Strategie zur ressortübergreifenden Roadmap „Digitale Gesundheit 2030“ ausgebaut werden, die Handlungsempfehlungen vorgibt. Digitale Versorgungsketten sollen künftig Informationslücken zwischen Praxis und Krankenhaus beseitigen.

CDU und CSU wollen die ambulante Versorgung und Krankenhäuser stärken. Wichtig ist beiden Parteien nach eigenen Angaben, dass Bürger einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg zur Arzt- und Notfallversorgung haben. Deshalb wollen sie auch die Investitionen in die Digitalisierung von Kliniken weiter vorantreiben und „medizinisches Spezialwissen überall im Land gleichermaßen verfügbar machen“. Zudem sollen die Ziele einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Grund- und Regelversorgung in der Krankenhausplanung und -finanzierung mehr berücksichtigt werden – gerade mit Blick auf den ländlichen Raum.

SPD kündigt ein Update für die Gesundheit und mehrere Reformen an

Die SPD strebt ein gesundheitspolitisches Update an. „Wir werden eine Bürgerversicherung einführen“, kündigt sie unmissverständlich im sogenannten Zukunftsprogramm zur Bundestagswahl 2021 an. Soll heißen: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle und eine solidarische Finanzierung. Mit der Zusammenfassung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung wollen die Sozialdemokraten das Gesundheitssystem insgesamt leistungsfähiger machen. Steuerzuschüsse und Investitionsmittel sollten mit klaren Zielvorgaben für die geplante Reform verbunden werden.

Ein weiteres Vorhaben der Partei ist es, im Fall einer weiteren Regierungszugehörigkeit die Renditeorientierung im Gesundheitswesen zu begrenzen. Sie wirke sich negativ auf die Versorgung der Patienten und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus, heißt es. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend und weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Was das genau bedeutet, ist noch unklar.

Die SPD will Krankenhäuser stärker für ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Gesundheitsversorgung öffnen. Denn der Trend geht bei niedergelassenen Ärzten zur Angestelltentätigkeit und es gibt medizinische Engpässe auf dem Land.  Dies könne nur gelingen durch „eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor“, in der Dienstleistungen von niedergelassenen Teams und Kliniken gemeinsam erbracht werden sollen. Und durch gute Kooperation der medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe.

Kommunen sollen mehr Förderung bei der Einrichtung und beim Betreiben integrierter medizinischer Versorgungszentren erhalten – vor allem in ländlichen Regionen. „Die Grundkosten der Krankenhäuser und der integrierten medizinischen Versorgungszentren werden wir angemessen finanzieren“, verspricht sie. Und das System der Fallpauschalen bei der Vergütung will die SPD prüfen, die Pauschalen überarbeiten und „wo nötig“ abschaffen.

Die Sozialdemokraten haben sich zudem vorgenommen, die Potenziale der Digitalisierung zur Verbesserung von Diagnosen und für die flächendeckende gesundheitliche Versorgung entschlossener zu nutzen. Medizinische Leistungen könnten somit hochwertiger und effizienter sowie Fachkräfte von Aufgaben entlastet werden. Wobei es nach eigenen Angaben nicht das Ziel der SPD ist, medizinisches Personal zu ersetzen.

Damit vom Pfleger bis zur niedergelassenen Ärztin alle die digitale Transformation bewältigen können, sind laut SPD flächendeckende Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote unerlässlich.

Grüne sind für eine bessere Vernetzung der Gesundheitsberufe

Um die Gesundheitsversorgung in Stadt und Land zu stärken, wollen die Grünen, dass ambulante und stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden. Es sollen regionale Netzwerke entstehen. In sogenannten Gesundheitsregionen sollen unterschiedliche Heilberufe zusammenarbeiten. Ein Grund für dieses Vorhaben ist der demografische Wandel: Dass Hausarztpraxen auf dem Land wegen fehlender Nachfolger schließen müssten, gefährde die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Deutschland, heißt es im Programm zur Bundestagswahl 2021.

Auch die Vergütung will die Partei anders regeln: Perspektivisch soll es eine gemeinsame Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. So sollen niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser noch mehr auf das Patientenwohl und weniger auf das jeweils eigene wirtschaftliche Ergebnis achten.

Neben der besseren Vernetzung von ambulanten und stationären Einrichtungen wollen die Grünen die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe stärken. Dafür wollen sie vor allem den Aufbau kommunaler Gesundheitszentren fördern. Ärzte sollen einen Teil ihrer Aufgaben an andere Gesundheitsberufe wie Pflegekräfte abgeben, um diese attraktiver zu machen.

Um die aktuelle „Zwei-Klassen-Medizin“ zu beenden, streben auch die Grünen eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung an. In dieser bekommen alle unabhängig vom Einkommen die Versorgung, die sie benötigen. Das bisherige System aus gesetzlichen und privaten Krankenkassen soll abgelöst werden. Den Plänen zufolge sollen alle in die Finanzierung der Bürgerversicherung einbezogen werden – auch Selbstständige. Neben Löhnen und Gehältern sollen Beiträge auf Kapitaleinkünfte erhoben werden.

Ein anderes großes Vorhaben ist die Reform der Krankenhausfinanzierung. Kliniken sollen nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Ökonomischer Druck habe in der Vergangenheit zu Fehlanreizen zu Lasten des Patientenwohls geführt. Und zudem zu Kosteneinsparungen, worunter das Personal leide. Das Grünen-Ziel lautet: „Wir werden eine Säule der Strukturfinanzierung einführen und den verbleibenden fallzahlabhängigen Vergütungsteil reformieren“. Dabei sollen Bund und Länder die Investitionskosten künftig gemeinsam tragen.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen soll laut dem Grünen-Programm zudem vorangetrieben und die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 organisatorisch zusammengeführt werden. Notaufnahmen sollen gerade nachts und am Wochenende etwa durch Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden können.

FDP pocht auf Therapiefreiheit ohne Budgetierungszwang

„Der Freie Beruf ist das Fundament einer liberalen Gesundheitsversorgung“, heißt es im Programm der FDP zur Bundestagswahl 2021. Niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Heilmittelerbringer und Hebammen müssten weiterhin gestärkt werden, damit sie „in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können“. Therapiefreiheit ohne Budgetierungszwang komme letztlich den Patienten zugute.

Um innovative Versorgungsformen im Gesundheitswesen zu fördern, streben die Liberalen einen größeren gesetzlichen Spielraum für Direktverträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern an. Krankenkassen sollen ihren Versicherten zudem Anreize wie Selbstbeteiligungen, Boni oder Beitragsrückerstattungen und freiwillig zusätzliche Leistungen anbieten können. Den Wechsel zwischen der GKV und der PKV will die FDP den eigenen Plänen zufolge künftig vereinfachen.

Als Reaktion auf manche Überregulierung fordert die FPD eine „Bepreisung“ der Bürokratie- und Berichtspflichten im Gesundheitswesen. Bezahlen soll sie nach ihrer Vorstellung derjenige, der sie anfordert. „Das schärft den Fokus auf die Behandlung und Pflege von Patientinnen sowie Patienten und verhindert kleinteilige Gesetze und Verordnungen“, lautet die Erklärung.

Die Freien Demokraten fordern eine nachhaltig verbesserte Investitionsfinanzierung sowohl für maximalversorgende als auch für kleinere spezialisierte Krankenhäuser. Höhere Qualität müsse durch das Vergütungssystem belohnt werden. Digitale Infrastruktur und robotische Assistenzsysteme in Kliniken will die Partei fördern.

Integrierte Gesundheitszentren könnten zudem mithelfen, die Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums sollen besonders berücksichtigt werden. Die FDP verfolgt den Grundsatz „ambulant vor stationär“. Die gesetzlichen Vergütungsregelungen erschwerten es derzeit, Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den ambulanten Sektor zu überführen.

AfD will leistungsgerechte Bezahlung der Ärzte

Die Alternative für Deutschland (AfD) sorgt sich um die ambulante Gesundheitsvorsorge, da die Hälfte der niedergelassenen Ärzte in den nächsten Jahren das Rentenalter erreiche. „Das bestehende System einer leistungsunabhängigen Budgetierung führt zu monatelangen Wartezeiten auf Facharztbehandlungen, überbordender Bürokratie, vorzeitigen Praxisschließungen und stark verringertem Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit“, schreibt sie in ihrem Wahlprogramm. Nicht „Kopfpauschalen, Budgetierung und willkürliche Honorarkürzungen innerhalb der GKV“, sondern eine „leistungsgerechte Bezahlung“ der Mediziner sollen eine bedarfsorientierte Betreuung des einzelnen Patienten sichern.

Die Partei setzt sich für die Einführung einer Einzelleistungsvergütung ein. Um einer nicht medizinisch notwendigen Behandlungsausweitung entgegenzuwirken, setzt sie auf ein mehrstufiges Bonussystem für Versicherte, das sie mit Beitragsrückzahlungen von „leichtfertigen“ Arztbesuchen abhalten soll.

Die AfD betrachtet die Förderung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum als eine der aktuell dringendsten Aufgaben. Dafür müssten einerseits Hürden bei der Anstellung von ärztlichem Personal abgebaut (z.B. Jobsharing-Limits) sowie andererseits Arztpraxen, Polikliniken und MVZ mit angestellten Ärzten auch unter der Trägerschaft der Kommunen ausgebaut werden. Bereits existierende Maßnahmen wie finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen oder die Förderung von Medizinstudenten, die sich nach dem Studium für einen gewissen Zeitraum zu einer Berufstätigkeit in strukturschwachen Gebieten verpflichten, will die Partei im Fall einer Regierungsbeteiligung stärken.

Medizinisches Fachpersonal solle über sehr gute Sprachkenntnisse (mindestens C1) verfügen, lautet eine weitere Forderung. Die fachliche Qualifikation müsse uneingeschränkt dem deutschen Standard genügen, heißt es weiter. Ausländische Studien- und Ausbildungsbewerber, die sich in Deutschland auf den Einsatz in unterversorgten Gebieten festlegen, seien zudem zu bevorzugen.

 Linke plädiert für eine solidarische Gesundheitsversicherung

Regionale Versorgungszentren sollen mittelfristig zum Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung werden“, schreibt die Linke in ihrem Wahlprogramm. Sie sollen ambulante, akutstationäre, notfallmedizinische, psychotherapeutische, (gemeinde-) pflegerische und weitere Behandlungen koordinieren und als zentrale Anlaufstelle dienen. Prüfen will man, ob sich die Kaufpreise für Kassensitze von Ärzten und Psychotherapeuten begrenzen lassen. Durch den Betrieb von MVZ versuchten Konzerne zudem, sich Profitmöglichkeiten im ambulanten Bereich zu schaffen. „Diese Entwicklung wollen wir rückgängig machen“, heißt es.

Mit der Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung könne der Beitragssatz auf weniger als 12 Prozent des Bruttolohns sinken, was Menschen mit Monatseinkommen unter 6300 Euro entlaste, so die Linke. Die Trennung von GKV und PKV will sie aufheben. „In die solidarische Gesundheitsversicherung zahlen alle mit ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital- und anderen Einkommen) ein.“ Die Kostenerstattung von nicht-evidenzbasierten Behandlungsmethoden durch die GKV soll zudem enden.

Geht es nach der Linken, gehören die Fallpauschalen bei der Vergütung medizinischer Leistungen bald der Vergangenheit an. Denn die momentane Krankenhausfinanzierung schaffe falsche Anreize: „Diagnosen, die sich lohnen, werden öfter gestellt.“ Die Betriebskosten müssten von den Krankenkassen vollständig refinanziert werden.

Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl
Die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag findet am 26. September 2021 statt. Wer eine Briefwahl plant, muss bei der Gemeinde seines Hauptwohnortes einen Wahlschein beantragen – entweder nach dem postalischen Eingang der Wahlbenachrichtigung oder vorab über den Online-Service seiner Heimatgemeinde. Die Briefwahlstimmen zählen nur, wenn sie bis zum bis 18 Uhr am Wahlsonntag bei der jeweils zuständigen Behörde ankommen.