MVZ-Reform: Gutachter wollen weitreichende Änderungen
A&W RedaktionSeit 15 Jahren gibt es in Deutschland MVZ und mit ihnen die Diskussion, wie die fachübergreifende Kooperation angestellter Ärzte rechtssicher stattfinden kann. Nun liegen erste Vorschläge auf dem Tisch.
Der 1. Januar 2004 war die Geburtsstunde der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in Deutschland. Es entstand damit ein neuer Typ des vertragsärztlichen Leistungserbringers – mit angestellten Ärztinnen und Ärzten, die fachübergreifend zusammenwirken. Alles in allem hat sich das Modell bewährt, die Erfahrung vergangener Jahre hat aber auch Reformbedarf aufgezeigt. Im Februar 2020 hat das Bundesgesundheitsministerium daher ein Gutachten in Auftrag gegeben, um Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von MVZ auszuloten. Nun liegen die Ergebnisse vor.
Gesetzliche Mindestgröße für MVZ
Bislang fehlte eine Regelung, die festlegt, wie viele Ärzte oder Versorgungsaufträge nötig sind, damit ein MVZ zugelassen werden kann. Die meisten Zulassungsgremien gehen aktuell davon aus, dass wenigstens zwei Ärzte mit je mindestens einem hälftigen Versorgungsauftrag im MVZ tätig sein müssen. Die Gutachter schlagen nun die Einführung einer gesetzlichen Mindestgröße von wenigstens drei Versorgungsaufträgen vor. Bereits bestehende kleinere MVZ sollen Bestandsschutz erhalten. Zentren, die bereits bei Inkrafttreten der Neuregelung über mindestens drei Versorgungsaufträge verfügen, sollen bei nachträglicher Unterschreitung der Mindestgröße hingegen ihre Zulassung verlieren, wenn sie die Gründungsvoraussetzung nicht innerhalb von sechs Monaten wiederherstellen.
Klare Linie gegen Kassel
Ausführlich widmen sich die Gutachter auch den Regelungen zum Auswahlverfahren bei einer Praxisweiterführung. Sie empfehlen unter anderem, auch künftig eine Bewerbung mit Angestellten zu ermöglichen und die vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannte Konzeptbewerbung eines MVZ ohne Benennung eines bestimmten Arztes aufzugeben (vgl. hierzu BSG, Az. B 6 KA 5/18 R). Zudem schlagen sie vor, eine Mindesttätigkeitsdauer für angestellte Ärztinnen und Ärzte von einem Jahr einzuführen, um kurzzeitige Nachbesetzungen zu vermeiden.
Geht es nach dem Willen der Gutachter, sollen auch angestellte Ärztinnen und Ärzte künftig die Chance bekommen, Inhaber von MVZ zu werden, indem sie Anteile an der Gesellschaft erwerben.
Zuckerbrot und Peitsche
Mit Blick auf den ärztlichen Leiter sprechen sich die Gutachter für mehrere Klarstellungen durch den Gesetzgeber aus. Nicht nur soll es ein Verbot finanzieller Anreize geben, um dessen medizinische Unabhängigkeit zu sichern. Auch ein Abberufungs- und/oder Kündigungsschutz sind im Gespräch, sodass eine Trennung vom ärztlichen Leiter – ähnlich wie bei außerordentlichen Kündigungen von Arbeitnehmern – nur noch aus wichtigen Gründen zulässig wäre.
Ob der Gesetzgeber diese und zahlreiche weitere Empfehlungen umsetzt, bleibt abzuwarten. Gerade wer die Gründung eines (kleinen) MVZ mit weniger als drei vollen Versorgungsaufträgen plant, sollte die Entwicklung aber genau beobachten, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Autorin: Judith Meister