Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Wahrscheinlich haben Sie das als Praxisinhaberin oder Praxisinhaber auch schon erlebt: Eine Mitarbeiterin kündigt und reicht exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist ein Attest ein. Das heiß, sie kommt gar nicht mehr in die Praxis. Das kann natürlich auch passieren, wenn Sie der Mitarbeiterin kündigen. Oft gab es vorher Unstimmigkeiten und man hat dann das Gefühl, die Mitarbeiterin möchte einfach nicht mehr kommen, ist wahrscheinlich aber nicht krank. Sie als Chefin oder Chef stellen sich dann zurecht die Frage: Muss ich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten, also das Gehalt weiter bezahlen?

Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit hat hohen Beweiswert

Worauf es dabei ankommt, zeigt ein aktueller Fall, den das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zu entscheiden hatte (08.03.2023, Az. 8 Sa 859/22). Dort hatte ein Mann bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Er war mehrere Wochen lang nicht eingesetzt worden und hatte sich später mit einem ärztlichen Attest krankgemeldet. Einen Tag später ging ihm die Kündigung zum Monatsende zu. Der Arbeitgeber vermutete nun, dass der Mitarbeiter gar nicht krank war, sondern schummelte und weigerte sich, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, also das Gehalt weiterzubezahlen. Zu Unrecht, sagt das Landesarbeitsgericht.

Einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu: Hat ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeit (AU) attestiert, dann geht man davon aus, dass er diese gewissenhaft geprüft hat und der Betroffene wirklich krank ist und nicht arbeiten kann. Ein Arbeitgeber kann also in einem Prozess nicht ohne Weiteres sagen: Das glaube ich nicht, entbinde doch mal den Arzt von der Schweigepflicht und beweise mir, dass Du wirklich krank warst, lieber Arbeitnehmer.

Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht? Das gibt Ärger!

Das geht erst, wenn der Beweiswert der AU erschüttert ist, wenn es also vernünftige Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Mitarbeiter flunkert. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn in den Sozialen Medien Partyfotos aus der fraglichen Zeit auftauchen. Oder wenn der Praxisinhaber herausfindet, dass die Mitarbeiterin während der Krankschreibung woanders arbeitet. Das Bundesarbeitsgericht hat aber auch schon entschieden, dass der Beweiswert einer AU dann erschüttert sein kann, wenn sich der Arbeitnehmer am Tag der eigenen Kündigung krankschreiben lässt und die AU genau die Dauer der Kündigungsfrist abdeckt.

Hier lag der Fall allerdings etwas anders: Der Mitarbeiter war schon vor der Kündigung krankgeschrieben. Da sagt das Gericht: Er kann durch die Kündigung gar nicht zur Krankmeldung motiviert worden sein, er war ja schon krank. Und: Es gab auch nicht ein Attest, das den Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist abgedeckt hat, sondern insgesamt drei. Dass der Mann dann genau einen Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wieder fit war und woanders zu arbeiten begonnen hat, reichte dem Gericht nicht aus, um den Beweiswert der AU zu erschüttern. Das heißt, der Arbeitgeber musste in diesem Fall den Mitarbeiter weiter entlohnen.

Wie würde das Bundesarbeitsgericht entscheiden?

Allerdings ist der Fall nicht vom Bundesarbeitsgericht entschieden worden, die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls  zugelassen. Gut möglich, dass das Bundesarbeitsgericht anders entscheiden würde.

Festhalten kann man aber: Meldet sich ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin am Tag der Kündigung exakt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit einem Attest krank, und deutet auch noch an, nicht wiederzukommen, liegt der Verdacht nahe, dass da etwas nicht stimmt. Praxisinhaber könnten dann mit recht guten Aussichten die Entgeltfortzahlung verweigern.

Das drängt den Mitarbeiter in die Klägerrolle. Er muss sein Gehalt einklagen und müsste dann im Prozess auch darlegen und beweisen, dass er wirklich krank war. Das kann man natürlich nie ganz ausschließen. Am Ende kommt es immer auf den individuellen Sachverhalt an.