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Patienten mit Typ-2-Diabetes, bei denen nichtmedikamentöse Therapien ausgeschöpft sind und orale Antidiabetika und/oder GLP-1-Rezeptorantagonisten nicht mehr ausreichen, um den Blutzucker zu senken, empfiehlt die Leitlinie eine Insulintherapie.

Dabei kann die Einstellungsphase eine Herausforderung sein. Während dieses Prozesses passt der Diabetologe die Basalinsulin-Dosierung so lange an, bis der Blutzucker optimal eingestellt ist, um Hypo- oder Hyperglykämien zu vermeiden. Das zieht sich häufig lange hin, da die Arzttermine oft weit auseinander liegen.

Forscher arbeiten an Apps und Geräten, die Patienten bei der Selbsttitration unterstützen. Wissenschaftler der Stanford University School of Medicine haben jetzt untersucht, inwieweit eine sprach- und konversationsbasierte KI-Anwendung Patienten in der Einstellungsphase bei der Selbsttitration von Basalinsulin unterstützen kann. Die Ergebnisse hat Jama Network veröffentlicht.

An der randomisierten Studie haben in vier Kliniken 32 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem mittleren Alter von 55,1 Jahren teilgenommen. Sie mussten einmal täglich mit der Gabe von Basalinsulin beginnen oder sie anpassen. Die Nachbeobachtungszeit betrug acht Wochen.

Alle Teilnehmer erhielten einen Smart Speaker

16 Teilnehmer wurden auf die konventionelle Art auf das Basalinsulin eingestellt. Die anderen 16 Teilnehmer erhielten ein Basalinsulin-Management durch eine neuartige sprach- und konversationsbasierte KI (voice-based conversational artificial intelligence VBAI) Anwendung. Die VBAI-Anwendung beruhte auf Titrationsalgorithmen der American Association of Clinical Endocrinologists und des American College of Endocrinology und enthielt Notfallprotokolle zur Therapie von Hypo- und Hyperglykämien. Via eines Smart Speakers eines bekannten Unternehmens interagierten die Teilnehmer mit der VBAI über Sprachbefehle und Gespräche.

Vor Beginn der Behandlung wählte der behandelnde Arzt des jeweiligen VBAI-Gruppen-Teilnehmers über ein benutzerdefiniertes Webportal ein individuelles Insulintitrationsprotokoll aus. Das beinhaltete eine initiale Insulindosis, einen Zielbereich für den Nüchternblutzucker und Anweisungen zur Insulintitration. Die Teilnehmer meldeten sich über den Speaker einmal täglich bei der VBAI und berichteten, wie viel Insulin sie zuletzt gespritzt hatten und wie hoch der Nüchternblutzucker war. Auf Grundlage dieser Daten erhielten sie von der VBAI eine aktualisierte Anweisung zur Insulintitration. Sämtliche Daten konnten von den behandelnden Ärzten und den Wissenschaftlern in Echtzeit auf einem Webportal eingesehen werden.

Bei den Teilnehmern der Standardbehandlungsgruppe gab der Arzt die jeweilige Insulintitration vor. Die Patienten erhielten ein Online-Blutzucker- und Insulinprotokoll, das sie täglich ausfüllen mussten. Sie erhielten ebenfalls einen Smart Speaker (ohne VBAI), der sie jeden Tag an das Ausfüllen des Protokolls erinnerte.

Deutlich bessere Ergebnisse in der VBAI-Gruppe

Es zeigte sich, dass die Teilnehmer der VBAI-Gruppe deutlich schneller eine optimale Insulindosierung erreichten. Im Mittel dauerte es bei ihnen nur 15 Tage. In der Standardgruppe dauerte es im Durchschnitt mehr als 56 Tage. Weniger als die Hälfte dieser Gruppe hatte nach Ende des Nachbeobachtungszeitraums von acht Wochen eine optimale Insulindosierung erreicht.

13 von 16 Teilnehmern der VBAI-Gruppe erlangten eine glykämische Kontrolle und hatten einen durchschnittlichen Nüchternblutzucker von weniger als 130 mg/dl. In der Standardbehandlungsgruppe waren es nur 4 von 16. Außerdem sank der Nüchternblutzucker bei der VBAI-Gruppe während der acht Wochen im Mittel um 45,9 mg/dl, während er sich in der Standardgruppe im selben Zeitraum um 23 mg/dl im Durchschnitt erhöhte.

Die Insulineinhaltung betrug 83 Prozent in der VBAI-Gruppe versus 50 Prozent in der Standard-Gruppe. Bei den VBAI-Teilnehmern verringerte sich die emotionale Belastung durch Diabetes während der Behandlung um 1,9 Punkte und stieg bei den Teilnehmern mit Standardbehandlung um 1,7 Punkte.

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass digitale Gesundheitstools für die Medikamententitration nützlich sein können und Sprachbenutzeroberflächen für digitale Technologien mit Patientenkontakt effektiv sein können“, resümieren die Autoren der Studie.