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Finanzen
Samir Zakaria vom Vermögensverwalter Hansen & Heinrich AG

Foto: V-Bank

Warum sparen manche Finanzberater das Thema Pflege in Beratungen aus?

Samir Zakaria: Es ist schlicht einfacher, mit Kunden über die positiven Seiten der Geldanlage zu reden, etwa die Wertentwicklungschancen von Aktien. Insbesondere wenn Vermittler von Provisionen abhängig sind, kann es mit dem oft tabuisierten Thema Pflege zudem schwierig sein, Produkte zu verkaufen. Eine umfassende Finanzberatung wird dagegen so etwas wie die Nachfolgeplanung im Todesfall und die Berücksichtigung von Pflegerisiken nicht aussparen. Die meisten Banken bieten jedoch die notwendige Finanzplanung erst gar nicht an, sei es aufgrund des als zu groß empfundenen Aufwands und der geringen wirtschaftlichen Rentabilität oder schlichtweg aufgrund fehlender Expertise im eigenen Personal, um diese komplexen Zusammenhänge in ein zukunftsfähiges und belastbares Modell zu integrieren.

Aber ist eine Pflegesituation wirklich eine echte Gefahr für das Vermögen?

Zakaria: Das ist natürlich abhängig von der individuellen Situation, etwa dem nötigen Pflegeaufwand und der Dauer. Aber benötigt zum Beispiel der Ehepartner aufgrund einer Demenzerkrankung einige Jahre vollstationäre Betreuung, sprechen wir hier über Beträge von mehreren tausend Euro monatlich, die trotz Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung draufgezahlt werden müssen. Da kommen schnell sechsstellige Beträge zusammen und das Ersparte ist in kurzer Zeit aufgebraucht. Zusätzlich ist zu erwarten, dass die Pflegekosten in Zukunft steigen werden, insbesondere wenn sich die derzeitige allgemeine Inflation als hartnäckig erweisen sollte. Wird dann der andere Ehepartner, in der Regel die Frau, später selbst zum Pflegefall, können auch größere Besitztümer wie das Eigenheim unter den Hammer kommen.

Was sind verbreitete Irrtümer, wenn es um die finanziellen Folgen eines Pflegefalls geht?

Zakaria: Viele denken fälschlich, das wird schon nicht so teuer, die Situation ist nur von kurzer Dauer und das Ersparte wird sicher reichen. Zudem beschäftigt sich niemand gerne mit dem Gedanken, dass man selbst oder Angehörige zum Pflegefall werden. Dabei unterschätzen sie massiv die finanziellen Folgen und die Wahrscheinlichkeit betroffen zu sein. Bis 2055 werden laut dem Bundesamt für Statistik 6,8 Millionen Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen sein. Nüchtern betrachtet werden sich die meisten irgendwann mit dem Thema auseinandersetzen müssen, egal ob es die eigenen Eltern, den Partner oder einen selbst betrifft.

Warum ist ein Finanzpolster für Pflegerisiken auch eine Frage von Lebensqualität?

Zakaria: Die Rente der meisten Deutschen reicht oft kaum, um die normalen Lebenshaltungskosten abzudecken. Für zusätzliche Belastungen braucht es finanzielle Reserven. Und oft beginnt eine Pflegesituation schleichend. So kann etwa die Gartenarbeit nicht mehr erledigt werden oder es braucht Unterstützung im Haushalt, weil die Ehefrau sich immer mehr um ihren kranken Mann kümmern muss. Dann muss im Lauf der Zeit das Bad behindertengerecht umgebaut werden. Eventuell soll irgendwann auch eine private Pflegekraft zu Hause helfen, damit der Betroffene nicht ins Heim muss oder Angehörige auch mal Freizeit haben. Das alles kann die Situation erleichtern und die Lebensqualität steigern, aber es kostet Geld.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema Pflege und Finanzen auseinanderzusetzen?

Zakaria: Je früher, desto besser, aber es ist auch nie zu spät. Der wichtigste Schritt ist es, sich überhaupt mit dem Thema auseinanderzusetzen und Vorkehrungen zu treffen. Das beginnt damit, durch Vollmachten und Verfügungen dafür zu sorgen, dass Vertraute für einen im Fall der Fälle überhaupt handeln können und auch die eigenen Wünsche und Vorstellungen bekannt sind. Auf der Finanzseite ist es natürlich einfacher, sich ein finanzielles Polster aufzubauen, wenn gleich beim Berufsanfang damit gestartet wird. Aber auch in späteren Jahren kann es sinnvoll sein, noch Sparstrukturen zu schaffen oder eine Versicherung abzuschließen. Das oft unangenehme Thema Pflegerisiko auszuklammern, hilft dagegen garantiert nicht und kann das eigene Vermögen und im ungünstigsten Fall sogar das von Angehörigen gefährden.

Pflegebedürftigkeit und Urlaub? So geht’s günstiger
Pflegebedürftigkeit muss kein Grund sein, auf Reisen zu verzichten. Inzwischen gibt es eine Reihe von Anbietern, die sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen spezialisiert haben.

Was viele nicht wissen: Für solche Urlaubsreisen kann es Unterstützung durch die Pflegekasse geben. Denn die zahlt nicht nur weiterhin die Leistungen während der Reise, die zur Pflege gehören. Unter Umständen gibt es dafür sogar Zusatzleistungen, wenn ein Pflegegrad offiziell festgestellt wurde. Denn um pflegende Angehörige zu unterstützen, gibt es sogenannte Entlastungsbeträge für niederschwellige Betreuungsangebote. Dafür ist es aber wichtig, vor der Buchung darauf zu achten, dass der Reiseanbieter explizit ausweist, dass er ein offiziell anerkannter Träger solch eines Angebots ist. Dann besteht die Möglichkeit, einen Teil der Reisekosten über die Pflegekasse erstattet zu bekommen.

Zusätzlich gibt es bei höheren Pflegegraden die Möglichkeit, sogenannte Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu beantragen, wenn jemand anders als die Angehörigen in der Urlaubszeit die Pflege übernimmt. Das kann unter bestimmten Bedingungen, die am besten vorab mit der Pflegekasse geklärt werden, auch an einem Urlaubsort erfolgen. In Kombination wird das dann mit einem Höchstbetrag von bis zu 2418 Euro gefördert. Allerdings gibt es eine entscheidende Einschränkung für alle genannten Zusatzleistungen: Sie gelten leider nur für nicht bereits vollstationär betreute Personen.

Autor: Florian Junker