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Medizin

In Deutschland entscheiden sich jedes Jahr mehr Paare mit Kinderwunsch für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) bzw. eine intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Das geht aus dem Jahrbuch des Deutschen IVF-Registers hervor. Im Jahr 2020 kamen demzufolge 69.355 Kinder dank künstlicher Befruchtung auf die Welt – und damit mehr als zehnmal so viele wie 1997. In den vergangenen Jahren wurden insgesamt 363.940 Kinder nach einer Kinderwunschbehandlung geboren. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Wuppertal oder Bochum.

„Retorenbabys“ könnten Großstadt füllen

Doch immer wieder werden Bedenken laut, dass eine Kinderwunschbehandlung mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei der Mutter einhergeht. Diesem Verdacht ist ein multinationales Forschungsteam jetzt in einer Kohorten-Studie nachgegangen. Hierfür griffen die Wissenschaftler auf Registerdaten aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden zurück. In ihre Auswertung schlossen sie knapp 2,5 Millionen Mütter ein, die zwischen 1984 und 2015 ein Kind entbunden hatten. Davon hatten sich 97.474 (4 %) einer Kinderwunschbehandlung unterzogen.

Zum Zeitpunkt der Geburt waren alle Studienteilnehmerinnen frei von kardiovaskulären Erkrankungen. Sie wurden durchschnittlich für elf Jahre nachbeobachtet. Die Rate jeglicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen während der Nachbeobachtungszeit betrug 153 pro 100.000 Personenjahre. Die Studienautoren stellten keinen signifikanten Unterschied im Risiko für ischämische Herzkrankheiten, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfall, Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz, Lungenembolie oder tiefe Venenthrombose zwischen Müttern mit und ohne Kinderwunschbehandlung fest. Das Risiko für einen Myokardinfarkt schien sich nach einer künstlichen Befruchtung sogar tendenziell leicht zu verringern. Diese Ergebnisse waren unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Alter, Anzahl der Geburten sowie der Diagnose eines polyzystischen Ovarialsyndroms, Diabetes oder Bluthochdrucks.

Welche Methode ist am besten?

Kleinere Abweichungen zeigten sich allerdings je nach Art der Kinderwunschbehandlung. So deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das kardiovaskuläre Risiko allgemein bei einer ICSI niedriger ist. Im Hinblick auf das Schlaganfallrisiko könnte die Injektion von frischen Spermien unter Umständen vorteilhafter sein als von gefrorenen Spermien. Um die Unterschiede im kardiovaskulären Risiko zwischen den verschiedenen Methoden der künstlichen Befruchtung genauer bestimmen zu können, sind jedoch weitere Studien mit längerer Nachbeobachtungszeit nötig.