Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach erst vor Kurzem auf die Idee kam, für einen nationalen Hitzeschutzplan zu plädieren, fasste der 125. Ärztetag schon vor zwei Jahren den Beschluss: „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“!

Darin wird betont, dass der Klimawandel nicht nur ein Problem der Zukunft, sondern bereits ein immenses Problem der Gegenwart ist. Der Ärztetag stellte unter anderem die Forderung, dass es Sofortmaßnahmen und Forschung brauche, um die Gesundheitseinrichtungen auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Zudem müssten die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels adäquat in die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten integriert werden. Aber auch die ärztliche Arbeit müsse klimafreundlicher gestaltet werden, da der Gesundheitssektor selbst ein auslösender Faktor für den Klimawandel ist und somit Mitverursacher von gesundheitsschädlichen Faktoren (Beschluss unter: https://125daet.baek.de/data/media/BII01_beschluss.pdf).

Aber was wurde aus diesen Forderungen? Die Stiftung Gesundheit hat sich dazu im Auftrag des Centre for Planetary Health Policy (CPHP) in der Ärzteschaft umgehört. Im März 2023 wurden 20.000 ambulant und stationär tätige Allgemein- und Fachärzte angemailt, von denen 433 bei der Umfrage mitmachten. 61 Prozent davon waren mit einer Praxis niedergelassen oder dort angestellt. Im Fokus standen vier Punkte: „Hitzeschutz im ärztlichen Alltag“, „Stand der Umsetzung der Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages“, „Unterstützungsbedarf für die Umsetzung der Beschlüsse“ und „Unterstützung bei der Umsetzung durch Landesärztekammern und Fachgesellschaften“. Die Ergebnisse werfen kein gutes Licht auf die Bereitschaft der Politik, das Thema mit praktischen Maßnahmen anzugehen.

Rahmenbedingungen haben sich kaum verbessert

So monieren die befragten Kolleginnen und Kollegen, dass die Umsetzung der Beschlüsse im vergangenen Jahr kaum vorangekommen sei. Denn die Rahmenbedingungen haben sich kaum verändert, vor allem im Hinblick auf die großen Emissionsanteile im Bereich der Lieferketten von Arzneimitteln, Medizintechnik und anderen Medizinprodukten, Bestimmungen und Anreize für den Einkauf im Gesundheitswesen, Priorisierung und Vergütung von Prävention und Zuwendungsmedizin.

Dagegen nehmen die Ärzte das Thema sehr ernst. Über die Hälfte der Befragten hat für die eigene Einrichtung bereits Konzepte zur Reduktion des Verbrauches von Energie und Material, Verpackungen und weiteren Ressourcen eingeführt, darunter 69 Prozent niedergelassene oder in Praxen angestellte Ärzte.

Dennoch stoßen sie schnell an die Grenzen geltender Hygienevorschriften, Einkaufs- und Vergütungssysteme. Eine große Mehrheit forderte daher bessere Rahmenbedingungen, Anreize sowie Empfehlungen aus Politik, Selbstverwaltung und Fachgesellschaften, um Klimaschutz und -anpassungen verbessern zu können.

Umgang mit Hitzewellen im Praxisalltag

Im Vergleich zu einer ähnlichen, früheren Umfrage der Stiftung Gesundheit zeichneten sich beim Umgang mit Hitzewellen Verbesserungen ab. So stieg der Anteil der Ärzte, die regelmäßig oder schon gelegentlich Patienten zum Umgang mit Hitzewellen, einschließlich der veränderten (Neben-)Wirkungen von Medikamenten und angepasstem Alltagsverhalten, beraten haben, von 42 auf 49 Prozent. Kein Wunder, denn 59 Prozent bemerkten auch schon regelmäßig oder mehrmals, dass die Hitze sich negativ auf die Gesundheit ihrer Patienten auswirkte.

Ebenfalls leicht gestiegen ist der Anteil an Gesundheitseinrichtungen, die bereits Hitzeschutzmaßnahmen umsetzen. Dabei gaben im Verhältnis mehr niedergelassene und in Praxen angestellte Ärzte an, dass sie bei Hitze gezielt lüften, die Fenster verschatten oder die Sprechzeiten in die Morgen- und/oder Abendstunden verschieben. Fast die Hälfte hat bisher jedoch keine regelmäßigen Hitzeschutzmaßnahmen ergriffen.

Welche Unterstützung sich Ärzte beim Klimaschutz wünschen

Die Vorstellungen der Ärztinnen und Ärzte, wie sie beim Klimaschutz und dem Umgang mit Hitze im ärztlichen Alltag unterstützt werden können, ist klar. So forderten 82 Prozent den ressourceschonenden Einsatz von Medikamenten und Medizinprodukten. 79 Prozent plädierten für eine bessere Vereinbarkeit von Hygienevorschriften und Nachhaltigkeit. 67 Prozent wünschten sich mehr Beratung durch die Fachgesellschaften und Berufsverbände.

Aber auch mehr Fortbildungen im Bereich gesunder und klimafreundlicher Lebensstil (68 %), klimafreundliche Ernährung (63 %) sowie zum Umwelt- und Klimamanager (53 %) standen auf der Wunschliste oben. Mehr als die Hälfte befürwortete auch die Einführung einer Abrechnungsziffer für ärztliche Hitzeschutzberatungen oder andere strukturelle Anreize wie eine steuerliche Vergünstigung für klimafreundliche Maßnahmen (76 %) oder ein Umweltsiegel für Einrichtungen (46 %).

Zusammenfassend kann man sagen: Die aktuelle Umfrage bestätigte erneut, dass Ärzte sich Leitlinien und Empfehlungen zu nachhaltigen Arbeitsweisen und zum klimabewussten Umgang mit Medizinprodukten wünschen. Vor allem die Vereinbarkeit mit Hygienevorschriften ist mit Blick auf Mehrwegprodukte ein wiederkehrendes Thema, welches die entsprechenden Fachgesellschaften adressieren könnten.

Die meisten fänden auch Leitlinien zum ressourcenschonenden Umgang mit Medikamenten und Medizinprodukten hilfreich. Dieser Aspekt ist auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gesundheitssystem besonders wichtig, da etwa 70 Prozent der Emissionen entlang der Lieferketten entstehen und Daten zu deren Umwelt- und Klimabilanz meist fehlen. Daher forderten die befragten Kollegen, dass der Gesetzgeber nun aktiv wird und bei der Zulassung neuer Arzneimittel eine verpflichtende Umweltrisikoprüfung einführt. Dies würde im Praxisalltag helfen, die Umweltauswirkungen einzelner Medikamente oder Medizinprodukte bei gleichwertigen Therapiealternativen leichter berücksichtigen zu können.