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Praxis

Beratungsanfragen in Diskriminierungsfällen erreichten im Jahr 2022 einen Höchststand. Das geht aus dem Jahres­bericht 2023 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Die häufigsten Themen betrafen Rassismus, Behinderung und Geschlecht. Oft findet die vermutete Diskriminierung am Arbeitsplatz statt, wie eine Studie des ADP Research Insti­tute zeigt. Demnach hat sich fast ein Drittel (31 %) der Arbeitnehmenden schon einmal von ihrem aktuellen Arbeitgebenden diskriminiert gefühlt. Ein solcher Fall kann Chefs und Chefinnen teuer zu stehen kommen – und manche Fallstricke sind weniger offensichtlich als andere.

Sorgfalt ist schon beim Einstellungsprozess wichtig

Sensible Bereiche sind das Bewerbungsverfahren, die Einstellung, Beförderung, Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Entgelt, Kündigung sowie die betriebliche Altersvorsorge. Hier gewährleistet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Beschäftigten einen umfassenden Schutz. Bei der merkmalsneutralen Stellenausschreibung sollten beispielsweise Formulierungen wie „Junges Team sucht“ vermieden werden (LAG Kiel, Urteil vom 29.10.2013, Az. 1 Sa 142/13).

Um im Streitfall Neutralität nachweisen zu können, ist es hilfreich, das Bewerbungsgespräch nicht allein zu führen. Absagen sollten sachlich formuliert werden. Eine konkrete Begründung ist nur bei Bewerbenden mit Schwerbehinderung vorgeschrieben. Eine Ablehnung aufgrund ethnischer Abstammung ist ein Fall mittelbarer Diskriminierung. Um sich abzusichern, sollten Praxisinhaber den Auswahlprozess anhand messbarer Kriterien wie etwa der jeweiligen Qualifikationen dokumentieren. Weitere Details stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Form von Broschüren kostenlos zum Download zur Verfügung (www.antidiskriminierungsstelle.de).

Vorsicht, wenn der Verdacht einer altersdiskriminierenden Kündigung im Raum steht

Laut ADP-Studie wären 37 Prozent der Deutschen dazu bereit, im Falle einer Diskriminierung am Arbeitsplatz eine Beschwerde einzureichen. Junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren fühlten sich mit 11,8 Prozent am häufigsten wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Altersdiskriminierung und Diskriminierung aufgrund des Aussehens waren die zweithäufigsten Diskriminierungsgründe – des Weiteren Bildung, Nationalität, ethnische Herkunft, Religion, Behinderung, psychische Gesundheit und familiäre Umstände.

Auch Kündigungen können altersdiskriminierend sein, wie der Fall einer 65-jährigen MFA zeigt. Ihre Kündigung wurde mit der Umstrukturierung der Praxis begründet. Dabei wurde auf ihren Rentenanspruch verwiesen. Das Bundesarbeitsgericht sah darin eine Diskriminierung und sprach ihr eine Entschädigung zu, wodurch die Kündigung unwirksam wurde (23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14). Doch Vorsicht! Auch bei der Auszahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung gibt es einige Fallstricke für niedergelassen Ärztinnen und Ärzte.

Welche steuerrechtlichen Aspekte sie beachten sollten, lesen Sie hier

Chefs haben eine Fürsorgepflicht für ihr Team

Ihren Anspruch auf Entschädigung und Schadenersatz müssen diskriminierte Beschäftigte binnen zwei Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgebenden geltend machen. Damit es nicht so weit kommt, sollte eine Beschwerde sofort ernst genommen und das persönliche Erleben anerkannt werden. Um den Konflikt zu lösen, helfen Gespräche, Entschuldigungen, Mediation oder eine kostenlose Beratung, etwa bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Diskriminiert ein Teammitglied andere, haben Chefs und Chefinnen Handlungspflichten. Diese Person muss belehrt, versetzt oder ihr muss gekündigt werden.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes:  so viele Anfragen wie noch nie

Nach den aktuellsten Zahlen gab es im Jahr 2022 insgesamt 8.827 Anfragen bei der Diskriminierungsstelle des Bundes. Das waren so viele wie noch nie. 43 Prozent kamen aus dem Bereich Rassismus, 27 Prozent aus dem Bereich Behinderung und 21 Prozent aus dem Bereich Geschlecht.

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