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Medizin

Die Bakterien im Darm von Säuglingen haben eine Verbindung zum Schlafmuster. Bereits ab dem Alter von drei Monaten ist dies zu beobachten. Das haben Untersuchungen der beiden Schlafforscherinnen Salome Kurth von der Universität Freiburg und Sarah Schoch von der Universität Zürich erstmals gezeigt.

So schlafen etwa Kleinkinder mit weniger vielfältigen Darmbakterien tagsüber mehr. Auch die Schlafmuster in der Nacht korrelieren mit den vorhandenen Bakterienarten. „Bisher war dies erst bei Erwachsenen bekannt“, erklärt Schoch. Die Ergebnisse dieser vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Studie wurden in der Fachzeitschrift Progress in Neurobiology publiziert.

Die Forscherinnen konnten auch zeigen, dass sich Schlaf, Darmbakterien und Hirnaktivität im ersten Lebensjahr dynamisch parallel entwickeln. Mit anderen Worten: Kleinkinder mit unterschiedlichem Darmbakterienprofil haben auch unterschiedliche Hirnaktivitäten, wenn sie schlafen. Am ausgeprägtesten ist dieser Zusammenhang im Alter von drei Monaten, was auf eine sensible Phase hinweist.

Beobachtung der Säuglinge in ihrem natürlichen Umfeld

Die Ergebnisse stammen aus einer großen Langzeitstudie, die in der Schweiz mit einer Kohorte von 162 Säuglingen durchgeführt wurde. „An dieser Feldstudie waren viele Leute beteiligt. Zum Beispiel bei Familienbesuchen, weil wir den Schlaf der Kleinkinder in ihrer üblichen Umgebung – zu Hause, im Kinderwagen, im Auto – und über einen längeren Zeitraum beobachten wollten. Dieser mobile Ansatz war ein Vorteil. Denn viele Schlafstudien beschränken sich jeweils auf eine Nacht im Schlaflabor“, erklärt Salome Kurth.

Die Säuglinge wurden zu drei Zeitpunkten in ihrem Zuhause beobachtet: im Alter von 3, 6 und 12 Monaten. Dabei wurde zur Überwachung des Schlafs jeweils zehn Tage lang ein Bewegungssensor an ihrem Knöchel angebracht. Gleichzeitig notierten die Eltern in einem Tagebuch, wann die Kinder zu Bett gingen, schliefen, nachts erwachten, was sie aßen und wann sie weinten.

Aufzeichnung des Schlafs

Außerdem nahmen die Eltern Stuhlproben. Mit diesen konnten die Forscherinnen die Darmflora auf drei Kriterien genetisch analysieren:

  • Vielfalt,
  • Reife (das Mikrobiom verändert sich im Lebensverlauf und insbesondere in der Kindheit) und
  • Enterotyp (vereinfachtes Profil der Darmflora).

Die Eltern gaben zudem in einem Fragebogen an, wie sich das Kind in fünf Bereichen entwickelte: Kommunikation, Grobmotorik, Feinmotorik, Problemlösung und soziale Beziehungen.

Außerdem besuchte das Team rund 30 Kinder im Alter von sechs Monaten für die Aufzeichnung ihres Schlafs mit einem Elektroenzephalogramm während der ersten Nachtstunden.

Ansatzpunkte für Therapien

„Diese Ergebnisse sind sehr interessant, weil sie zeigen, dass Schlaf und Darmflora mit der Verhaltensentwicklung von Babys zusammenhängen. Da es möglich ist, Schlafprobleme mit Coachings für Eltern und die Darmbakterien durch Ernährungsumstellungen zu beeinflussen, können wir möglicherweise künftig auf diesem Weg bei Entwicklungsproblemen etwas bewirken“, schliesst Kurth. Es ist jedoch noch zu früh für eine Verallgemeinerung der Ergebnisse. Ob sich diese wirksam umsetzen lassen, muss noch in klinischen Studien überprüft werden.