Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Die Doppelspitze in der Praxis

Mit 60-plus kommen niedergelassene Ärzte und Ärztinnen allmählich auf die Zielgerade ihrer beruflichen Laufbahn. Sollte sich der eigene Nachwuchs für die Übernahme der Praxis entscheiden, muss der Ausstieg vorbereitet werden. Das bedeutet in den meisten Fällen: Der bisherige Praxisinhaber arbeitet mit Sohn oder Tochter die erste Zeit als „Doppelspitze“ zusammen.

Damit es keine Probleme gibt, ist es wichtig, dass die Arbeitsbereiche verbindlich festgelegt werden und man sich auch daran hält. Es macht etwa Sinn, dass die Nachfolger auch direkt die neuen Patienten übernehmen und der Patientenstamm auch schon aufgeteilt wird. So kann der abgebende Arzt seine Arbeitszeit bereits reduzieren und dem Nachfolger eine geregelte Einarbeitung ermöglichen.

Die Übergabe nicht hinauszögern

Zu Problemen kommt es häufig, wenn der bisherige Praxisinhaber nicht wirklich loslassen kann und der Termin der Praxisübergabe immer wieder verschoben wird. Man spricht dann vom „Prinz Charles Phänomen“. Die Queen hat es bis heute nicht fertiggebracht, ihren Sohn als Nachfolger einzusetzen. Um nicht in diese Falle zu tappen, sollte es von Anfang an einen Vorvertrag mit verbindlichem Termin der endgültigen Übergabe geben, und der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin auf der Praxis-Homepage ausführlich vorgestellt werden.

Die Sicht des Patienten berücksichtigen

Wichtig ist es auch, die Patienten bei der Entwicklung so früh wie möglich mitzunehmen. Solange die beiden Generationen als Doppelspitze zusammen arbeiten, wird es sonst immer Leistungsvergleiche geben. Das gilt vor allem für Patienten, die wechselweise vom alten und vom neuen Arzt behandelt werden. Hier sollte es eine klare Trennung und auch eine sehr frühe, und vor allem verbindliche Kommunikation gegenüber den Patienten geben.

Typische Fehler „alter“ Praxisinhaber

Erfahrene Ärzte und Ärztinnen, die ihre Praxis teils jahrzehntelang erfolgreich führen, tappen bei der Zusammenarbeit mit der Nachfolge-Generation außerdem gerne in Denkfallen. So wird das eigene körperliche Leistungspotenzial oft überschätzt und man hängt an den althergebrachten Gewohnheiten bzw. Behandlungsmethoden, ohne dies noch bewusst wahrzunehmen.

Der Perspektivenwechsel als Lösung

Häufig sehen erfahrene Ärzte bei ihren Nachfolgern vor allem die fehlenden Eigenschaften, wie z.B. die Souveränität, die langjährige Erfahrung mit sich bringt. Die nachfolgende Generation sieht wiederum nur die nachlassenden Fähigkeiten des alten Arztes. Der Defizitgedanken betrifft also beide Generationen. Um die andere Generation zu verstehen, muss jeder den „Perspektivenwechsel“ vornehmen. Die Akzeptanz generationstypischer Eigenarten ist wichtig für eine harmonische Zusammenarbeit. Damit der Generationswechsel nicht scheitert, sollten die Eltern diese Punkte beachten:

  • Die Erwartung an Sohn oder Tochter darf nicht überzogen werden.
  • Es ist in Ordnung, wenn die neuen Arbeitsmethoden hinterfragt werden. Grundsätzlich ablehnen sollte man sie nicht.
  • Der bisherige Praxisinhaber muss sich bewusst machen, dass Sohn oder Tochter nicht zum „Abziehbild“ der Eltern werden wollen, sondern eigenen Ideen bei der Praxisführung realisieren wollen.
  • Nicht enttäuscht sein, wenn man nicht mehr um Rat gefragt wird, und der Youngster seine eigene Arbeitsweise einbringt – selbst wenn sie nicht immer richtig ist.

Die Erwartungen der Nachfolge-Generation

Die jungen Mediziner müssen allerdings auch ein paar Kompromisse schließen. So sollten sie nicht sofort alles umkrempeln, sondern eher Änderungen scheibchenweise einführen. Denn sie übernehmen nicht nur die Praxis, sondern auch die Mitarbeiter und den Patientenstamm. Für MFA und Patienten sind gravierende Änderungen keinesfalls immer positiv. Meist sind es die Älteren im Mitarbeiterteam, die emotional hinter dem Seniorchef stehen. Um auch sie „mitzunehmen“, braucht es Fingerspitzengefühl und Geduld.

Der schwierige Anfang

Fehler des Juniors in den ersten Monaten werden ihm doppelt angerechnet, er hat noch keinen Bonus auf seinem „Leistungskonto“. Die Verantwortung für eine Entscheidung liegt aber nach Übernahme voll bei ihm bzw. ihr. Deshalb gilt: Die Eltern können von Glück sprechen, wenn sich jemand aus der Familie zur Praxisübernahme entscheidet, die Arztpraxis nicht verkauft oder aufgegeben werden muss. Das sollten junge Mediziner aber nicht aus falsch verstandener Tradition tun, sondern nur, wenn sie sich sicher sind, dass eine Praxis ihr Ding ist.