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Medizin

Analyse von mehr als 42.000 Patientinnenakten

Für die Studie wurden anonymisierte Daten von Schwangeren analysiert, die in den letzten 20 Jahren im UKE entbunden haben. Das Forschungsteam um Professorinnen Petra Arck und Anke Diemert aus der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin untersuchte die errechneten sowie tatsächlichen Geburtstermine im Vergleich zu den Klimadaten des Hamburger Wetterdienstes. Besonderes Augenmerk lag auf den Perioden zwischen März und September, in denen außergewöhnlich hohe Temperaturen herrschten.

Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit als Risikofaktoren

Die Studie ergab, dass Hitzestress ab 30 Grad Celsius das Risiko einer Frühgeburt um 20 Prozent erhöhen kann. Bei Temperaturen über 35 Grad steigt das Risiko sogar um 45 Prozent. Interessanterweise konnten werdende Mütter ein bis zwei heiße Tage anscheinend gut bewältigen. Doch wenn die Hitzewelle anhielt und kein ausreichender Ausgleich durch Abkühlung erfolgte, setzten vermehrt vorzeitige Wehen ein. Insbesondere hohe Luftfeuchtigkeit verstärkte diesen Effekt zusätzlich. Diese alarmierenden Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift eBioMedicine veröffentlicht.

Prognose für die kommenden Jahre

Das Forschungsteam des UKE analysiert derzeit die Klimaprognosen für die nächsten zehn Jahre. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im Jahr 2033 aufgrund steigender Temperaturen etwa jedes sechste Kind, rund 15 Prozent, vorzeitig geboren werden könnte – doppelt so viele wie heute. Die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Neugeborenen sind noch nicht absehbar.

Wann spricht man von einer Frühgeburt?

Eine Frühgeburt wird medizinisch definiert, wenn das Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren wird. Die Studie konzentrierte sich speziell auf späte Frühgeburten zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche. Eine Geburt vor dem errechneten Termin birgt ein erhöhtes Risiko für spätere gesundheitliche Probleme. Die Lungen, das Verdauungs- und Immunsystem des Babys müssen noch weiter reifen. Studien zeigen, dass Frühgeborene ein erhöhtes Risiko für Konzentrationsstörungen, schlechtere Schulleistungen, Infektionen, Allergien, Asthma und Übergewicht haben können.

Maßnahmen bei Hitze-Stress in der Schwangerschaft

Herrschen draußen tage- oder wochenlang extrem hohe Temperaturen, ist die Situation für die werdende Mutter extrem belastend: Weil der Bauch auf die Hauptvene drückt, kommt am Herzen nicht mehr so viel Blut an. Durch die Dauerhitze weiten sich die Blutgefäße und verstärken diesen Effekt. Eine solche hitzebedingte Gefäßerweiterung beobachten die Wissenschaftler:innen auch in der Gebärmutter, was die Versorgung des heranwachsenden Babys mit Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigt.

In schwülen Nächten erhöht zudem fehlender Schlaf den Stress. Parallel sinken die Schwangerschaftshormone, der Cortisolspiegel steigt – und auch das Risiko einer Frühgeburt.

Was also tun bei Hitzestress? „Frauen, die sich zwischen der 34. und 38. Schwangerschaftswoche befinden, sollten bei anhaltend hohen Temperaturen möglichst die Sonne meiden, sich in klimatisierten Räumen aufhalten sowie viel Flüssigkeit zu sich nehmen“, lautet die Empfehlung der Professorinnen Petra Arck und Anke Diemert aus der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE.

PRINCE-Studie erforscht vorgeburtliche Prägung

Seine Forschungsergebnisse hat das Team unter anderem im Rahmen der Langzeitstudie PRINCE (Prenatal Identifiction of Children‘s Health) gewonnen. Seit 2011 wird im UKE erforscht, wie sich der Lebensstil einer werdenden Mutter auf die spätere Gesundheit ihres Kindes auswirkt. Mehr als 800 Schwangere haben bisher an den Untersuchungen zur vorgeburtlichen Prägung teilgenommen, die ersten Kinder sind inzwischen zehn Jahre alt. Ziel ist es, molekulare Mechanismen zu entschlüsseln, mit denen bereits vor der Geburt die Grundlagen für mögliche spätere Erkrankungen gelegt werden. Aufbauend auf diese Erkenntnisse sollen dann Präventionsstrategien entwickelt werden. Weitere Infos: www.uke.de/prince.