Sorgerechtsstreit: Wer kriegt das Kind während der Pandemie?
A&W RedaktionEin zu laxer Umgang mit den Kontaktbeschränkungen, ein erhöhtes berufliches Risiko, die Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19: Die Corona-Krise liefert neue Argumente, einem ungeliebten Ex-Partner den Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu verbieten. Nun hat ein Gericht erstmals bei einem Sorgerechtsstreit klare Grenzen gezogen.
Wer sich scheiden lässt, muss teilen lernen. Geld, Rente, das Eigenheim – die Grenzen zwischen Mein und Dein werden nach dem Ehe-Aus neu definiert. Doch wie teilt man die gemeinsamen Kinder sachgerecht auf?
Eine gängige Variante ist es, dass der oder die Sprösslinge bei einem Elternteil ihren Lebensmittelpunkt haben, der andere Elternteil (vielfach der Vater) aber ein regelmäßiges Umgangsrecht bekommt. Je nachdem, wie gut oder schlecht das Verhältnis zwischen den einstigen Partnern ist, funktioniert das mal besser und mal schlechter.
Doch welche Regeln gelten in Zeiten der Covid-19 Pandemie und angesichts der weiterhin geltenden Vorgaben, soziale Kontakte möglichst einzudampfen? Diese Frage, die aktuell vermutlich viele getrennte Eltern und Patchworkfamilien beschäftigt, hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem Sorgerechtsstreit beantwortet (Az. 1 UF 51/20).
Kontakt zu beiden Elternteilen ist möglich
Im konkreten Fall hatte der Vater eines fast sechsjährigen Mädchens beim Familiengericht eine Umgangsregelung erwirkt, nach der seine Tochter am Wochenende zu ihm kommen und übernachten durfte. Die Mutter wollte das verhindern und legte Beschwerde beim OLG ein. Als Grund dafür nannte sie unter anderem die Risiken einer Infektion mit Covid-19 und die geltenden Kontaktbeschränkungen.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Dem Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil stehe auch in Corona-Zeiten kein gesetzliches Verbot entgegen – selbst dann nicht, wenn Vater und Kind nicht im selben Haushalt leben. Nach den während der Pandemie ergangenen Verordnungen gelte zwar durchgängig das Gebot, Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren (Art. 1 § 1 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, Nds. GVBl. Nr. 13/2020, S. 105). Zu diesem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte gehört aber auch und gerade der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind.
Ausnahmen vom Umgangsrecht
Nach Auffassung des Gerichts sind Ausnahmen nur denkbar, wenn der Umgang aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich ist. Das sei etwa der Fall, wenn sich ein Elternteil in Quarantäne befindet, einer Ausgangssperre unterliegt oder nachweislich mit Covid-19 infiziert ist. Die Erkrankung des Kindes selbst stehe dem Umgang dagegen auch nicht entgegen, da jeder Elternteil sein krankes Kind versorgen und pflegen dürfe.