Jede zweite Praxis kämpft mindestens einmal pro Woche mit der TI
Judith MeisterDass das Gesundheitswesen digitaler werden muss, gilt unter Experten als ausgemacht. Die derzeit verfügbaren Anwendungen treiben niedergelassene Ärzte aber zunehmend zur Verzweiflung.
Dass das Gesundheitswesen digitaler werden muss, gilt unter Experten als ausgemacht. Die derzeit verfügbaren Anwendungen treiben niedergelassene Ärzte aber zunehmend zur Verzweiflung.
Die Unternehmensberatung McKinsey hat – wie in den beiden Vorjahren – auch 2022 den digitalen Fortschritt im deutschen Gesundheitswesen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist bestenfalls durchwachsen.
Zwar waren im zweiten Quartal rund 96 Prozent der Hausarztpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen. Zufrieden mit den technischen Lösungen sind die Nutzer allerdings nicht. Im Gegenteil. Jeder zweite Befragte beklagt laut der Erhebung mindestens einmal pro Woche technische Fehler.
Doch nicht nur die TI an sich macht den Ärzten Kummer. Konkret bemängeln sie auch die unzureichende Akzeptanz der elektronischen Patientenakte (ePA). Sie steht den gesetzlich Versicherten zwar bereits seit Anfang 2021 zur Verfügung. Allerdings nutzt aktuell noch nicht einmal ein Prozent der Kassenpatienten den neuen Service.
Um das zu ändern, wird die freiwillige Nutzung der ePA (Opt-in) künftig durch ein Opt-out Verfahren ersetzt. Versicherten, die nicht aktiv widersprechen, wird dann standardmäßig eine ePA eingerichtet.
Unerfreulich ist auch das schleppende Rollout des E-Rezeptes: Bis Anfang November 2022 wurden laut der Erhebung nur etwa 550.000 elektronische Verordnungen ausgestellt. Angesichts rund 760 Millionen abgerechneter Rezepte in der gesetzlichen Krankenversicherung ist das ein verschwindend geringer Wert.
Videosprechstunden und die Online-Vergabe von Terminen werden besser akzeptiert
Etwas positiver fällt die Bilanz bei anderen digitalen Services aus. So bieten inzwischen etwa 37 Prozent der Hausarztpraxen Videosprechstunden an. Die Zahl der abgerechneten Videotermine stieg im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf 3,5 Millionen. 21 Prozent der Hausarztpraxen ermöglichen es ihren Patienten zudem, Termine online zu vereinbaren.
Kaum digitale Aufbruchstimmung unter den Ärzten
Die enttäuschende Gesamtbilanz des Digitalisierungsfortschritts geht aber nicht nur auf technische Probleme zurück, sondern auch auf eine grundlegende Skepsis in der Ärzteschaft.
Zwar ist nach einer Umfrage der KBV jede zweite Arztpraxis offen für digitale Innovationen. Zwei von drei fürchten aber deren Kosten. Die Hälfte der Teilnehmer hat zudem Angst, die Digitalisierung könne die Beziehung zu den Patienten verschlechtern. Nur 14 Prozent der befragten Ärzte glauben, dass digitale Services den Therapieerfolg verbessern können.