Wie digital ist das deutsche Gesundheitswesen?
A&W RedaktionDie Sprechstunde per Videochat, allerorts Zugriff auf die digitale Krankenakte und das e-Rezept direkt auf das Handy: Wie wichtig digitale Technologien im Gesundheitswesen sind, zeigt nicht zuletzt die Corona-Pandemie. Bei der Anwendung einzelner digitaler Technologien im Gesundheitswesen ist aber noch Luft nach oben.
Dennoch hat das Corona-Virus bei 40 Prozent der medizinischen Einrichtungen spürbar als Digitalisierungsbeschleuniger gewirkt. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine aktuelle Studie von Deloitte, für die medizinisches Personal in sieben europäischen Ländern befragt wurde.
Digitale Krankenakte in Deutschland am beliebtesten
Aktuell kommen digitale Technologien im deutschen Medizinbetrieb vor allem für administrative Aufgaben zum Einsatz. Allem voran steht die digitale Krankenakte, die von drei Vierteln der Befragten genutzt wird. Die Technologie erbringt zudem den erwarteten Nutzen: 78 Prozent sehen Vorteile für effizientes Arbeiten und eine gute Patientenversorgung. Weitere Technologien, die vielerorts zum Einsatz kommen, sind digitale Dienstpläne (52 Prozent) sowie spezifische Anwendungen für Klinikpersonal (44 Prozent). Beides wird auch mit Blick auf die Versorgung positiv bewertet.
Potenzial von Telemedizin noch nicht ausgeschöpft
Ein gegensätzliches Bild zeichnet sich bei der Telemedizin ab, also Technologien zur Betreuung von Patienten via Telefon und Videochat. Nur 30 Prozent des medizinischen Personals geben an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Befragte (64 Prozent). Eine ähnliche Diskrepanz gibt es auch bei Online-Terminbuchungsmöglichkeiten: Nur 38 Prozent der Einrichtungen nutzen aktuell ein solches System, obwohl 63 Prozent des medizinischen Personals große Vorteile für die Patientenversorgung sehen. Hier zeigt sich, dass das volle Potenzial der Technologien im deutschen Raum noch nicht ausgeschöpft ist. Die Niederlande, Dänemark und UK sind hier schon einen Schritt weiter: Telemedizin und Online-Terminbuchungen sind ebenso wie Online-Rezepte für zwei Drittel der Befragten bereits Teil des Alltags.
Derzeit viel diskutierte Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) werden hingegen europaweit nur sehr vereinzelt genutzt. Im deutschen Gesundheitswesen wenden 7 Prozent des medizinischen Personals KI und 4 Prozent VR an. Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten. Genauso viele Befragte sind sich bei fortschrittlicheren Technologien – darunter auch Genomdaten und Robotertechnik – jedoch unsicher.
Hürden beim Einsatz digitaler Technologien
Bevor neue Technologien eingeführt werden, sind im deutschen Gesundheitssystem vor allem organisatorische Hürden zu überwinden. Das medizinische Personal sieht sich konfrontiert mit Bürokratie (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und Schwierigkeiten, die passende Technologie zu finden (42 Prozent).
Wichtig ist außerdem, das gesamte medizinische Personal auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen. Für gut die Hälfte der Befragten besteht noch Unterstützungs- (46 Prozent) und Informationsbedarf (41 Prozent). Trainings gelten hier als ein wichtiger Ansatzpunkt, um den digitalen Wandel in die gesamte Organisation zu tragen. “Digitalisierung bedeutet auch eine Veränderung der Kultur. Dafür müssen Technologien stärker in den Arbeitsalltag integriert und das gesamte medizinische Personal intensiver geschult werden. Nur wenn sie in die technischen Fortschritte einbezogen werden, kann das volle Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden”, empfiehlt Teuber.
Digitales Update dank Investition
Bis zur vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation ist es aus Sicht vieler Befragter noch ein längerer Weg. Maximal fünf Jahre dauert es nach Einschätzung von mehr als der Hälfte der Befragten noch (54 Prozent). Viele geben an, dass der Zeithorizont eher bei acht bis zehn Jahren liegen wird (38 Prozent).