Urlaubsplanung in der Praxis: Rechte, Pflichten, Lösungen
Ina ReinschDie Urlaubsplanung in der Arztpraxis birgt Konfliktpotenzial. Praxisinhaber müssen Wünsche der MFA und arbeitsrechtliche Vorgaben beachten. Wer hat wann Anspruch auf Urlaub, und wie lassen sich Streitigkeiten vermeiden? Die wichtigsten Regeln und Lösungen im Überblick.
Anfang des Jahres wird in vielen Arztpraxen der Urlaubsplan aufgestellt. Oft kommt es dabei zu Konflikten im Team, zum Beispiel zwischen MFA, die Kinder haben und in den Schulferien Urlaub machen möchten, und solchen ohne Kinder. Die Frage, wer wann darf und wer zurückstecken muss, birgt einigen Sprengstoff. Als Praxisinhaber alle Mitglieder des Teams mit ihren Bedürfnissen und Wünschen im Blick zu behalten, ist dabei manchmal gar nicht so einfach. Das Arbeitsrecht gibt aber einige Regeln vor, die die Entscheidung erleichtern und für gerechte Ergebnisse sorgen sollen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viele Tage Urlaub haben MFA in der Arztpraxis?
Ärztinnen und Ärzte sollten zunächst einen Blick in den individuellen Arbeitsvertrag ihrer jeweiligen MFA werfen. Dort haben sie die Anzahl der Urlaubstage meistens konkret geregelt. Auch der Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte regelt die Anzahl der Urlaubstage, falls er, zum Beispiel über eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag, auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Dort sind 29 Urlaubstage vorgesehen, für MFA ab 55 Jahren sogar 31 Tage. Ansonsten gilt das Bundesurlaubsgesetz. Dort sind als Mindesturlaub 24 Werktage pro Jahr vorgeschrieben. Das Gesetz geht allerdings von einer Sechs-Tage-Woche aus. Für MFA, die in einer Fünf-Tage-Woche arbeiten, muss der Urlaubsanspruch heruntergerechnet werden. Er beträgt 20 Tage pro Jahr. Sonderregelungen gelten unter anderem für schwerbehinderte Mitarbeitende und Jugendliche. Ihnen steht laut Gesetz mehr Urlaub zu.
Wie viele freie Tage haben Teilzeitkräfte?
Die tägliche Arbeitszeit spielt bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs keine Rolle. Wer in Teilzeit fünf Tage nur vier Stunden pro Tag arbeitet, hat genau so viele Tage frei wie ein Arbeitnehmer, der acht Stunden täglich beschäftigt ist. Etwas anderes gilt allerdings für Mitarbeitende, die beispielsweise nur an drei Tagen in der Woche in die Praxis kommen. Sie haben einen anteilig reduzierten Urlaubsanspruch. Sieht der Arbeitsvertrag 30 Tage Urlaub für eine Fünf-Tage-Woche vor, hat die Teilzeitkraft in diesem Fall 18 Tage frei.
Wann hat eine neu eingestellte MFA Anspruch auf den vollen Jahresurlaub?
Anspruch auf den vollen Jahresurlaub hat sie erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Doch was passiert mit einer MFA, die erst im September ihre Arbeit aufnimmt? Vor Ablauf der Wartezeit hat sie laut Bundesurlaubsgesetz Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat. Auch der Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte sieht eine solche Regelung vor. Allerdings kann der Praxisinhaber oder die Praxisinhaberin im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass die MFA während der Probezeit keinen Urlaub nehmen darf.
Nach welchen Kriterien entscheidet der Praxisinhaber, wer wann frei bekommt?
Viele Praxisinhaberinnen und -inhaber kommen ins Schwitzen, wenn mehrere Mitarbeitende gleichzeitig, etwa in den Osterferien oder an begehrten Brückentagen, Urlaub machen wollen. Laut Bundesurlaubsgesetz muss der Arbeitgeber die Urlaubswünsche seiner Arbeitnehmer berücksichtigen. Das heißt, er darf einen Urlaubsantrag nur ablehnen, wenn im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Wollen mehrere MFA zur gleichen Zeit in den Urlaub, muss der Chef oder die Chefin nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden. Zu den Kriterien, die eine Rolle spielen, zählen unter anderem
schulpflichtige Kinder,
die Handhabung des Urlaubs in den vergangenen Jahren,
eine extrem hohe Arbeitsbelastung in der Vergangenheit,
Krankheit,
Urlaub des Ehepartners,
Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Der Arbeitgeber muss die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abwägen. Beispiel: Eine MFA ohne Kinder möchte in diesem Jahr während der Schulferien Urlaub nehmen. Sie muss damit nicht zwangsläufig das Nachsehen gegenüber einer MFA mit schulpflichtigen Kindern haben. Die Abwägung kann durchaus ergeben, dass ihr Urlaubswunsch vorgeht, etwa dann, wenn ihr Mann Lehrer ist und ihre Wünsche in den letzten Jahren oft nicht berücksichtigt wurden.
Müssen Arbeitnehmer einen schriftlichen Urlaubsantrag stellen?
Nicht unbedingt. Ist es in der Praxis üblich, mündlich um Urlaub zu bitten, und wird er auch mündlich genehmigt, geht das in Ordnung. Allerdings empfiehlt sich aus Beweisgründen ein schriftlicher Antrag mit Genehmigung. Über den Urlaubsantrag entscheidet allein der Chef oder die Chefin.
Darf der Chef Urlaub widerrufen?
Einen einmal genehmigten Urlaub kann man nur schwer widerrufen. Auch die MFA aus dem Urlaub zurückzuholen, ist kaum machbar. Das ist nur in ganz extremen Ausnahmefällen oder im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Krankheiten oder personelle Engpässe genügen dafür nicht.
Was passiert, wenn die MFA im Urlaub krank wird?
Wird eine MFA während des Urlaubs arbeitsunfähig krank, darf ihr diese Zeit nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Der Grund dafür ist, dass Urlaub der Erholung und damit dem Erhalt der Arbeitskraft dient. Wer krank ist, kann sich aber nicht erholen. Die Mitarbeiterin muss sich allerdings sofort in der Arztpraxis krankmelden und bereits ab dem ersten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Nur dann kann sie die Tage nachgewährt bekommen.
Für welche Ereignisse gibt es Sonderurlaub?
Eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Gehalts steht dem Arbeitnehmer zum Beispiel für die Geburt eines Kindes, einen Sterbefall im engen Familienkreis, die schwere Erkrankung naher Angehöriger und natürlich die eigene Hochzeit zu. Diese Freistellung ist gesetzlich allerdings nicht konkret geregelt, speist sich aber aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und der Rechtsprechung. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht schon 1973 entschieden, dass es für die Goldene Hochzeit der Eltern Sonderurlaub gibt. Ob das allerdings auch noch für die Silberhochzeit der Schwiegereltern gilt, ist zweifelhaft. Detailliertere Regelungen finden sich im Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte – falls er auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Hier gibt es etwa auch freie Tage für Dienstjubiläen.
Dürfen Mitarbeiter Resturlaub mit ins neue Jahr nehmen?
Darüber gibt es immer wieder Streit. Mitarbeitende müssen ihren Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr nehmen. Allerdings kann Urlaub in das nächste Jahr übertragen werden, wenn dies aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen erforderlich ist. Konnte eine MFA etwa bis zum Jahresende ihren Urlaub nicht antreten, weil sie eine länger erkrankte Kollegin vertreten musste, darf sie ihn übertragen. Die freien Tage müssen dann allerdings bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden, sonst können sie verfallen. Ganz wichtig: Chefs müssen ihre Mitarbeitenden zum Ende des Jahres auffordern, den restlichen Urlaub zu nehmen, und auf den drohenden Verfall hinweisen.
Können Arbeitgeber Betriebsferien anordnen?
Ja. Der Chef oder die Chefin ist aber gehalten, die Urlaubswünsche der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Außerdem müssen die Mitarbeitenden laut Rechtsprechung die Möglichkeit behalten, über zwei Fünftel ihres Jahresurlaubs selbst bestimmen zu können.
Haben Mitarbeiter Anspruch, an Brückentagen frei zu bekommen?
Eine gesetzliche Regelung speziell für Brückentage gibt es nicht, sie sind ganz normale Urlaubstage. Daher gelten hier die allgemeinen Regelungen zur Verteilung des Urlaubs aus dem Bundesurlaubsgesetz: Der Arbeitgeber muss auch hier die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen, es sei denn, es stehen dringende betriebliche Belange oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen. Auch Ärztinnen und Ärzte nutzen Brückentage gern, um ein verlängertes Wochenende mit der Familie oder Freunden zu verbringen. Dürfen sie umgekehrt Urlaub an Brückentagen anordnen? Ja, sie dürfen tatsächlich an Brückentagen die Praxis schließen und für diese Tage Betriebsferien anordnen. Erforderlich dafür ist, dass dringende betriebliche Belange Vorrang vor den individuellen Urlaubswünschen der Arbeitnehmer haben. Ein solcher dringender betrieblicher Belang ist zum Beispiel eine ärztliche Weiterbildung an einem verlängerten Wochenende. Es genügt aber auch, dass die Ärzte der Praxis wegen ihres eigenen Urlaubs nicht in der Praxis anwesend sein werden.