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Medizin

Die „Deutsche Parkinson Vereinigung“ ist eine Selbsthilfeorganisation, die die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Familien verbessern möchte. Sie hatte 2009 mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie dort verschreibungspflichtige Parkinson-Medikamente kaufen. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist in Deutschland nicht mehr verboten.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs war allerdings der Ansicht, dass dieses Bonussystem gegen die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten verstößt. Demnach dürfen Apotheken auf ihre Einkaufspreise nur gesetzlich festgeschriebene Zuschläge von drei Prozent plus 8,10 Euro pro Packung erheben. Das dürfte sich bald ändern.

Regelung schränkt Warenverkehr ein

Auf Antrag dieses Vereins untersagte zunächst das Landgericht Düsseldorf der Deutschen Parkinson Vereinigung, das Bonussystem bei ihren Mitgliedern zu bewerben. Diese wandte sich daraufhin an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das seinerseits den Europäischen Gerichtshof 2015 um Klärung der Frage bat, ob die Preisbindung mit dem freien Warenverkehr vereinbar ist.

Mit seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das nicht der Fall ist. Demnach stellt die die betreffende Regelung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar.

Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise wirkt sich laut Gericht nämlich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken aus. Damit könne der Zugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden als für inländische Erzeugnisse.

Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass der Versandhandel für ausländische Apotheken ein wichtigeres bzw. “eventuell sogar das einzige Mittel” darstellt, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Und auch, dass der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sei als für traditionelle Apotheken. Die seien nämlich in der Lage, Patienten vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Die Befürchtung, mit einer Öffnung des Marktes dem Handel mit gefälschten Medikamenten Vorschub zu leisten, teilte das Gericht an dieser Stelle hingegen nicht. Grundsätzlich könne zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch sei die betreffende Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet.

Keine Belege für Nachteile

Zudem sah der Gerichtshof keine Belege dafür, dass sich die Versandapotheken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. Im Gegenteil: Es könnte sich auch herausstellen, dass für die traditionellen Apotheken, wenn sie sich einem Preiswettbewerb der Versandapotheken gegenübersehen, sogar ein Anreiz dazu bestünde, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten.

Fachverbände und Industrie erwarten, dass nach diesem Urteil der Druck auf die Arzneimittelpreise weiter steigen wird. Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs ist das in Ordnung: “Ein Preiswettbewerb könnte auch den Patienten Vorteile bringen, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten als sie derzeit festgelegt werden”, heißt es dazu in der offiziellen Erklärung. Einen Gewinner gibt es auf jeden Fall: Die niederländische Versandapotheke DocMorris rechnet nach dem Urteil damit, dass das Urteil die eigene Wachstumsinitiative “positiv beeinflussen wird”. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei für DocMorris ein profitables Kerngeschäft, in dem zweistellige Wachstumsraten möglich seien.