Ärztinnen in Deutschland: Zwischen Ernüchterung und Enttäuschung
A&W RedaktionDie Regelungen des Mutterschutzgesetzes sollen Schwangere und ihr Ungeborenes schützen. Eine Umfrage belegt jedoch: Für schwangere Ärztinnen und Medizinstudentinnen werden diese Regelungen zum Karriere-Hemmschuh.
Kaum ein Land schützt werdende bzw. frischgebackene Mütter und ihre Kinder so umfassend wie Deutschland. Schwangere und Stillende dürfen danach nicht mehr als 8,5 Stunden pro Tag arbeiten. Zwischen 20 und 6 Uhr dürfen sie gar nicht zum Dienst erscheinen. Sonn- und Feiertagsarbeit ist ebenfalls verboten. Und natürlich muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass die Frauen vor Infektionen, chemischen Einflüssen, Strahlung, und anderen Gefahren geschützt sind.
Das klingt erst einmal nach einem Paradies. Für schwangere Ärztinnen und Medizinstudentinnen bedeuten die Vorgaben aber auch: Die wirklich spannenden Aspekte ihres Berufs bleiben ihnen während Schwangerschaft und Stillzeit meist verwehrt. Das drückt nicht nur auf die Stimmung – sondern verschlechtert auch die Karrierechancen, wie eine aktuelle Umfrage belegt.
Erhebliche Einschränkungen
Um herauszufinden, wie deutsche Ärztinnen und Medizinstudentinnen ihre Situation in der Schwangerschaft bewerten, hat der Deutsche Ärztinnenbund eine Umfrage mit 790 Teilnehmerinnen gestartet, die vor Beginn der Pandemie schwanger waren. Die Ergebnisse belegen, dass Mutterschaft und Karriere im Gesundheitswesen weiterhin nicht gut zusammenpassen.
So gaben zwei Drittel der befragten Ärztinnen und Medizinstudentinnen an, dass sie ihre bisherige Tätigkeit nur noch drastisch eingeschränkt fortführen durften, nachdem sie die Schwangerschaft ihrem Arbeitgeber gemeldet hatten. Ärztinnen konnten maximal die Hälfte ihrer bisherigen Tätigkeit fortführen. Direkte Patientenkontakte, aber auch Operationen oder invasive Aufgaben wie Endoskopien waren für sie tabu. Stattdessen wurden sie verstärkt für Verwaltungsarbeiten herangezogen. Dies war unabhängig davon, ob sie sich noch in der Weiterbildungsphase befanden oder bereits einen Facharzt- und oder Oberarzt-Titel besaßen. Noch dramatischer stellte sich die Situation für die Studentinnen dar. Ihnen wurden bis zu 72 Prozent der praktischen Ausbildung untersagt.
Flexiblere Mutterschutzregeln für Ärztinnen sind dringend geboten
Für Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser, Vizepräsidentin des DÄB, ist dieser Befund ein Armutszeugnis. „Angesichts des Mangels an ärztlichem Nachwuchs kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, dass Frauen in diesem Beruf langsamer vorankommen.“ Dies gilt umso mehr, als es durchaus möglich wäre, einen sinnvollen Mutterschutz zu gewährleisten, ohne die (angehenden) Ärztinnen während der Schwangerschaft einem partiellen Berufsverbot zu unterwerfen. Das belegen unter anderem Erfahrungen aus der Schweiz, wo schwangere Ärztinnen bis kurz vor der Geburt noch im Operationssaal stehen.