Diskriminierungsschutz: Knapp 8.000 Euro Schadenersatz für eine Chatnachricht
Judith MeisterEin Mann bewirbt sich online auf eine Sekretärinnen-Stelle. Er wird abgelehnt. Man suche eine Dame. Dafür hat er nun 7.800 € Entschädigung erhalten – wegen Geschlechterdiskriminierung.
Dass der Gesetzgeber Arbeitnehmer, Auszubildende und auch Bewerber vor ungerechtfertigten Benachteiligungen schützt, ist gut und richtig. Niemand soll wegen seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts oder Alters, seiner sexuellen Identität, der Religion oder aufgrund einer Behinderung Nachteile erfahren.
Entsprechend gewähren Paragraf 15 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche. Um bereits im Rahmen eines Bewerbungsprozesses von dieser Vorschrift zu profitieren, müssen Jobinteressenten allerdings den Status eines „Bewerbers“ haben.
Dem Gesetz selbst kann nicht entnommen werden, wann ein Kandidat diesen Status erreicht. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BAG reicht es aber, dass der Bewerber eine Bewerbung bei seinem potenziellen Arbeitgeber eingereicht hat. In einem aktuellen Fall stellte sich indessen die Frage, wie umfassend die Bewerbungsunterlagen sein müssen. Muss ein Kandidat Zeugnisse und Abschlüsse beilegen? Oder reicht es, eine formlose Bewerbungsnachricht abzusondern? Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied sich für die zweite Variante (Az. 2 Sa 21/22).
Was macht eine Bewerbung aus?
Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen aus dem Kreis Steinburg auf Ebay-Klein inseriert und die Stelle einer Sekretärin ausgeschrieben. Darauf reagierte ein Mann über die Chatfunktion des Portals. Er habe Berufserfahrung im Büro und kenne sich mit Word, Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen könne er auch schreiben „und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die sie fordern“. Daher bewerbe er sich auf die Stelle.
Die Personalverantwortliche des Unternehmens bedankte sich – ebenfalls per Chat, lehnte die Bewerbung allerdings ab, da sie eine „Dame“ als Sekretärin suche. Daraufhin verklagte der Mann das Unternehmen wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
Kein inhaltliches Mindestmaß für Bewerbungen
Das LAG Schleswig-Holstein gab ihm recht und sprach ihm eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu. Der Mann sei als Bewerber zu qualifizieren. Ein Unternehmen, das eine Stelle über eBay-Kleinanzeigen ausschreibe, müsse damit rechnen, dass sich Interessenten über den Chat bewerben. Voraussetzung für den Bewerberstatus sei allein, dass eine Bewerbung eingereicht wurde und der Betreffende persönlich identifizierbar sei. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers fordere das Gesetz hingegen nicht.
Arbeitsrechtler raten angesichts dieser minimalen Hürden für Diskriminierungsklagen dazu, Stellenausschreibungen stets AGG-konform zu gestalten und die Ablehnung von Bewerbern nicht zu begründen.