Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Sterben und Erben bringt Kummer. Dieses alte Sprichwort hat bis heute nichts von seiner Richtigkeit eingebüßt. Auch wenn die Idee einer üppigen Erbschaft zunächst verheißungsvoll erscheint: In der Regel beerben Menschen vor allem ihre eigenen Angehörigen. Entsprechend geht den meisten Erbschaften der Verlust eines engen Verwandten voraus.

Das bedeutet nicht nur eine große emotionale Herausforderung. Wer erbt, nimmt – juristisch betrachtet – von einer Sekunde auf die andere die Rechtsposition des Verstorbenen ein. Und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Ärztinnen und Ärzte werden daher nicht nur Eigentümer aller Habseligkeiten des Verstorbenen.

Sie übernehmen auch all dessen Verbindlichkeiten – vom Mietvertrag über das Zeitschriften-Abo bis hin zur Mitgliedschaft im Fitnessstudio.
Genau das kann, gerade in den Wochen und Monaten nach dem Todesfall, ein Problem sein. Denn in der Theorie dürfen Erben zwar grundsätzlich auf die Konten des Verstorbenen zugreifen, um dessen Rechnungen zu überweisen oder die Beerdigung zu bezahlen. In der Praxis gibt es dabei aber oft massive Probleme. Denn gerade Banken verlangen in der Regel, dass sich Menschen, die die Rechtsnachfolge ihrer Kunden antreten wollen, als ihre legitimen Erben ausweisen können. Doch wie lässt sich ein solcher Nachweis erbringen? Welche Dokumente können Ärzte als Legitimationspapiere nutzen? Und braucht es wirklich immer einen Erbschein? ARZT & WIRTSCHAFT hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Was genau ist eigentlich ein Erbschein?

Details zum Erbschein, umgangsprachlich auch als „Führerschein für Erben“ bezeichnet, sind im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 2353 ff. geregelt. Technisch handelt es sich dabei um ein vom Nachlassgericht ausgestelltes Papier, aus dem hervorgeht, wer Erbe ist und zu welchem Anteil welche Personen am Nachlass beteiligt sind. Der Erbschein ist also nicht Voraussetzung für eine Erbschaft, sondern der Beweis der Rechtsstellung als Erbe.

Je nachdem, ob eine Person oder mehrere Menschen Rechtsnachfolger des Verstorbenen werden, stellt das Nachlassgericht einen Alleinerbschein oder einen gemeinschaftlichen Erbschein aus, der alle Erben benennt.
Doch nicht nur die Rechte des oder der Erben sind in dem Dokument aufgeführt. Der Erbschein enthält auch etwaige Beschränkungen, wie etwa die Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder einer Nacherbschaft.

Wo beantragen Ärztinnen und Ärzte einen Erbschein und welche Rechtsfolgen sind mit dem Antrag verbunden?

Der Antrag auf einen Erbschein lässt sich schriftlich beim Nachlassgericht stellen. Das ist das Amtsgericht an dem Ort, wo der Erblasser zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte – also in der Regel an seinem Wohnort.
Alternativ können Ärztinnen und Ärzte für den Antrag auch einen Termin in der Geschäftsstelle vereinbaren. Zudem besteht die Möglichkeit, den Antrag durch einen Notar beurkunden zu lassen. Wichtig: Wer einen Antrag auf einen Erbschein stellt, nimmt damit automatisch die
Erbschaft an.

Welche Unterlagen müssen Erben vorlegen, um ihren Erbschafts-Führerschein zu erhalten?

Bevor das Gericht einen Erbschein ausstellt, prüft es die Angaben im Antrag. Er muss alle Personen nennen, die geerbt haben. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, um die Erbenstellung zu belegen, muss der Arzt oder die Ärztin diese Dokumente im Original oder in beglaubigter Abschrift vorlegen.

Fehlt ein solcher letzter Wille und greift die gesetzliche Erbfolge, müssen die Erben ihre Berechtigung nachweisen, indem sie Auszüge aus dem Familienbuch beibringen. Der Ehepartner, der erben will, muss deshalb die Eheurkunde vorlegen, erbberechtigte Kinder zum Beispiel ihre Geburtsurkunden.

Weitere Voraussetzung: Alle Erben müssen sich vor dem Nachlassgericht ausweisen, die Sterbeurkunde des Erblassers vorlegen und eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass ihnen „nichts bekannt ist, was der Richtigkeit der Angaben entgegensteht.“

Wie lange dauert die Ausstellung eines Erbscheins?

Normalerweise sollte das in wenigen Wochen erledigt sein. Je komplexer der Fall ist und je mehr Personen erben, desto länger kann sich das Verfahren allerdings hinziehen. Verzögerungen sind zudem programmiert, wenn dem Gericht noch Unterlagen fehlen. Auch vor diesem Hintergrund sollten Ärztinnen und Ärzte, die einen Erbschein beantragen, extrem akribisch vorgehen. Selbst bei größter Umsicht kommt es in der Praxis aber immer wieder vor, dass sich die Erteilung eines Erbscheins über mehrere Monate hinzieht.
Das kann Probleme verursachen, vor allem, wenn Immobilien zu verwalten sind oder die Erben Rechnungen bezahlen müssen, obwohl sie noch keinen Zugriff auf den Nachlass haben. Eine bereits zu Lebzeiten ausgestellte (Vorsorge)-Vollmacht vermeidet diese Probleme, da sie auch über den Tod hinaus gilt und die Erben handlungsfähig macht.

Welche Gebühren fallen für einen Erbschein an?

Erben zahlen gleich zweimal: Erstens für die Ausstellung des Erbscheins an sich und zweitens für die eidesstattliche Versicherung. Mit ihr müssen die Antragsteller die Richtigkeit ihrer Angaben versichern. Die Gebühren richten sich in beiden Fällen nach der Höhe des Nachlasswertes. So will es das Gerichts- und Notarkostengesetz: Je mehr es zu erben gibt, desto höher sind auch die Kosten für den Erbschein und die eidesstattliche Versicherung.

Hat der Nachlass beispielsweise einen Wert von 10.000 Euro, fallen 150 Euro netto an. Bei 100.000 Euro werden bereits 546 Euro fällig. Bei einem Nachlasswert von 250.000 Euro belaufen sich die Kosten bereits auf 1.070 Euro. Ein Erbschein für einen Nachlass von 500.000 Euro schlägt mit 1.870 Euro netto zu Buche. Bei einer Million müssen Ärztinnen und Ärzte für das Legitimationspapier 3.470 Euro aufbringen.
Wichtig: Alleinerben tragen alle Kosten auch allein. Beantragt hingegen eine Erbengemeinschaft den Erbschein, müssen sich alle Mitglieder anteilig an diesen Kosten beteiligen.

Was gilt, wenn es mehrere Erben gibt und diese unterschiedliche Angaben zum Nachlass machen?

In einem solchen Fall wird in der Regel eine Beweisaufnahme durchgeführt. Zum Beispiel kann das Gericht ein Sachverständigengutachten anfordern, um die Echtheit eines Testaments zu überprüfen. Die Kosten dafür tragen der oder die Antragsteller (vgl. Landgericht Saarbrücken,
Az. 5 T 227/09).

Gibt es auch Konstellationen, in denen sich Ärzte den Erbschein sparen können?

Das ist durchaus möglich. Hat der Verstorbene einem Erben beispielsweise schon zu Lebzeiten eine Kontovollmacht erteilt und verfügt, dass diese auch über den Tod hinaus wirken soll, müssen Banken ihm den Zugriff auf alle Konten und Depots auch ohne Erbschein gewähren.
Gleiches gilt, wenn Erben vor dem Tod des Erblassers eine Vorsorgevollmacht erhalten haben, die sie ermächtigt, ihn (auch) in finanziellen Dingen zu vertreten.

Entbehrlich ist ein Erbschein auch, wenn die Nachkommen des Verstorbenen ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag sowie das gerichtliche Eröffnungsprotokoll vorlegt. Wenn ihn das Dokument als Erben ausweist, hat er damit seine Rechtsposition ausreichend legitimiert.
Handschriftliche Testamente genügen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingegen nur, wenn sie einen Eröffnungsvermerk aufweisen und das Testament „die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit“ nachweist. Auch vor diesem Hintergrund raten Erbrecht-Experten stets dazu, neben einem Testament auch eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Dann ist man auf der sicheren Seite.

Welche Besonderheiten gelten, wenn der Nachlass Immobilien enthält?

Wer ein (bebautes) Grundstück erbt, muss als (neuer) Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Dafür verlangt das Grundbuchamt in der Regel einen Erbschein (§ 35 Abs. 1 GBO). Eine Vorsorgevollmacht oder ein handschriftliches Testament genügt hingegen nicht als Legitimationspapier.

Entbehrlich ist ein Erbschein für die Grundbuchberichtigung daher nur, wenn der Erbe ein notarielles Testament beziehungsweise einen notariellen Erbvertrag nebst Eröffnungsprotokoll vorlegen kann. Immerhin: Erben, die innerhalb der ersten beiden Jahre nach dem Todesfall die Berichtigung des Grundbuchs beantragen, sparen sich zumindest die Grundbuchgebühren.

Hilft ein deutscher Erbschein auch, wenn es um Vermögen im Ausland geht?

Nur sehr begrenzt. Zum Teil sind Erben daher mit komplizierten Sonderverfahren konfrontiert, wenn der Nachlass zum Beispiel eine Ferienwohnung in den USA enthält. Immerhin: Für Vermögen innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme von Irland und Dänemark) ist dieses Problem inzwischen aber wenigstens entschärft: Erben können für das EU-Auslandsvermögen (neben dem deutschen Erbschein) ein „Europäisches Nachlasszeugnis“ beantragen – für einen Preisaufschlag von 25 Prozent.

Gewisse Erschwernisse bleiben aber dennoch. Denn während der deutsche Erbschein unbegrenzt gültig ist, gilt das europäische Nachlasszeugnis gerade einmal sechs Monate lang.

Lassen sich die Kosten für den Erbschein später von der Steuer absetzen?

Ja. Pauschal erkennt das Finanzamt Erbfallkosten mit einem absetzbaren Betrag von 10.300 Euro an. Wer höhere Kosten absetzen will, muss diese durch entsprechende Belege nachweisen.

Banken contra geben
Banken und Versicherungen verlangen oft pauschal einen Erbschein von den Nachfahren ihrer Kunden, um sich als legitime Rechtsnachfolger des Verstorbenen zu legitimieren. Das ist allerdings unzulässig. So hat der Bundesgerichtshof schon vor Jahren entschieden, dass Geldhäuser auch in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Klauseln aufnehmen dürfen, wonach sie beim Tod eines Kunden generell einen Erbschein verlangen dürfen, bevor sie den Erben Zugriff auf die Konten gewährt (Az. XI ZR 401/12).
Das Argument: Niemand muss ein kostspieliges und zeitraubendes Erbscheinverfahren anstrengen, wenn er sein Erbrecht unproblematisch auch anderweitig nachweisen kann.