Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Gefälschte Rezepte und Abrechnungen verursachen Jahr für Jahr Millionenschäden in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Krankenkassen können Ärzte dafür in besonderen Konstellationen auch in Regress nehmen. Geht die strafbare Handlung hingegen auf die alleinige Initiative eines Mitarbeiters zurück, kann der Chef dafür nicht in Anspruch genommen werden. Vielmehr handelt es sich dann nach Auffassung des Sozialgerichts Schwerin um einen sogenannten Mitarbeiterexzess.

Ein solcher liegt vor, wenn sich der oder die Betreffende außerhalb des arbeitsvertraglich vorgesehenen Aufgabenbereichs bewegt und objektiv betrachtet nicht mehr für den Arbeitgeber tätig ist. Dieser muss folglich auch nicht für das Delikt seines Angestellten haften.

Gefälschte Rezepte für Genotropin

Konkret ging es um den Fall eines niedergelassenen Facharztes für Innere Medizin und Endokrinologie, der in Mecklenburg-Vorpommern praktiziert. Als ihm erhebliche Unregelmäßigkeiten bei seinen Verordnungen für das verschreibungspflichtige Wachstumshormon Genotropin auffielen, informierte er die Staatsanwaltschaft über das Geschehen.

In den Abrechnungsquartalen III/2012 bis III/2013 waren tatsächlich ohne sein Wissen, aber über seine Betriebsstättennummer 101-mal Verordnungen ausgestellt, ausgeliefert und abgerechnet worden. Er versicherte glaubhaft, damit nichts zu tun zu haben.

MFA hatte Komplizin in der Apotheke

Im Zuge der Ermittlungen zeigt sich, dass eine Praxismitarbeiterin auf den Rezepten die Unterschrift des Arztes gefälscht und die Rezepte an eine Apotheken-Beschäftigte weitergegeben hatte. Diese bestellte die Medikamente, nahm sie entgegen und gab sie widerrum an die Praxismitarbeiterin weiter, die die Präparate auf dem Schwarzmarkt verkaufte.

Nachdem die MFA aufgeflogen war, kam der Fall vor Gericht: Die Frau erhielt für ihre Taten eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Doch auch der unbeteiligte Chef der kriminellen MFA fand sich wenig später vor Gericht wieder: Ihn hatte die Krankenkasse verklagt, zu deren Lasten die Rezepte abgerechnet worden waren. Sie verlangte, der Arzt müsse für den entstandenen Schaden von knapp 80.000 Euro aus 22 Rezepten haften und beantragte einen Regress.

Der Unterschied zwischen Blankorezepten und Fälschungen

Das Sozialgericht Schwerin entschied jedoch zugunsten des Internisten und befand: Nur wenn ein Praxischef schuldhaft seinen Angestellten unterschriebene Blankorezepte samt Praxisstempel überlasse, komme eine Haftung in Betracht. Im konkreten Fall aber habe die MFA die Unterschrift ihres Chefs einfach gefälscht (Az. S 6 KA 15/20). Dafür könne man den Vorgesetzten nicht haftbar machen.

Auch habe die Arbeitnehmerin vorliegend nicht als „Erfüllungsgehilfin“ des Arztes agiert. Voraussetzung dafür (und für eine mögliche Haftung) ist es, dass die vorsätzlich unerlaubte Handlung innerhalb der übertragenen Hilfstätigkeit erfolgt. Da der Arzt von den Rezepten aber nichts gewusst habe, scheide eine Haftung aus.  Das Handeln der Praxisangestellten sei viel mehr als Mitarbeiterexzess zu bewerten.