Honorarkürzungen: Warum Ärzte ihre Prüfzeiten im Blick behalten sollten
A&W RedaktionÄrztinnen und Ärzte mit halber Kassenzulassung sollten ihre Prüfzeiten im Blick behalten. Wer zu viel arbeitet, dem drohen Honorarkürzungen.
Immer mehr Ärztinnen und Ärzte arbeiten Teilzeit. Allein die Zahl der Hausärzte mit hälftigem Versorgungsauftrag hat sich von 2010 bis 2019 mehr als verdreifacht. Doch wer nur eine halbe Kassenzulassung hat, sollte nicht wie ein Vollzeitarzt arbeiten. Denn die Kassenärztliche Vereinigung (KV) sieht sich die Prüfzeiten genau an. Was zu viel ist, wird gestrichen.
20 Stunden am Tag sind zu viel
Das musste auch ein Arzt einer Gemeinschaftspraxis erfahren, der 2012 auf die Hälfte seiner ehemals vollen Zulassung verzichtete. Allerdings rechnete er weiterhin Leistungen ab, die eher an eine Vollzeitbeschäftigung heranreichten. Die Leistungen umfassten nach den geltenden Prüfzeiten an mehreren Tagen bis zu 20 Stunden. Er rechnete sogar deutlich mehr als 780 Stunden im Quartal ab. Bei einer Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag gilt für die Überschreitung der Grenzwerte aber ein Tagesprofil von sechs Stunden und ein Quartalsprofil von 390 Stunden. Die KV kürzte das Honorar des Arztes erheblich.
Dagegen wehrte sich der Arzt vergeblich. Das Sozialgericht Marburg wies die Klage als unbegründet ab (21.08.2020, Az. S 12 KA 1/18). Die Urteilsgründe zeigen, worauf Ärzte mit einem halben Versorgungsauftrag achten sollten: Bei einem halben Versorgungsauftrag ist bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden und einer Quartalsarbeitszeit von mehr als 390 Stunden der Grenzwert überschritten. Dass die Kollegen eines überdurchschnittlich abrechnenden Arztes in der Gemeinschaftspraxis unterdurchschnittlich abrechnen, hilft dem Arzt nicht. Es berechtige ihn nicht dazu, über seinen hälftigen Versorgungsauftrag hinausgehende Leistungen zu erbringen, so das Gericht. Denn die Prüfung und Erstellung der Profilzeiten erfolgt arzt- und nicht praxisbezogen.
Hohe Patientenzahlen, besondere Praxisöffnungszeiten oder besondere Strukturen der Praxis konnten die Überschreitung des Tagesprofils nicht rechtfertigen. Die Praxis verfügte zwar über acht Behandlungsräume zur gleichzeitigen Behandlung mehrerer Akupunkturpatienten. Doch die Körperakupunkturleistungen (Nr. 30791 EBM) müssen bei der Prüfung der Zeiten im Tagesprofil mit zehn Minuten (bei einer Kalkulationszeit von 13 Minuten) berücksichtigt werden.
Die KV geht davon aus, dass die Leistungen auch von einem erfahrenen Arzt nicht schneller erbracht werden können. Dem schließt sich die Rechtsprechung an, auch wenn diese Sichtweise seit Jahren auf Kritik stößt.
Das Regelleistungsvolumen (RLV) darf einem Arzt, der die Hälfte seines Versorgungsauftrags zurückgibt, allerdings nicht automatisch halbiert werden. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem besonderen Fall, bei dem die Fallzahlen eines Arztes ohnehin nur ein Drittel des Fachgruppendurchschnitts erreichten. Als er deshalb die Hälfte seines Versorgungsauftrags zurückgab, halbierte die KV das Regelleistungsvolumen – das folglich nur noch ein Sechstel des Fachgruppendurchschnitts betrug. Für den Arzt ein wirtschaftliches Desaster.
Anreiz für Rückgabe schaffen
Das BSG sprang ihm bei (24.10.2018, Az. B 6 KA 28/17 R). Für die Bemessung des RLV sei die volle Fallzahl des Arztes im entsprechenden Quartal des Vorjahres zugrunde zu legen, urteilten die Richter. „Ein Arzt, der den vollen Versorgungsauftrag zuletzt nicht mehr wahrgenommen hat und auch nicht mehr wahrnehmen will oder kann, hat die Möglichkeit, seine rechtliche Teilnahmeverpflichtung durch den Verzicht auf eine Hälfte dieses Versorgungsauftrags den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. In einer solchen Konstellation gibt es keinen Grund, zusammen mit dem Versorgungsauftrag auch das RLV zu halbieren.“ Andernfalls ginge auch der gewollte Anreiz für die Rückgabe halber Versorgungsaufträge verloren.