Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Corona-News

Aktuelle Spekulationen in den Medien verunsichern viele Patienten: Blutdrucksenker könnten anfälliger für Coronavirus-Infektionen machen, so die entsprechenden Schlagzeilen. Das kann für Betroffene gefährlich werden, aber vor allem deshalb, weil sie die Medikamente aus Angst einfach absetzen. Ärzte sollten Patienten, die entsprechende Medikamente nehmen, deshalb darüber informierieren, dass die Befürchtungen nach aktuellem Kenntnisstand unbegründet sind.

Blutdrucksenker bieten Schutz

Tatsächlich gibt es nämlich auch Daten, denen zufolge genau diese Medikamente sogar vor einem Lungenversagen schützen könnten, zum anderen dürfe nicht unterschätzt werden, dass das Absetzen von Blutdrucksenkern zu hohen Gesundheitsrisiken führt. Auch die Deutsche Hochdruckliga (DHL) rät Patientinnen und Patienten zur Besonnenheit. „Die derzeitige Datenlage rechtfertigt kein Absetzen der Medikamente“, so Professor Florian Limbourg, Hannover, Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga.

Zum Hintergrund

Das SARS-CoV2 Virus nutzt zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2. Dieses wird von Zellen der Lunge produziert, wo es auf der Zell-Oberfläche präsentiert wird und als Eintrittspforte für das Virus dienen kann. ACE2 wird aber auch in löslicher Form produziert und schwimmt dann quasi als Köder im Blut, was die Virusinfektion von Zellen deutlich unterdrückt. Mehr ACE2 könnte also positive oder negative Effekte im Rahmen einer Virusinfektion haben.

Wie kommen die Blutdruckmedikamente ins Spiel? ACE2 baut Blutdruckhormone des Renin-Angiotensin-Systems ab, welche von dem verwandten Enzym ACE gebildet werden. Gängige Blutdrucksenker, wie ACE-Hemmer und die so genannten Sartane, blockieren die Blutdruckhormonbildung oder -effekte, was in Studien an Ratten und einer Studie am Menschen zu einer leichten Erhöhung des ACE2 geführt hat.

Überzeugende Daten für schützenden Effekt

Während die Bedeutung für die potentielle Infektanfälligkeit für SARS-CoV2 also völlig unklar ist, gibt es hingegen sehr überzeugende Daten für einen schützenden Effekt durch Blockade des Renin-Angiotensin-Systems bei schwerem Lungenversagen, dem so genannten ARDS („acute respiratory distress syndrome“). So zeigten mehrere Arbeiten, die im hochrenommierten Journal „Nature“ publiziert wurden, sehr klar, dass sowohl eine Erhöhung von ACE2, aber auch die Blockade von ACE, wie sie z. B. durch Blutdrucksenker erreicht wird, den Verlauf des ARDS günstig beeinflussen. Im Rahmen einer Lungenentzündung entwickelt die Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems also vorteilhafte Effekte.

„Der mögliche schädliche Einfluss von Blutdrucksenkern auf Virus-Infektanfälligkeit ist äußerst spekulativ. Hingegen könnten Blutdrucksenker bei schweren Verläufen Leben retten“, erklärt der MHH-Experte. „Der jetzige Kenntnisstand rechtfertigt also keinesfalls, Blutdrucksenker abzusetzen.“

Insbesondere warnt der Experte vor dem Absetzen oder der Reduktion der Dosis ohne vorherige Abstimmung mit dem Arzt. Insbesondere bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten kann es in der Folge zu schweren Erkrankungen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen kommen. „Damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten“.