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Allgemeinmedizin

Das menschliche Immunsystem ist komplex. Nicht weniger als 97 angeborene und erworbene Immunzellpopulationen hat der Exzellenzcluster RESIST (Resolving Infection Susceptibility) für eine aktuelle Arbeit untersucht, die das alternde Immunsystem erforscht hat – ein Hauptansatzpunkt für Bemühungen gegen die erhöhte Krankheitsanfälligkeit und die geringere Impfantwort im Alter. 

Die Forschenden sammelten Daten von 550 älteren Teilnehmern im Alter von 61 bis 94 Jahren und 100 jungen Kontrollpersonen im Alter zwischen 22 und 38 Jahren aus der RESIST-Senior-Individuals-Kohorte. Für eine Immun-Phänotypisierung wurden die Multicolor-Durchflusszytometrie und ein Assay für 48 Plasmazytokine verwendet, um anhand von Blutproben die Anzahl, Art und den Aktivierungszustand der Immunzellen zu analysieren.

Die hochauflösende Analyse der Immunzellen mit 60 verschiedenen Markern für Oberflächenproteine konnte selbst kleinste Subgruppen von Zellpopulationen präzise charakterisieren; die CD4-T-Lymphozyten zum Beispiel ließen sich so in 18 verschiedene Subgruppen unterteilen. Die Zelltypisierung erfolgte anhand dieser Daten mit objektiven, computerbasierten Clustering-Methoden. 

Zusammenhang zwischen HSV-Seropositivität und HbA1c-Wert

Es zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Alter, Geschlecht, Rauchen, Fettleibigkeit und Erkrankungen wie Osteoporose, Herzinsuffizienz und Gicht mit bestimmten Immunsignaturen. 

Besonders auffällig war, dass Menschen mit einer latenten Zytomegalie-Virus-Infektion einen erhöhten Anteil von Gedächtnis-T-Zellen spezifischer Cluster aufwiesen. Unter den jungen Erwachsenen waren 35 Prozent seropositiv für das Zytomegalie-Virus, unter den älteren waren es 58 Prozent. Ähnlich verhielt es sich beim Herpes-simplex-Virus (HSV) mit Positivraten von 41 respektive 85 Prozent. Die Wissenschaftler fanden eine signifikante positive Korrelation zwischen den HbA1c-Spiegeln und der HSV-Seropositivität und verwiesen auf jüngste Bevölkerungsstudien, die von ­einer möglichen Verbindung zwischen einer Typ-2-Infektion mit dem Virus und Prädiabetes berichtet hatten.

Die Plasmakonzentrationen von verschiedenen proinflammatorischen Chemokinen wie CCL27, CXCL9 oder CXCL10 stiegen mit dem Alter an. Dies deutet laut Autoren auf eine Neigung zu einem Zustand niedriggradiger Inflammation hin. Andere, typischerweise mit diesem „Inflammaging“ genannten Phänomen assoziierte Zytokine wie TNF-α, Interferon-g, und IL-17 zeigten in dieser Kohorte aber keine signifikanten Unterschiede zwischen jungen und älteren Personen.

Umfassender Blick nötig

Das integrierte Modell all dieser Daten zeigte eine vielschichtige Signatur des Alterns. Von den verschiedenen genutzten Datensätzen – klinische, laborchemische, zytometrische und Zytokin-Assays – trugen in dem Modell die letzten drei ungefähr gleich viel, jeweils rund 30 Prozent, zu einer Vorhersage des Alters bei. Das unterstreiche den Ansatz, dass deren signifikante altersabhängige Veränderungen verschiedene biologische Aspekte des Alterns einfangen, so die Autoren.

Gene als Alters-Uhr

In einem Big-Data-Ansatz haben Forscher jetzt ein Computermodell namens „Single-Cell Immune Aging Clock“ erstellt, um Alterungsprozesse innerhalb einzelner Immunzellen zu bestimmen.

Quelle:

Riemann L et al. eBioMedicine 2025;112:105558