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Finanzen

Herr Professor Sandschneider, was sind die wesentlichen Verschiebungen in der Geopolitik, die für Unternehmen derzeit eine Rolle spielen?

Eberhard Sandschneider: Wir haben zwei Entwicklungen, die Hand in Hand gehen. Eine ist das durch diverse Ereignisse wie die Anschläge vom 11. September, die globale Finanzkrise oder den Brexit verringerte Selbstbewusstsein des Westens. Die andere Entwicklung ist der Aufstieg Chinas. Hier gelingt es einem autokratisch-kommunistischen System, durch eine sehr pragmatische Vorgehensweise, Wohlstand zu schaffen und erheblichen politischen und militärischen Einfluss zu gewinnen.

Wie ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine in dieser Hinsicht einzuordnen?

Sandschneider: Das Land wendet sich klar vom Westen weg und hin zu China. Das führt zu einer zunehmenden Blockbildung gegen die westlichen Länder. So beteiligen sich 60 Prozent der Weltbevölkerung, also die Mehrheit, nicht an den Sanktionen gegen Russland. Auf Europa kommt dadurch ein massives Problem zu. Denn es ist nicht nur von Energieimporten aus Russland abhängig, sondern auch von Rohstoffimporten aus China. Vor allem aber kommt es durch die Blockbildung zu einer Rückabwicklung der Globalisierung.

Mit welchen Folgen müssen wir rechnen?

Sandschneider: Europa und Deutschland als Exportweltmeister im Besonderen waren Gewinner der Globalisierung. Wenn wir jetzt die Lieferketten wieder lokaler gestalten, dann wird es zu erheblichen Preissteigerungen kommen. Zudem fehlt es an Personal, weshalb wir Wohlstandsverluste erleiden werden.

Wie sehen die Konsequenzen für die Unternehmen aus?

Sandschneider: China verfügt über einen riesigen Binnenmarkt. Technologien oder Produkte, die sich dort als Standard etablieren, haben folglich beste Voraussetzungen, sich auch in anderen Märkten durchzusetzen. Und darauf sind viele Unternehmen in der westlichen Welt nicht vorbereitet. Sie müssen also an ihrer Resilienz, wie hier das Schlagwort heißt, arbeiten. Also der Fähigkeit, sich gegen diese Konkurrenz zu behaupten und sich an neue Gegebenheiten flexibel anpassen.

Was raten Sie Investoren?

Sandschneider: Entscheidend ist es, keinen Home Bias im Portfolio zu haben. Heute ist es wichtiger denn je, global zu diversifizieren. Dabei gehört China in jedes gut gestreute Depot, aber vergessen Sie auch andere kleinere Volkswirtschaften nicht. Sie werden dann zwar nie nur resiliente Firmen in Ihrem Portfolio haben, aber Sie haben eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, dass Sie zumindest einige davon erwischen. Und Investoren sollten wachsam und flexibel bleiben. Aktien kaufen und sich dann schlafen legen, ist heute keine Option mehr.