Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Haften Ärztinnen und Ärzte, wenn sie die elektronische Patientenakte (ePA) eines Patienten nicht von sich aus nach relevanten Befunden durchforsten? Dürfen sie die Befüllung der ePA delegieren? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen derzeit viele Niedergelassene. Zu Recht. Denn seit dem bundesweiten Rollout der ePA kommen zahlreiche, völlig neue Verpflichtungen auf sie zu.

Noch sind nicht alle Rechtsfragen abschließend geklärt. Juristen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer und anderer Organisationen haben verschiedene Sachverhalte diskutiert. ARZT & WIRTSCHAFT fasst für Sie die wichtigsten Rechtsfragen und Antworten zusammen.

Welche Informationspflichten haben Praxen?

Ärztinnen und Ärzte müssen Patienten darüber informieren, welche Daten sie von Gesetzes wegen aus der konkreten Behandlung einstellen. Das betrifft Befundberichte aus invasiven oder chirurgischen, aus nichtinvasiven oder konservativen Maßnahmen, Befundberichte aus bildgebender Diagnostik, Laborbefunde sowie elektronische Arztbriefe. Dokumente aus vorangegangenen Behandlungen können Ärzte einstellen, wenn sie es für notwendig halten. Wenn der Patient dem widerspricht, müssen Ärzte dies nachprüfbar in der Behandlungsdokumentation vermerken. Außerdem gilt:

  • Bei sensiblen Daten, insbesondere bei psychischen Erkrankungen, sexuell übertragbaren Infektionen und Schwangerschaftsabbrüchen, muss der Arzt Patienten auf ihr Recht zum Widerspruch hinweisen.

  • Der Arzt muss den Patienten darüber informieren, dass er Anspruch auf die Befüllung der ePA mit weiteren Daten hat. Voraussetzung ist, dass solche Daten in der konkreten aktuellen Behandlung durch den Arzt erhoben wurden und elektronisch vorliegen.

  • Ändern sich die Notfalldaten, die auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert sind, muss der Arzt den Patienten darüber informieren, dass er diese Daten auch in die ePA übertragen kann.

  • Sind Daten des Medikationsplans in der ePA gespeichert und ändern sich diese, haben Patienten einen Anspruch auf Aktualisierung der Daten in der ePA. Darüber muss der Arzt den Patienten informieren. Die Informationspflicht entfällt, sobald der elektronische Medikationsplan nicht mehr auf der elektronischen Gesundheitskarte, sondern in der ePA gespeichert wird und der Patient einer Speicherung nicht widerspricht. Dies ist ab Mitte Juli 2025 geplant.

Ärztinnen und Ärzte können ihre Informationspflichten durch ein Gespräch mit dem Patienten erfüllen, ein standardisiertes Formular verwenden oder einen Aushang in der Praxis machen.

Ärzte müssen Daten aus der „konkreten aktuellen Behandlung“ in die ePA einstellen. Was ist damit gemeint?

Damit ist die konkrete, aktuelle Behandlung im Rahmen des jeweils stattfindenden Arzttermins gemeint. Das gilt auch für den Fall der erstmaligen Befüllung der ePA eines Patienten. Ältere Daten kann der Arzt in die ePA übertragen, wenn er sie selbst erhoben und elektronisch verarbeitet hat und das Einstellen für die Versorgung des Patienten für erforderlich hält. Außerdem darf der Patient der Einstellung nicht widersprochen haben. Eine Pflicht zur Übertragung älterer Daten besteht nicht.

Welche Dokumentationspflichten haben Ärzte in Bezug auf die ePA?

Widerspricht ein Patient der Einstellung von Daten, die der Arzt von Gesetz wegen einstellen muss (zum Beispiel Befundberichte), muss der Arzt dies in den Behandlungsunterlagen nachprüfbar dokumentieren. Das gilt auch für einen Widerspruch des Patienten gegen die Einstellung von Daten, die Anlass zur Diskriminierung oder Stigmatisierung geben können. Dafür ist der Vermerk ausreichend, dass der Patient sein Widerspruchsrecht ausgeübt hat. Dieser Eintrag hat wie die gesamte Behandlungsdokumentation Indizwirkung.

Will der Patient diese entkräften, muss er nachvollziehbar darlegen, dass er entgegen dem Eintrag nicht widersprochen hat. Bei Daten oder elektronischen Abschriften, die der Arzt auf Verlangen des Patienten in die ePA einstellen soll, muss der Arzt die Einwilligung des Patienten nachprüfbar in der Behandlungsdokumentation protokollieren. Wichtig: Der Arzt ist an sich nicht verpflichtet, in seiner Behandlungsdokumentation aufzuzeichnen, welche Daten er in die ePA übertragen hat. Idealerweise erfolgt aber eine automatische Protokollierung durch das Praxisverwaltungssystem. Damit kann man im Nachhinein nachvollziehen, ob und gegebenenfalls welche Daten eine Praxis eingestellt hat.

Müssen Ärzte objektiv falsche Informationen in der ePA korrigieren?

Eine Korrekturpflicht besteht nur für selbst eingestellte Daten, vor allem dann, wenn das Patientenwohl gefährdet wäre. Daten, die andere Praxen eingestellt haben, müssen nicht korrigiert werden. Das ist technisch auch nicht möglich.

Muss die Praxis konkret nachfragen, ob der Patient eine ePA hat?

Eine ausdrückliche Verpflichtung besteht nicht. Da Praxen aber gesetzlich dazu verpflichtet sind, die ePA zu befüllen, sollten sie natürlich wissen, ob er jeweilige Patient eine ePA besitzt. Im Idealfall zeigt das Praxisverwaltungssystem dies an.

Muss die Praxis Patienten darauf hinweisen, dass das Löschen und Verbergen von Daten negative Folgen für die Behandlung haben kann, weil diese Daten dann unter Umständen anderen Ärzte nicht vorliegen?

Ärzte sind gesetzlich nicht verpflichtet, Patienten auf mögliche negative Folgen hinzuweisen, die das Löschen oder Verbergen von ePA-Inhalten haben kann. Mit Blick auf das Arzthaftungsrecht könne laut KBV aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen gegebenenfalls von einer vertraglichen Nebenpflicht zur Warnung ausgehen könnte. Dies könne aber lediglich Fälle betreffen, in denen der Arzt die Daten selbst eingestellt hat und der Patient die möglichen negativen Folgen seines Handelns offenkundig nicht überblickt.

Muss der Arzt bei jeder Behandlung in die ePA schauen?

Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, ohne konkreten Anlass Einsicht in die ePA zu nehmen. Grundlage der ärztlichen Behandlung bleiben das anamnestische Gespräch und die Behandlungssituation. Ergeben sich daraus Umstände, aus denen nach ärztlicher Sorgfalt ein Einblick in Unterlagen erforderlich wird, muss der Arzt dem nachkommen. Wichtig ist dabei aber nicht das Medium, sondern beispielsweise der Befund an sich. Im Rahmen der Anamnese muss der Patient auf behandlungsrelevante Einträge in der ePA hinweisen, sofern sie ihm bekannt sind. Nimmt der Arzt im Rahmen der Behandlung Einsicht in die ePA, wird er sich die angesehenen Inhalte als Kenntnis zurechnen lassen müssen.

Darf der Arzt oder die Ärztin die Befüllung der ePA delegieren?

Ärzte dürfen Arbeiten delegieren, die sich auf die Übermittlung und Speicherung der Daten in die ePA erstrecken. Sie können auf Personen übertragen werden, die als „berufsmäßige Gehilfen“ oder zur Vorbereitung auf den Beruf in der Arztpraxis beschäftigt sind, also beispielsweise MFA und Auszubildende. Dabei muss dokumentiert werden, wer genau Zugriff auf die ePA hatte. Idealerweise protokolliert dies das Praxisverwaltungssystem automatisch. Ausnahmen bestehen etwa bei der Übermittlung und Speicherung von Ergebnissen genetischer Untersuchungen oder Analysen im Sinne des Gendiagnostikgesetzes. Eine Delegation an dritte Personen außerhalb der Praxis ist nicht vorgesehen.

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