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Geldanlagen
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Wenn es wie geplant läuft, dann bekommt ab dem nächsten Jahr jeder Sechsjährige Monat für Monat zehn Euro zugesteckt. Nicht von den Großeltern oder von der Patentante, sondern von Vater Staat. CDU und SPD wollen mit der sogenannten Frühstartrente Kinder und Jugendliche beizeiten an Themen wie „Geldanlage“ und „Kapitalmarkt“ heranführen. Zu diesem Zweck soll es von sechs bis 18 pro Monat zehn Euro für ein Konto geben, das später der Altersvorsorge dient.

„Die Absicht ist für sich genommen lobenswert, aber nach dem jetzigen Stand viel zu mutlos. Vor allem wenn ab dem 18. Lebensjahr über die staatliche Förderprämie hinaus kein weiteres Geld in das Konto fließt und dann auch noch die Anlage in einer Versicherung erfolgt“, erklärt Michael Craatz, Senior-Mandantenbetreuer bei der Vermögensverwaltung Hansen & Heinrich in Frankfurt am Main. Dann kommt selbst bei einem kostengünstigen Produkt, das haben Versicherungsmathematiker schon mal nachgerechnet, eine inflationsbereinigte Monatsrente von etwas mehr als 26 Euro heraus. Bei einem teuren Produkt sind es unter Umständen nur etwas mehr als sieben Euro Rente.

Klassische Banken entdecken Kinder als Kunden

Eltern oder Großeltern sollten daher gar nicht erst auf die Frühstartrente warten, sondern die Sache schon mal selbst in die Hand nehmen. Gerade Großeltern stecken Enkeln gern ab und an ein paar Euro zu. Früher landete das Geld im Sparschwein, wenn es denn nicht gleich in den neuen Lego-Bausatz investiert wurde. Heute gibt es dafür Wertpapierkonten, die auf Junioren zugeschnitten sind. Gerade im Windschatten der Diskussion über die Frühstartrente rüsten sich wendige Fintechs, aber auch klassische Finanzanbieter wie Banken und Sparkassen mit Angeboten für den Nachwuchs. So hat im Mai dieses Jahres der Neobroker Trade Republic ein Kinderdepot gestartet. Scalable Capital plant dergleichen auch und hat schon mal eine Warteliste für Interessenten eingerichtet.

„Sparkonten für Kinder gab es früher auch schon, doch die Kinderkonten 2.0 gehen weiter. Statt auf einen mickrigen Einlagenzins zu setzen, eröffnen sie für Kinder und Jugendliche den Zugang zur Welt der Wertpapiere“, beschreibt Vermögensexperte Craatz die Vorteile solcher Depots. „Eltern sollten damit frühzeitig starten, um vom Zinseszinseffekt zu profitieren.“ Doch beim Einrichten dieser Depots gelten einige Besonderheiten. Immerhin handelt es sich dabei um minderjährige Kontoinhaber. Das Konto gehört zwar dem sechsjährigen Junior und läuft auch auf dessen Namen, es wird aber von den Eltern als gesetzliche Vertreter eingerichtet und treuhänderisch verwaltet.

Da im Regelfall beide das Sorgerecht ausüben, müssen beide Eltern das Konto eröffnen. Wollen die Großeltern ihren Enkeln etwas Gutes tun, können sie allenfalls ein solches Kinderkonto ins Gespräch bringen. Beim Abschluss müssen die Eltern dann aber mitziehen, weil es auf deren Unterschrift ankommt. Großeltern oder andere Verwandte dürfen anschließend zwar einzahlen, die Verwaltung bleibt aber in den Händen der Sorgeberechtigten.

Was passiert mit dem Kinderkonto im Fall einer Scheidung?

Einige Sonderfälle bei der Kontoeröffnung gibt es auch: Hat einer der Elternteile zum Beispiel nach einer Scheidung das alleinige Sorgerecht, so muss dies durch eine entsprechende Bescheinigung nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt bei einer Vormundschaft, da wollen die Banken den Gerichtsbeschluss sehen.

Vor dem Start sollten sich alle Beteiligte über die Anlagestrategie einig werden. Sie hängt davon ab, mit welchem Ziel gespart wird. Ist das Geld für den Führerschein gedacht? Soll es eine finanzielle Grundlage für die Ausbildung sein oder Startkapital für eine Familiengründung? Auch die Altersvorsorge kann, so wie es sich die Politik mit der Frühstartrente vorstellt, der Plan sein. Je weiter das Ziel in der Ferne liegt und je jünger das Kind ist, desto höher darf die Aktienquote ausfallen. Schließlich bleibt das Geld dann über Jahrzehnte im Depot und ein zwischenzeitlicher Kurseinbruch ohne große Wirkung auf lange Sicht.

ETFs für den Junior

„Grundsätzlich empfiehlt sich zur Altersvorsorge ein möglichst breit gestreuter, physisch abgebildeter ETF beziehungsweise eine Kombination aus mehreren“, schlägt Lena Lochner, Portfoliomanagerin bei der Bayerische Vermögen Management AG in Bad Reichenhall, vor. Das sei für Kinder allerdings noch wenig greifbar. „Diese Investitionsentscheidung sollten also die Eltern treffen“, so Lena Lochner. ETF sind kostengünstig und setzen auf ein großes Spektrum einzelner Aktien, im besten Fall weltweit.

Die nächste Entscheidung: Fließt nur gelegentlich Geld in die Kapitalanlage, zum Beispiel der Obolus von Opa zum Geburtstag, oder lieber gleich mit einem Sparplan die Anlage verstetigen? Die Sparraten dürfen am Anfang auch klein sein. Sparpläne gibt es mittlerweile schon ab wenigen Euro monatlich. „Bereits mit geschenkten monatlichen Sparbeiträgen von nur 30 bis 50 Euro kommt so über die Jahre genug Geld zusammen, um erste größere Anschaffungen wie das erste Auto oder das Studium mitzufinanzieren“, sagt Michael Craatz. Wichtig dabei: Mit dem Nachwuchs darüber reden, ihn mitentscheiden lassen, auch wenn das vielleicht am Anfang längere Erklärungen erfordert.

Von der Steuer bleiben die Kinderdepots weitgehend verschont. Jedes Kind hat einen eigenen Einkommensteuer-Grundfreibetrag. 2026 liegt dieser bei 12.348 Euro. Da in der Regel keine weiteren Einkünfte vorliegen, besteht für eventuelle Erträge eine Menge Spielraum. Hinzu kommt außerdem noch der Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 Euro pro Jahr. Die Eltern sollten eine Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) beim Finanzamt beantragen, da die Erträge großer Wahrscheinlichkeit nach unterhalb der Freibeträge liegen. Dann werden potenzielle Abgeltungssteuern erst gar nicht abgeführt.

Mit der Volljährigkeit, also ab 18 Jahren, geht die Verfügungsgewalt auf Tochter beziehungsweise Sohn über. Die Eltern sind dann raus. Das weckt mitunter Bedenken, ob der Nachwuchs das Geld nicht gleich mit vollen Händen ausgibt. Wahrscheinlich ist diese Sorge in den meisten Fällen unbegründet. Wer von Klein auf mit dem Sparen vertraut ist und als Teenie  schon eine Menge über Aktien & Co. gelernt hat, der wird viel Lust haben, Kapitalanleger zu bleiben.

Checkliste: In fünf Schritten zum Anleger

  • Schritt1: Sparziel festlegen – wofür ist das Geld geplant? Anlagestrategie auswählen – welche ETF oder Fonds passen? Budget planen – soll es einen Sparplan geben?

  • Schritt 2: Anbieter und Konto auswählen – Vergleich zu Kosten, ETF- und Fondsauswahl, Mindestbetrag bei Sparplänen, Bedienerfreundlichkeit.

  • Schritt 3: Depoteröffnung – erforderlich sind: Geburtsurkunde oder Kinderpass sowie die Ausweise der Eltern, Steueridentifikationsnummer des Kindes (wird bei Geburt automatisch zugeschickt) und der Eltern, Nachweis der Sorgeberechtigung, falls die Eltern getrennt leben oder nur ein Elternteil sorgeberechtigt ist, Referenzkonto für Ein- und Auszahlungen.

  • Schritt 4: Einzahlungsstart - nach Depoteröffnung Sparplan einrichten (wenn gewollt) und den ausgewählten Ziel-ETF oder -Fonds anwählen.

  • Schritt 5: Anlagen pflegen - Entwicklung beobachten und mit dem Nachwuchs drüber reden; Schenkungen, zum Beispiel von den Großeltern, dokumentieren.

Direktbank oder Fintech – beispielhafte Auswahl einiger Anbieter

Interview: Bereits mit dem Kaufladen lernen Kinder einiges über Geld

Gespräch mit Lena Lochner, Portfoliomanagerin bei der Bayerische Vermögen Management AG in Bad Reichenhall.

Mal Hand aufs Herz: Können Eltern einem Sechsjährigen schon erklären, warum er das Geld von der Oma in ein Wertpapierdepot stecken soll?

Lena Lochner: Dass sich Sparen lohnt, kann man auch Kindern im Kindergartenalter schon vermitteln. Beim Süßigkeiten-Experiment zum Beispiel erhält das Kind eine Portion seiner Lieblingssüßigkeit, mit dem Versprechen, dass es, wenn es mit dem Verzehr wartet, kurze Zeit später eine weitere Portion bekommt. Natürlich ist das nur eine Analogie, aber das Kind lernt: ‚Wenn ich mir etwas aufspare, wird es später mehr.‘

Eltern sollten also versuchen, dieses Prinzip so altersgerecht wie möglich zu transportieren. Einem Sechsjährigen oder Zehnjährigen darf man da vermutlich schon mehr Komplexität zumuten. Die Urlaubsreise der Großeltern kann als Anschauungsbeispiel dienen, dass es sich lohnt, nicht alles sofort auszugeben, sondern auch für das Alter vorzusorgen, damit man es auch da noch schön hat. Dass die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge für die heranwachsende Generation von viel existenziellerer Natur ist, als auf eine Urlaubsreise zu sparen, sollten Eltern ihrem Nachwuchs dann zu einem späteren Zeitpunkt aber auch noch aufzeigen.

Wichtig ist nur, dass das Kind das Sparen nicht als etwas Negatives erlebt, weil es zum Beispiel ständig auf seine Spielzeugwünsche zugunsten des Aktiendepots verzichten muss. Eine Kombination aus etwas Greifbarem, Altersgerechtem und einer - idealerweise regelmäßigen - Summe X fürs Depot macht daher am meisten Sinn.

Wie viel Mitwirkung der Kinder bei der Auswahl der konkreten Kapitalanlage ist sinnvoll? Nur die wenigsten werden verstehen, was ein ETF ist.

Lochner: Grundsätzlich empfiehlt sich zur Altersvorsorge ein möglichst breit gestreuter, physisch abgebildeter ETF beziehungsweise eine erlesene Kombination aus einigen verschiedenen. Das ist für Kinder noch wenig greifbar. Diese Investitionsentscheidung sollten also die Eltern treffen. Um das Kind für das Depot zu begeistern, kann man aber zu Weihnachten oder zum Geburtstag durchaus eine Aktie vom Lieblingsturnschuh-Hersteller, Getränke- oder Süßigkeitenproduzenten mitschenken, um das Thema zu veranschaulichen.

Wann sollte das Thema „Geld“ in der Erziehung von Kindern eine Rolle spielen? Lassen sich komplizierte Themen wie Börse und Aktie auf einer Ebene vermitteln, dass Sechs- bis Zehnjährige sie verstehen?

Lochner: Kinder lernen bereits mit dem eigenen Kaufladen und der ersten Spielzeugkasse das Prinzip Ware gegen Bezahlung. Am Thema Geld kommt man also ohnehin nicht vorbei. Früher oder später werden sie auch den vernünftigen Umgang damit lernen müssen. Themen wie Börse oder Aktien lebt man als Eltern oder Großeltern am besten selbst vor. So haben die Kinder die Möglichkeit, ohne Zwang langsam hineinzuwachsen.

Was finden Sie mehr wert: dass zum 18. Lebensjahr mit vielleicht 1.000 oder 2.000 Euro aus den kleinen Einzahlungen ein niedriger finanzieller Grundstock entstanden ist oder dass Teenies schon mal am eigenen Depot erlebt haben, wie Aktien mit ihrem Auf und Ab funktionieren?

Lochner: Ich kann Eltern und Großeltern nur ermutigen, hierbei wenn irgendwie möglich ambitionierter vorzugehen. Mit 50 Euro monatlich, beispielsweise aus dem Kindergeld, lässt sich bis zum 18. Geburtstag - 12 Jahre, also von 6 bis 18, monatlich 50 Euro, angenommene jährliche Verzinsung 7 Prozent, macht ca. 11.000 Euro - mithilfe des Zinseszinseffektes ein guter Zuschuss fürs Studium oder eine andere hochqualifizierte Ausbildung erwirtschaften. Ab dem ersten eigenen Einkommen kann das Kind dann zusätzlich selbst weiter sparen. Wenn also mehrere Familienmitglieder zusammenlegen und konsequent in Aktien ansparen, ist bis zum Rentenalter des Kindes sogar ein Millionenbetrag möglich. Das Auf und Ab an den Börsen lernen die Kinder damit nebenbei kennen, aber eben auch, dass man die meisten Krisen einfach aussitzen kann und muss.

Die Bundesregierung hat in der jüngsten Koalitionsrunde ihren Willen bekräftigt, 2026 die Frühstartrente einzuführen. Was halten Sie davon? Zehn Euro im Monat sind ja nicht so viel.

Lochner: Dieser Schritt ist aus Sicht der jungen Generation absolut richtig. Der Betrag spielt dabei zunächst eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist es, junge Familien auf die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge auch schon für die Kleinsten aufmerksam zu machen. Die zehn Euro sind dafür ein guter Einstieg und Anreiz, zusätzlich auch eigenverantwortlich etwas zu unternehmen. Die Erwartungshaltung, dass der Staat meine Altersversorgung - jetzt Mitte 30 - und die meiner Kinder vollumfänglich regelt, ist meiner Einschätzung nach nicht mehr tragbar und kann später zu extremer Altersarmut führen.

Wenn die Frühstartrente, was sehr sinnvoll wäre, mit Angeboten zur Finanzbildung gekoppelt würde, wer sollte das übernehmen?

Lochner: Finanzbildung lässt sich meiner Einschätzung nach relativ einfach in den Lehrplan in der Schule integrieren. Dabei kommt es nicht darauf an, dass Kinder jedes komplexe Finanzinstrument bis ins Detail verstehen, sondern lediglich die Grundprinzipien des Marktes kennenlernen und die Notwendigkeit und gängigen Mittel zur Altersvorsorge begreifen. Aber auch hier liegt die Verantwortung nicht allein bei den Schulen oder anderen staatlichen Einrichtungen, sondern eben auch bei uns jungen Eltern oder den Großeltern.

Kleine Beträge, große Wirkung

Die Beträge scheinen auf den ersten Blick klein: 20 Euro für die Hilfe im Garten der Großeltern, einmal im Jahr 50 Euro zum Geburtstag von der Patentante, 6,50 Euro überlassenes Pfandgeld, 15 Euro, die vom Taschengeld auf der Klassenfahrt übriggeblieben sind, vielleicht 25 Euro monatlich, die vom Kindergeld fürs langfristige Sparen abgezweigt werden. Damit wird am Ende keiner reich. Oder doch? Bei Kinderkonten wirken zwei entscheidende Faktoren zusammen: zum einen die sehr lange Laufzeit, die wegen des frühen Einstiegsalters möglich ist, und zum anderen der Zinseszinseffekt, der bei Wiederanlage der erzielten Erträge entsteht. Voraussetzung dafür: Das Konto wird nach dem 18. Geburtstag noch einige Jahrzehnte weitergeführt.

Die Behauptung, dass mit frühem Sparbeginn der Grundstein für eine Million gelegt werden kann, ist also keine reißerische Headline, wie die folgende Berechnung zur Wirkung des Zinseszinseffektes zeigt. Ein Anleger, der 60 Jahre lang monatlich knapp 60 Euro in eine Anlage investiert, die mit acht Prozent verzinst ist (das entspricht in etwa der langfristigen Durchschnittsrendite, die bei Reinvestition der Dividenden mit einem global anlegenden ETF wie zum Beispiel dem MSCI World erreicht werden konnte) kam auf ein Endkapital von rund einer 1.000.000 Euro.

Quelle:

V-Bank

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