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Geldanlagen

 „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind“, empfiehlt der amerikanische Börsenguru Warren Buffet. Aber wie so viele Weisheiten klingt das deutlich einfacher, als es dann wirklich auch in die Tat umzusetzen. „Starke Kursschwankungen an den Börsen führen dazu, dass sich Anleger häufig irrational verhalten“, weiß Rainer Laborenz, Geschäftsführer bei der Offenburger azemos Vermögensmanagement GmbH. Wir kaufen Aktien in Euphorie viel zu teuer, statt Gewinne mitzunehmen und verkaufen nach einem Kurssturz in höchster Panik, obwohl es vernünftig wäre, jetzt verstärkt zu investieren. Sind wir als Menschen einfach zu emotional für die Börse?

Investieren statt spekulieren

Nein, aber dazu müssen sich gerade Neulinge bewusst machen, dass weder Gier noch Angst gute Ratgeber sind, und investieren an der Börse kein Casinobesuch sein sollte. „Wer einmal verstanden hat, dass eine Aktie kein abstraktes Zockerpapier ist, sondern – vergleichbar dem Grundbuchauszug bei einer Immobilie – ein verbrieftes Miteigentum an einem Unternehmen“, erklärt Börsenprofi Laborenz, „der verliert in der Regel schon einen Teil seiner Emotionalität.“ Nicht auf kurzfristige Gewinne zu spekulieren, sondern einen langfristigen Anlagehorizont zu haben, das ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Aktieninvestments. Egal, wann jemand in den letzten 50 Jahren in den deutschen Standardwerteindex DAX investiert hätte, nach spätestens 15 Jahren stand unterm Strich ein ordentliches Plus. Laut einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts (DAI) lag die durchschnittliche Rendite im schlechtesten Fall bei 2,3 Prozent. Im besten Fall warf das Kapital 15,4 Prozent ab – wohlgemerkt pro Jahr. Die Angst vor kurzfristigen Schwankungen sollten Anleger möglichst verdrängen: „Dazu braucht es die Erkenntnis, dass der Börsenkurs zwischenzeitlich häufig nicht viel mit dem tatsächlichen Wert eines Unternehmens zu tun hat“, stellt der Offenburger Vermögensverwalter fest. Aber wie bewahren Anleger einen kühlen Kopf?

Vernünftige Strategien umsetzen

Dabei helfen kann natürlich gerade bei den ersten Schritten auf dem Börsenparkett fachkundige Beratung, die es zum Teil schon für kleines Geld im Internet durch sogenannte Robo Advisor gibt (s. Interview auf der nächsten Seite). Wer Geld vernünftig anlegen möchte, kann das aber auch auf eigene Faust machen, ohne sich von Emotionen beeinflussen zu lassen, wenn er die richtigen Mittel wählt. „Anfangs sollte sich jeder eine klare Strategie zurecht legen, die Vorrang vor Panik oder Gier haben muss“, sagt Claus Walter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement GmbH.

Schon beim Aufbau eines Depots achten Profis darauf, Klumpenrisiken und damit allzu starke nervenzehrende Schwankungen langfristig zu vermeiden: Sie setzen dazu auf möglichst unabhängige Branchen, Regionen und Währungsräume, statt etwa nur auf deutsche Autowerte. Ein probates Mittel zur Umsetzung einer solchen Strategie auch mit beschränktem Vermögen sind Fonds oder ETFs. „Neulinge können zum Beispiel mit einem Sparplan starten, bei dem jeden Monat eine festgelegte Summe angelegt wird“, rät Anlagefachmann Walter. Das hat den Vorteil, dass bei hohen Preisen weniger Anteile gekauft werden, bei niedrigen Preisen mehr. Experten sprechen hier vom Coste Average Effekt. Die Angst, den richtigen Moment zu verpassen, wird so ganz automatisch ausgeschaltet, Vermögen langfristig aufgebaut und quasi emotionslos investiert, ohne sich vom Auf und Ab verrückt machen zu lassen.

Hype und gefallene Engel erkennen: Das sind die goldenen Regeln

Geschäftsmodelle verstehen: Erschließt sich Anlegern nicht, wie ein Unternehmen in den nächsten Jahren konkret positive Zahlen schreiben will, sollten sie besser die Finger davon lassen. Besser eine Chance verpassen, als das Risiko eines Totalverlustes einzugehen.

Kennzahlen kennen: Man sollte die wichtigsten Standardbewertungskriterien kennen, wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Liegt beispielsweise das KGV für eine Aktie weit über oder unter dem Durchschnitt, sollte es dafür einen nachvollziehbaren Grund geben. Unerklärbar hohe KGVs sind zum Beispiel bei einem Börsenhype häufig. Eigentlich zu gute Werte sind ein Hinweis auf unterbewertete Unternehmen.

Analysen analysieren: Die für normale Anleger zugänglichen Bewertungen von Unternehmen durch Experten von Banken sind alles andere als frei von Interessen und sollten kein alleiniges Entscheidungskriterium sein. Prognosen etwa bei Kennzahlen, beispielsweise erwartete Gewinnsteigerungen, dürfen nicht ohne den gesunden Menschenverstand für bare Münze genommen werden.

Typische Psychofallen vermeiden

 Angst: „Alles zu unsicher“: An der Börse schwanken die Kurse und auf einem Sparbuch wird das Geld optisch nie weniger. Wer sich den realen Wert, also die Kaufkraft ansieht, fuhr in der Vergangenheit aber langfristig quasi immer mit Aktien und Co. besser.

Gier: „Die steigt noch“: Geht eine Aktie durch die Decke, wird fast jeder gierig, ohne an das unvermeidliche Ende des Höhenflugs zu denken. Dabei kann durch nachgezogene Stopp-Loss-Limits das momentane Kursniveau weitgehend gesichert werden.

Verdrängung: „Die kommt wieder“: Probleme totzuschweigen ist auch für Börseninvestoren normal. Aber eine Aktie, die um 50 Prozent fällt, muss zum Verlustausgleich von diesem Kurs wieder um 100 Prozent steigen. Deswegen setzen sich Profis schon beim Kauf eine Grenze, bei der sie Papiere wieder abstoßen.

Herdentrieb: „Da muss man dabei sein“:  Geht es steil bergauf am Markt, locken solche Trends nicht selten Anleger, die sich sonst kaum an die Börse wagen. Aber zu kaufen, wenn alle kaufen, ist meist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Anlageexperten raten stattdessen langfristig, strategisch zu investieren.