Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Eine Bevölkerung, die immer länger lebt, ist natürlich eine gute Nachricht, bedeutet aber auch große Herausforderungen für das Gesundheitssystem. Hausärzte und Hausärztinnen sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig, sind sie doch in vielen Fällen die erste Anlaufstelle für Patienten. Eine neue Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat nun untersucht, wie sich die Bevölkerungsstruktur in Deutschland auf die Zahl der niedergelassenen Mediziner auswirkt.

Zusammenhang mit Bevölkerungsstruktur

Für ihre Studie haben Michael Kuhn (Institut für Demographie der ÖAW) und Carsten Ochsen (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, Universität Rostock) die Zahl der Hausärzte, also der niedergelassenen Allgemeinmediziner/innnen auf Kreisebene in ganz Deutschland in den Jahren 1995 bis 2009 untersucht und der Bevölkerungsstruktur gegenübergestellt. Eines der Ergebnisse: In der Stadt geht ein hoher Anteil an Menschen im Alter von mehr als 60 Jahren mit einer höheren Hausarztdichte einher, auf dem Land ist – und das war für die Forscher neu – das Gegenteil der Fall.

„Ältere haben klarerweise einen höheren Bedarf an medizinischen Leistungen. Für Ärzt/innen müsste sich das also eigentlich positiv darstellen. Unsere Studie zeigt aber, dass dies nur eingeschränkt gilt“, sagt ÖAW-Demograph Kuhn. Vor allem in der Stadt ist der Zusammenhang zwischen der Zahl der niedergelassenen Allgemeinmediziner/innen direkt proportional zur Bevölkerung, am Land aber nicht.

Als wesentlich erwies sich dort die Zahl der Patient/innen mittleren Alters, d.h. der 20- bis 59-Jährigen. Ist diese hoch, so ist auch in ländlichen Gebieten die Hausarztdichte größer. Auch die erwartete Veränderung der Patientenzahl wirkt sich positiv auf die Ärztedichte aus. „Das legt den Schluss nahe, dass sich Hausärzt/innen vor allem dort niederlassen, wo sie eine langfristige Zukunft sehen“, sagt Kuhn. In Regionen mit starker Abwanderung sei dies natürlich viel weniger der Fall als in Landkreisen mit stabiler Bevölkerungsstruktur, etwa in wirtschaftsstarken oder zentralen Regionen.

Unterschiedliche Profitabilität

Auch die Vergütung spielt für das Verhältnis Bewohner/innen zu Hausärzt/innen eine entscheidende Rolle, wie die Forscher mit einem ökonomisch-theoretischen Modell basierend auf ihren Schätzergebnissen errechnet haben. Demzufolge variiert die finanzielle Attraktivität der Behandlung älterer Patient/innen deutlich mit dem Grad der Ländlichkeit.

So ist im städtischen Raum das Erbringen von Behandlungen für die Bevölkerungsgruppe 60+ für Ärzt/innen durchschnittlich um 89,6 Prozent lukrativer als für 20- bis 59-Jährige. Die Behandlung älterer Patienten (60+) am Land hingegen bringt vergleichsweise weniger ein als die Behandlung jüngerer (20-59J.), und zwar um 10,3 Prozent – ein enormer Unterschied zwischen Stadt und Land.

Große Distanzen, lange Wegzeiten, eine ungleiche Verteilung der einkommensstärkeren Bevölkerung mit privater Krankenversicherung sowie die geringe Zahl der Ordinationen im ländlichen Raum sind nur einige der Gründe für diese Diskrepanz, interpretieren die Forscher. Sie betonen, dass sich die Ergebnisse angesichts ähnlich gelagerter Rahmenbedingungen grosso modo auch auf Österreich übertragen lassen.

Landarzt-Beruf attraktiver machen

„Von 1997 bis 2008 hätte die Allgemeinarztdichte auf Grund der Alterung eigentlich zwischen drei und sieben Prozent steigen müssen. Die Tatsache, dass sie gesunken ist, spiegelt die gesunkene Attraktivität des Berufs speziell in ländlichen Regionen“, bilanziert Kuhn. Das durchschnittliche Einkommen von Hausärzt/innen sei in den letzten Jahren zwar gewachsen, „aber bei weitem nicht so stark wie jenes von Mediziner/innen im klinischen Bereich oder von Fachärzt/innen“.

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern bedürfe es also finanzieller Anreize wie höherer Einkommen oder Prämien für die Ansiedlung von Hausärzten/innen im ländlichen Raum. Nicht zuletzt, und das belegt die Studie eindeutig, brauche es auch Strategien gegen Landflucht für die gesamte Gesellschaft, sodass sowohl Bevölkerung wie auch Ärzteschaft eine Zukunft in diesen Regionen sehen.