Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Herr Albrech, Sie sagen: Aktien sind auf Dauer die ertragreichste Anlageklasse und damit der beste langfristige Schutz gegen Inflation. Was macht Sie zuversichtlich, dass dies so bleiben wird?

Stephan Albrech: Die Börsengeschichte! Durch alle Hochs und Tiefs der vergangenen 100 Jahre haben sich Aktien teils unter hohen Schwankungen als die rentabelste Anlageklasse erwiesen – und damit als der beste Schutz gegen Geldentwertung. Ich sehe keinen Grund, warum sich dies ändern sollte. Der inzwischen fast 100-jährige Charlie Munger, wichtigster Partner des Starinvestors Warren Buffett, brachte es so auf den Punkt: „Ich erinnere mich an den Hamburger für fünf Cents und den Mindestlohn von 40 Cents pro Stunde. Ich habe also in meinem Leben eine enorme Inflation erlebt. Hat sie das Investitionsklima ruiniert? Ich glaube nicht.“

Man konnte zuletzt in Finanzmedien lesen, wie man als Anleger der Inflation kurzfristig Paroli bieten kann. Die Tipps reichten von Gold über inflationsgeschützte Anleihen bis hin zu Rohstoffen und Immobilien. Helfen diese Anlageklassen tatsächlich gegen Inflation?

Stephan Albrech: Wir haben da unsere Zweifel. Natürlich können all diese Assets ihren berechtigten Platz in einem Portfolio haben. Aber als kurzfristige Inflations-Bekämpfer taugen die meisten dieser Assets nicht.

Warum?

Stephan Albrech: Nehmen wir Gold. Es ist unstrittig, dass das Edelmetall wegen seiner Knappheit auf lange Sicht die Kaufkraft erhält. Mit unerwarteter hoher Inflation kommt es aber schlechter zurecht. Das liegt an den Zinsen, die angehoben werden, wenn die Inflation zu sehr gestiegen ist. Dadurch wird Gold unattraktiver, denn dafür gibt es gar keine Verzinsung. So auch diesmal: Seit Anfang 2022 hat das Edelmetall in Dollar zehn Prozent verloren, Aktien von Goldminen sogar 20 bis 30 Prozent.

Inflationsgeschützte Anleihen versprechen, den Kaufkraftverlust auszugleichen…

Stephan Albrech: Diese Untergruppe der Staatsanleihen, auch TIPs genannt, wurde sogar eigens erfunden, um gegen Inflation zu schützen. Dazu steigen die Zins- und Tilgungszahlungen analog zur Inflationsrate, sodass sie tatsächlich vor Geldentwertung schützen. Aber das heißt nicht, dass Anleger mit ihnen kein Geld verlieren können! Verantwortlich dafür ist auch hier der Zinsanstieg. Denn TIPS sind Anleihen mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Damit sinkt ihr Kurs spürbar, wenn die Anleiherenditen wegen des Zinsanstiegs klettern.

Aber Rohstoffe sind doch bestimmt ein sicherer Hafen gegen die Inflation?

Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung AG Köln

Stephan Albrech, Vermögensverwaltung Albrech & Cie. in Köln

Stephan Albrech: Das kommt auf die Rohstoffe an. In diesem Jahr zogen die Agrarrohstoffe kaum nach oben, die Industriemetalle verbuchen in Dollar bislang sogar ein Minus von 18 Prozent. Klar vorne liegen nur die Energierohstoffe mit knapp 40 Prozent, wobei es zwischenzeitlich größere Schwankungen als bei Aktien geben kann. Insofern schützten Energieaktien dieses Mal kurzfristig gut vor der Inflation. Mitte der 1970er-Jahre aber kamen Titel wie Chevron ebenfalls unter Druck.

Und wie sieht es mit Immobilien aus?

Stephan Albrech: Betongold gilt als inflationsresistent, und Untersuchungen über längere Zeiträume bestätigen das. Doch ebenso wie bei Aktien hängt der Preis einer Immobilie davon ab, was andere dafür zahlen wollen. Steigen die Zinsen und damit die Finanzierungskosten abrupt an, kann dies die Nachfrage abschwächen, was man in den Banken bereits beobachtet. Von daher können Immobilien auf kurze Frist Verluste verbuchen, auch wenn Anleger mit eigener Mietimmobilie noch nichts davon spüren. ETFs auf globale Immobilien aber haben in diesem Jahr um die 20 Prozent eingebüßt.

Gibt es denn keine Bereiche, die kurzfristig vor unerwarteter Inflation schützen?

Stephan Albrech: Doch! Interessanterweise sind dies Segmente des Aktienmarkts, die auch in Zeiten ohne starke Inflation manierlich laufen. Die Sektoren Gesundheit, Basiskonsumgüter und Energieversorger verbuchen in diesem Jahr bislang Zuwächse zwischen 10 und 15 Prozent. Vermutlich liegt dies daran, dass sie höhere Kosten gut auf die Verbraucher überwälzen können.

Autor: Jürgen Lutz