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Finanzen

Bei Inflation schaden Anleihen statt zu helfen

In einer inflationären Situation, wie wir sie derzeit erleben, bieten Staatsanleihen als Gegengewicht bei Aktieneinbrüchen keinen Puffer mehr. Sie werden vielmehr selbst zum Verlusttreiber, wie sich seit dem Jahreswechsel zeigt: „Nicht nur die weltweiten Aktienmärkte haben Verluste von bis zu 20 Prozent verbucht, so etwa der DAX. Auch der Global Government Bond-Index verlor bis zu acht Prozent, weil die Anleihezinsen gestiegen sind“, sagt Claus Walter von Freiburger Vermögensmanagement. Gold erzielte zwar Zugewinne von bis zu zehn Prozent. Aber: „Wegen seines zu Recht oft geringen Anteils von maximal zehn Prozent dürfte dies kein Depot vor den roten Zahlen bewahrt haben“, so der Vermögensprofi.

S&P identifiziert drei Gewinner-Branchen

Für findige Anleger stellt sich damit eine interessante Frage: Gibt es eventuell Sektoren am Aktienmarkt, die relativ gut durch solche und andere Finanz- und Wirtschaftskrisen gekommen sind? Dieser Frage ist der Indexanbieter S&P Global, der 1957 den inzwischen weltweit renommierten S&P 500-Index aufgelegt hat, nachgegangen. Die handfeste Überraschung: Es gibt weltweit drei Sektoren, die in Krisen deutlich besser abgeschnitten haben als der breite Markt, gemessen am S&P Global Broad Market Index. Noch mehr: In den vier Bärenmärkten mit Verlusten von mehr als 20 Prozent seit den 1990er-Jahren haben diese Sektoren sämtlich positive Ergebnisse erzielt und oftmals sogar zwischen 10 und 60 Prozent zugelegt. Der globale Marktindex von S&P mit 14.600 Aktien verlor indes zwischen 22 und 59 Prozent (siehe Grafik).

Defensive Sektoren gewinnen dank „unelastischer Nachfrage“

„Branchen, die sich den massiven Abwärtstrends an den Aktienmärkten erfolgreich widersetzen, verfügen über Geschäftsmodelle, die sich auch in wirtschaftlichen Krisen bewähren, weil die Menschen diese Produkte oder Dienstleistungen auch in solchen Phasen brauchen oder dann sogar verstärkt nachfragen“, erklärt Daniel Kolb von Heidelberger Vermögen. In der Tat handelt es sich bei diesen Teflon-Branchen um drei als defensiv bekannte Sektoren: Basiskonsumgüter (Consumer Staples), Gesundheit (Health Care) sowie Versorger (Utilities). „Die Menschen benötigen Nahrungsmittel, Hygieneprodukte und Getränke auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, ebenso Arzneien und bestimmte medizinische Dienstleistungen. Die Nachfrage nach Strom, Gas und Wasser wird in diesen Phasen ebenso kaum zurückgehen, weil sie relativ unelastisch ist“, so Vermögensprofi Kolb.

Risikobereinigte Renditen höher als am breiten Markt

Die Stärke der defensiven Aktien kann sich durchaus sehen lassen: Nach Angaben von S&P Global legten diese Sektoren in den vier Bärenmärkten im Durchschnitt 26 Prozent (Consumer), 16 Prozent (Health Care) und 15 Prozent (Utilities) zu. Als 2000 der Internet-Hype platzte, schoss der Index der Consumer Staples in den nächsten zweieinhalb Jahren sogar über 60 Prozent nach oben, während der Markt um 46 Prozent einbrach. Willkommener Nebeneffekt: Durch die geringeren Verluste haben diese Sektoren von 1995 bis 2020 (einschließlich Corona-Einbruch) höhere Jahresrenditen als der breite Markt erzielt. Laut S&P betragen die annualisierten Renditen für Basiskonsumgüter 14,4 Prozent, für Gesundheit 13,8 Prozent und für Versorger 11,3 Prozent. Der breite Markt indes brachte es „lediglich“ auf 10,1 Prozent. Damit sind die risikobereinigten Renditen dieser drei Sektoren über 25 Jahre spürbar höher als jene für den Gesamtindex.

Kluger Mix von Offensive und Defensive gefragt

Für Claus Walter zeigt sich hier eines der Grundprinzipien der erfolgreichen Geldanlage: „Wer die Verluste in Krisenzeiten möglichst klein hält, kann vom nächsten Aufschwung leichter profitieren.“ Der Grund: Es dauert weniger lange, bis das Vermögen nach einer Delle wieder einen neuen Höchststand erreicht. Doch wäre es dann nicht sinnvoll, den größten Teil oder sogar das ganze Aktienportfolio auf diese drei defensiven Branchen auszurichten? Davor warnen beide Vermögensverwalter. „Es kann unter Umständen sinnvoll sein, einen stärkeren Akzent auf diese defensiven Branchen zu legen, um mehr Stabilität ins Aktiendepot zu bekommen“, meint Claus Walter. Wer aber vorrangig auf diese Sektoren fokussiert, verzichtet laut seinem Kollegen Daniel Kolb womöglich auf höhere Renditen, wie sie der Technologiesektor in den vergangenen Jahren unter zugegebenermaßen höheren Schwankungen geboten hat.

Gewicht der Teflon-Branchen hängt vom Risikoprofil ab

Vermögensprofi Kolb befürwortet daher einen „klugen Mix aus offensiveren und defensiven Sektoren“. Diese Aktienallokation kann und sollte sich je nach dem Risikoprofil des Anlegers teils deutlich von Benchmark-Indizes wie MSCI World oder S&P 500 unterscheiden (Interview). Investoren, die die drei Teflon-Branchen ohne Unterstützung durch einen Vermögensverwalter in ihr Depot integrieren wollen, steht ein recht breites Angebot an Indexfonds zur Verfügung – weltweit sowie für die USA und Europa (Tabelle).

Starke Teflon-Branchen:
Diese ETF bieten weltweit und regional günstigen Zugang *

Indexfonds* WKN Perform. (1J. o. 3 J.) Kosten
* Auswahl, alphabetisch und regional geordnet, physische Replikation / ** 1 Jahres-Performance / *** Swap-basierter ETF

Quelle: justetf.com / Recherche: Jürgen Lutz / Stand: Anfang April 2022

Consumer Staples (Basiskonsumgüter)
iShares MSCI World Consumer Staples  A2PHCH 16,30 %  ** 0,25 %
Lyxor MSCI World Consumer Staples *** LYX0GJ 30,20 % 0,30 %
Xtrackers MSCI World Consumer Staples A113FG 30,99 % 0,25 %
Xtrackers MSCI USA Consumer Staples A1W9KC 48,23 % 0,12 %
Health Care (Gesundheit)
iShares MSCI World Health Care A2PHCD 21,76 %  ** 0,25 %
Lyxor MSCI World Health Care *** LYX0GM 51,80 % 0,30 %
Xtrackers MSCI Health Care A113FD 52,35 % 0,25 %
Xtrackers MSCI USA Health Care A1W3GB 60,48 % 0,12 %
iShares Stoxx Europe 600 Health Care A0Q4R3 42,02 % 0,46 %
Utilities (Versorger)
Lyxor MSCI World Utilities *** LYX0GS 30,82 % 0,30 %
Xtrackers MSCI World Utilities A113FJ 32,75 % 0,25 %
iShares S&P 500 Utilities (USA) A142N3 41,39 % 0,15 %
iShares STOXX Europe 600 Utilities A0Q4R0 37,30 % 0,46 %

Autor: Jürgen Lutz