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Finanzen

Herr Eberhardt, wie verhalten sich Anleger in turbulenten Marktphasen richtig?

Stefan Eberhardt: Wir raten dazu, Ruhe zu bewahren und langfristig zu denken. Krisen haben immer eines gemeinsam: An ihrem Höhepunkt sind die Aussichten extrem düster, die Nervosität ist hoch und es scheint keinen Ausweg aus der Krise zu geben. Aktien werden dann oft schnell verkauft. Wer stattdessen kühlen Kopf bewahrt, erkennt aber auch Chancen.

Niemand will in ein fallendes Messer greifen. Woran macht man den richtigen Zeitpunkt für einen Einstieg fest?

Eberhardt: Da ist einerseits Glück dabei. Andererseits gibt es Orientierungspunkte. So mögen die Finanzmärkte keine Ungewissheit. Und die war Anfang dieses Jahres mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine und der Ungewissheit über das Ausmaß des Inflations- und Zinsanstiegs extrem ausgeprägt. In dieser Phase haben wir unsere Aktienquote abgebaut.

Wie sieht es aktuell aus?

Eberhardt: Inzwischen ist die Zukunft zwar noch nicht gut, aber wir haben mehr Gewissheit. (…) Die Inflation stabilisiert sich allmählich und der Zinserhöhungspfad ist absehbar. Das heißt, wir haben heute eine bessere Prognostizierbarkeit und da fassen viele Investoren wieder Mut und die Sichtweise wird positiver.

Was spricht aktuell für Buy-the-Dip?

Eberhardt: Die Bewertungen. Zwar können die Gewinnprognosen und die Ausschüttungen noch gekürzt werden. Derzeit gibt es aber Aktien von qualitativ guten Unternehmen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis im einstelligen Bereich und Dividendenrenditen von fünf bis sieben Prozent. Aktuell lohnt es sich also, über Investitionen am Aktienmarkt nachzudenken.

Sehen Sie auch Risiken?

Eberhardt: Der Grund, warum Buy-the-Dip in den vergangenen Jahren sehr gut funktioniert hat, war das Umfeld fallender Zinsen und steigender Liquidität. Das dreht sich derzeit um und damit werden sichere Staatsanleihen wieder zur Alternative für Aktien. Anleger sollten nicht euphorisch kaufen und in Kürze das nächste Allzeithoch erwarten.

Aber folgen nach Bärenmärkten nicht auch wieder gute Marktphasen?

Eberhardt: Alle Länder und Unternehmen wollen wachsen. Deshalb ist ein gewisser Optimismus gerechtfertigt. Ich rate Anlegern aber dazu, sich auf Unternehmen zu fokussieren, die ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell haben und gut aufgestellt sind. Wer chancenorientiert ist und jetzt mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont investiert, macht sicherlich keinen Fehler.  (Autor: Gerd Hübner)

Hinweis: Die Kaufstrategie „Buy the dip“ birgt Risiken

Eine Anlagestrategie nachdem Motto „Buy-the-dip“ birgt angesichts des weiterhin relativ unsicheren und extrem volatilen Börsengeschehens aktuell gewisse Risiken. Es kommt dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt an. Wer Aktien nach stärkeren Rücksetzern unter den von Wertpapieranalysten gesteckten künftigen Kurszielen kauft, kann zwar Gewinn erzielen, wenn jene nach dem Einbruch wieder steigen. Wegen fast täglich neuer Nachrichten zu Energiekrise, dem Russland-Ukraine-Krieg und der globalen Konjunkturlage lässt sich aber noch nicht absehen, wie lange der Ausverkauf an den Finanzmärkten anhält und wann eine nachhaltige Aufwärtsbewegung beginnt. Es gibt auch keine Garantie, dass die alten Höchststände wieder so schnell wie in der Post-Corona-Hausse erreicht werden. Solange die Kurse fallen, sollten Anleger eine zweite Weisheit beherzigen: „Nicht ins fallende Messer greifen.“ Nicht nur ungeduldige Schnäppchenjäger, sondern auch Starinvestoren haben sich in diesem Jahr schon verzockt. (André Gieße)