Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisfinanzierung

Bis zum Ende der Pandemie soll der Schutzschirm für Arztpraxen gelten, gleichzeitig endet er spätestens mit dem vierten Quartal 2020. Was passiert dann? Bislang seien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) keine Praxen bekannt, die der Corona-Krise zum Opfer gefallen wären, schreibt Sprecherin Tanja Hinzmann auf Anfrage. Damit das so bleibt, setzt sich die KBV in einem neuen Positionspapier dafür ein, dass der Schutzschirm als regel- und dauerhaftes Notfallinstrument installiert wird. Dann könnten Vertragsärztinnen und -ärzte langfristig durch Ausgleichzahlungen der Krankenkassen geschützt werden, wann immer es notwendig wird. Denn, Hand aufs Herz: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie.

Es droht ein Dominoeffekt

Doch wären damit alle Sorgen vom Tisch? Praxen, die zumindest bis zum Beginn der Corona-Krise einen Großteil ihrer Umsätze aus Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) generiert haben, könnte die gesamtwirtschaftliche Situation weiter nach unten ziehen: Möglich wäre, dass sich in den nächsten Monaten ein Loch auftut, in dem bis zu 800.000 „Zombie-Unternehmen“ verschwinden, so die Befürchtung der Auskunftei Creditreform. Das könnte auch bisher noch gesunde Betriebe mit in den Abgrund reißen. Dass dann Patienten, die den Gürtel enger schnallen müssen, ihre Gesundheit etwas sparsamer angehen, ist nicht auszuschließen.

Prognosen immer unsicherer

So sorgenvoll wie Mediziner das Infektionsgeschehen beobachten, so sehr fürchten Wirtschaftsexperten die Pleitewelle, die vielfach für den Herbst angekündigt wurde. Im März hatte die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September ausgesetzt. Normalerweise besteht die gesetzliche Pflicht, eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sofort gerichtlich anzuzeigen. Durch die Aussetzung ist jedoch das Lagebild verwischt. Wie es um die deutsche Wirtschaft steht, wird zunehmend unklarer. Nun hat die Bunderegierung die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die lediglich überschuldet, aber noch nicht zahlungsunfähig sind, bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Denn bei diesen bestehe noch die Chance, die Insolvenz dauerhaft abzuwenden. Dieser erneute Aufschub macht die Situation aber nicht besser. Er lässt wirtschaftliche Prognosen vielmehr zum immer nebulöseren Glaskugelschauen verkommen.

Viele halten gerade noch durch

Im ersten Halbjahr 2020 meldeten die Amtsgerichte 9.006 Unternehmensinsolvenzen – laut Statistischem Bundesamt 6,2 Prozent Insolvenzen weniger als im ersten Halbjahr 2019. Wie bei einer Talsperre drückt nun aber eine aufgestaute Last auf den Damm. Nicht durchhalten konnten insbesondere Unternehmen aus dem Handel sowie aus dem Bau- und Gastgewerbe. Doch auch freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen waren betroffen. Nun wurde angekündigt, dass für Insolvenzanträge ab Oktober 2020 die bisher sechsjährige Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre verkürzt werden soll. Für Verbraucher wie für Unternehmen soll so ein schneller Neuanfang möglich werden. Verabschiedet ist das Gesetz noch nicht. Doch wer aus dem letzten Loch pfeift, versucht möglicherweise noch durchzuhalten, um in den Genuss der schnelleren Entlastung zu kommen.

Es rollt etwas auf uns zu, schnelle Linderung ist nicht in Sicht. Wenn in den kommenden Monaten ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zugelassen wird, vergehen viele weitere Monate, bis dieser ausreichend verimpft wurde. Wir alle tun gut daran, 2021 eher konservativ zu planen.

Kein Muss für Freiberufler

Die gesetzliche Insolvenzantragspflicht gilt nur für juristische Personen, nicht aber für natürliche Personen. „Ein Arzt, der seine Praxis ohne haftungsbeschränkte Gesellschaftsform betreibt und für alle Schulden persönlich haftet, kann zwar zu seiner Entschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Er unterliegt aber nicht der (strafbewehrten) Antragspflicht nach § 15a InsO.“ Das stellt der Hamburger Insolvenzanwalt Björn Schwencke klar.