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Versicherungen

Endlich, es geht wieder aufwärts! Nach dürren Ertragsjahren bei klassischen Lebensversicherungen kündigen die ersten Anbieter wie die Allianz leichte Erhöhungen der Erträge für 2023 an. Die laufende Verzinsung soll laut Ratingagentur Assekurata im Schnitt bei Neuverträgen auf 2,20 Prozent im Jahr steigen. Steht jetzt der jahrzehntelange Vorsorgeklassiker vor einer Renaissance oder gibt es weiterhin attraktivere Optionen, für einen angenehmen Lebensabend zu sparen?

Ex-Sparliebling mit Schwierigkeiten

In den letzten Jahren hatte es die Lebensversicherung schwer, das zeigt ein Blick auf die laufende Verzinsung, die sich aus dem Garantiezins und der variablen Überschussbeteiligung zusammensetzt. Der gesetzliche Garantiezins sank seit einigen Jahren immer weiter und liegt momentan bei gerade einmal 0,25 Prozent im Jahr. Bei Altverträgen aus den 90ern lag dieses Versprechen noch bei bis zu vier Prozent. Die Zusagen aus der Vergangenheit müssen weiter erfüllt werden, was angesichts des seit der Finanzkrise 2008 deutlich niedrigeren Zinsniveaus immer schwieriger wurde und auf die Überschussbeteiligung der Gesellschaften drückte.

Das zuletzt wieder steigende Zinsniveau hat diese Situation offensichtlich etwas entspannt. „Trotz der kleinen Steigerung in den Überschussanteilen der Versicherer ist angesichts der gestiegenen Inflation die Realrendite aber in der Regel immer noch negativ“, erklärt Timo Veeneman, Finanzanlagen- und Versicherungsfachmann vom Vermögensverwalter Spiekermann & CO AG aus Osnabrück, „deswegen sind Lebensversicherungen für uns nicht die erste Wahl für den Aufbau einer langfristigen Altersvorsorge.“

Gegenargument Inflation und Kosten

Denn angesichts einer zuletzt hohen Inflationsrate sind die Fortschritte bei der Renditeperspektive von Lebensversicherungen wohl eher marginal. Die Rechnung ist ganz einfach, solange der Gesamtertrag nicht reicht, um den Verlust an Kaufkraft auszugleichen, machen Lebensversicherungskunden unter dem Strich ein Minusgeschäft. Denn zu den begrenzten Ertragsaussichten kommen noch Abschlusskosten und Co. dazu. „Eine Versicherung darf jederzeit auf den Prüfstand gestellt werden“, sagt Michael Craatz von der Frankfurter Niederlassung des Vermögensverwalters Hansen & Heinrich AG, „ob und welche Maßnahmen sinnvoll sind, muss individuell entschieden werden.“

Allerdings sind viele Lebensversicherungen nicht mehr rein von Zinserträgen abhängig, sondern mittlerweile fondsbasiert. „Hier besteht die Möglichkeit, über eine konservative bis hin zu einer offensiven Portfolioausrichtung die Renditechancen zu steuern“, erklärt Hansen & Heinrich-Fachmann Craatz. Bei alten Verträgen ist die Frage, ob sich so etwas lohnt, noch komplexer. Denn neben den zum Teil durchaus noch attraktiven Garantiezinsen, kommen hier noch mögliche Steuervorteile hinzu. Es kann also durchaus Sinn machen, solche Verträge als Baustein in der persönlichen Altersvorsorgestrategie zu behalten.

Altverträge doch loswerden?

Nicht jeder Vertrag muss auf Biegen und Brechen fortgeführt werden. Wer einfach nur kurzfristig mehr Geld im Monat braucht, kann die Police beitragsfrei stellen. Das spart erstmal die monatlichen Beiträge. Auch eine Beleihung ist grundsätzlich möglich. „Wer seine alte Lebensversicherung ganz abstoßen will, sollte nicht einfach kündigen, sondern sich vorher am Zweitmarkt nach Angeboten umsehen“, sagt Spiekermann-Experte Veeneman: „Unserer Erfahrung nach kann dort der Wert einer Police ein bis vier Prozent über dem Rückkaufsangebot der Versicherung liegen.“ Soll das freigewordene Geld neu investiert werden, sollten Anleger gerade Angebote mit Garantien besonders kritisch prüfen. Denn Sicherheitsversprechen wie bei der Lebensversicherung gibt es nie umsonst und nicht alle sind ihr Geld wirklich wert.

Florian Junker