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Finanzen

Erfolgreiche Geldanlage ist zu einem guten Teil Psychologie. Wer seine Emotionen nicht im Griff hat, riskiert, in der Flut der Nachrichten und Meinungen den Kopf zu verlieren. Das war auch in der aktuellen Abwärtsphase seit Januar 2022 so, die viele Anleger mächtig unter Druck gesetzt hat. In der Tat gab es einige Gründe für den scharfen Rückgang der Aktienkurse: hohe Inflation, stark steigende Zinsen, beschädigte Lieferketten und die Gefahr einer Rezession.

Die Zukunft erkennt man nicht beim Blick nach hinten

Das größte aktuelle Problem aber ist, dass viele Kommentatoren diese Gründe unbedacht in die Zukunft fortschreiben. Das ist in etwa so, als ob man mit dauerhaftem Blick in den Rückspiegel Auto fahren wollte. Es funktioniert nicht! Viel wichtiger wäre daher, sich zu fragen, ob sich die Lage künftig ändern wird. Schließlich wird an der Börse nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft gehandelt. Anbei fünf gute Gründe, warum der Kauf bzw. Zukauf von Aktien schon bald reichen Ertrag bringen dürfte.

Neuer Bärenmarkt? Fehlanzeige – nur eine Korrektur!

Als die Aktienmärkte ein gewisses Niveau unterschritten hatten, war vielerorts zu hören: „Jetzt hat ein neuer Bärenmarkt begonnen.“ Viele Privatanleger verstehen darunter, dass es mit den Kursen weiter nach unten gehen wird – und verkaufen eventuell Positionen, um Schlimmeres zu vermeiden. „Dabei ist die Aussage, dass ein Bärenmarkt begonnen hat, rein technischer Natur. Er besagt, dass die Kurse von ihrem Hoch um mindestens 20 Prozent gesunken sind“, sagt Daniel Kolb von Heidelberger Vermögen.

Das Manko dieser Sichtweise: Der Abschwung am Aktienmarkt wird nicht in einen größeren Kontext eingeordnet, der sich nur über den langfristigen Kursverlauf ergibt. Beim Blick auf den Langfrist-Chart aber wird klar: „Der Impuls der Börse geht seit März 2020 nach oben. Wir haben es bislang also mit einer Korrektur im Aufwärtstrend zu tun und nicht mit dem Beginn eines großen Bärenmarkts“, so Vermögensprofi Kolb. Ein wichtiges Indiz: Den teils sehr schlechten Nachrichten zum Trotz haben wichtige Aktienindizes im Juli um 10 bis 15 Prozent zugelegt!

Groß-Investoren greifen bei diesen Kursen zu

Was viele selbsternannte Börsen-Experten ebenfalls nicht auf dem Schirm haben: Die Kurse bewegten sich im Juni auf einem Niveau, bei dem sich Käufe seit Jahrzehnten und mit ganz wenigen Ausnahmen gelohnt haben. Der Grund ist, dass große Langfrist-Investoren wie Fonds oder Pensionskassen zugreifen, wenn die Kurse den gleitenden Durchschnitt der vergangenen drei Jahre bzw. der letzten 40 Monate erreicht haben. „Hier wechseln viele Aktien von schwache in starke Hände, die die Papiere dann lange halten und so das Angebot verknappen“, erklärt Robert Elster von Elster & Partner Family-Office & Vermögensverwaltung in Eislingen.

Die breite Masse ist pessimistisch – gut so!

Nach einem halben Jahr sinkender Kurse ist es nachvollziehbar, dass die Moral der Anleger schwächelt. Etliche geben unter dem „Bad News“-Bombardement irgendwann die Hoffnung auf, dass es wieder besser werden könnte. Dazu passt der Fear & Greed-Index der American Association of Individual Investors (AAII). Der Angst-Index hat im Lauf dieser Korrektur historische Höchstwerte erreicht, die sich inzwischen leicht abgeschwächt haben. Dennoch sei der Anteil der Bären – das sind Anleger, die mit weiter sinkenden Kursen rechnen – höher als im langfristigen Durchschnitt, merkt Daniel Kolb an. In Deutschland fielen die Erhebungen des Dienstleisters sentix ähnlich aus. Diese Resignation ist laut AAII gut, denn: Sind die Pessimisten am Aktienmarkt in der Überzahl, stehen die Chancen auf hohe Erträge überdurchschnittlich gut. Das zeigen AAII-Auswertungen seit 1987.

Fundamentale Faktoren? Nur die Abweichung von den Erwartungen zählt

Trotz dessen fragen sich manche Anleger: Was ist mit den fundamentalen Faktoren wie Inflation, steigende Zinsen und mögliche Gewinnrückgänge der Unternehmen? Steht das einem dauerhaften Anstieg der Aktienkurse nicht im Wege? Wer so denkt, argumentiert zwar scheinbar schlüssig, erkennt aber nicht, wie die Börse wirklich tickt. „Auf dem Parkett werden nicht die Daten von gestern bewertet, sondern die Abweichung von den Erwartungen, die die Anleger für die Zukunft hegen – sei es nach oben oder unten“, so Vermögensprofi Elster. Kommt es nur etwas oder gar deutlich besser als gedacht, kann dies zu einer Kaufwelle bei Aktien führen. Dies gilt auch, wenn der Krieg in der Ukraine enden und sich die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen verbessern sollte. Da inzwischen so viele negative Erwartungen in den Kursen „eingepreist“ sind, ist vorrangig mit positiven Überraschungen zu rechnen.

Inflation und Zinsen: Börse ist entspannter als Medien

Hinzu kommt: Während die Inflation zu Recht das Aufreger-Thema in den Medien ist, weil es auch viele Menschen betrifft, die kein Geld anlegen, sieht die Börse die Sache gelassener. Trotz der aktuell hohen Werte liegen die Inflationserwartungen in den USA über die Dauer von zehn Jahren derzeit bei 2,3 Prozent. Dieser Wert ergibt sich aus der Differenz der Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihe und der zehnjährigen inflationsgeschützten Staatsanleihe (siehe Grafik). „Damit erwartet der Markt aktuell eine dauerhafte Inflationsrate wie in den Jahren 2004 bis 2007“, so Vermögensverwalter Kolb. Zudem sinken die Renditen für länger laufende Anleihen in den USA und Deutschland seit Juni deutlich. Hierzulande rentiert die zehnjährige Bundesanleihe nur noch mit 0,94 Prozent – nach 1,75 Prozent im Juni! Auch das ist ein klares Zeichen, dass der Anleihemarkt nicht von einer anhaltend hohen Inflation ausgeht.

Kein Grund zur Panik: Inflationserwartungen nicht übertrieben hoch

Grafik Inflationsraten

Source: Federal Reserve Bank of St. Louis

Viele Konsumenten und Anleger sind besorgt: Die aktuellen Inflationsraten in den USA und Europa bewegen sich zwischen acht und neun Prozent p.a. Doch bei diesen Steigerungsraten wird es nicht bleiben – zumindest nicht, wenn man den Erwartungen der Marktteilnehmer folgt, wie sie die US-Notenbank ermittelt. Demnach glauben die oft milliardenschweren Anleger an den Anleihemärkten, dass die Inflation über die nächsten zehn Jahre im Durchschnitt bei 2,3 Prozent liegen wird. Dieser Wert ergibt sich aus der Differenz der Renditen der zehnjährigen inflationsgeschützten US-Staatsanleihen zu gewöhnlichen Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit. Damit bewegen sich die Inflationserwartungen am oberen Rand der Spanne der vergangenen 20 Jahre, ähnlich wie 2004 bis 2007. Von einer „Inflations-Panik“ der Großanleger kann somit keine Rede sein.

Autor: Jürgen Lutz

Bitte beachten Sie: Der Artikel gibt die Meinung und Prognosen der genannten Experten wieder und kann eine individuelle Risikoabwägung und Beratung bei einem Investmentexperten nicht ersetzen.