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Medizin

In Deutschland müssen ungefähr 80.000 Menschen, aufgrund einer Niereninsuffizienz, regelmäßig zur Hämodialyse. Häufig begleiten weitere Komorbiditäten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Niereninsuffizienz. Viele der Betroffenen bewegen sich zu wenig und haben keine Kondition. Das liegt einerseits an den Erkrankungen, aber auch an dem hohen Zeitaufwand, der mit der Dialyse verbunden ist.

Ein Forscherteam, unter der Leitung von Prof. Dr. med. Martin Halle, Ärztlicher Direktor des Lehrstuhls für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin an der Technischen Universität München, TUM, hat jetzt untersucht, inwieweit leichte Bewegungsübungen während der Dialyse zu einer Verbesserung der Gesundheit beitragen. Die Ergebnisse der DiaTT-Studie (Dialysis Training Therapy) haben sie im „New England Journal of Medicine – Evidence“ veröffentlicht.

Ein- bis dreimal pro Woche Training

Rund 1000 dialysepflichtige Patienten, in 21 deutschen Dialysezentren, haben an der Studie teilgenommen. 38,9 Prozent von ihnen waren weiblich und das Durchschnittsalter betrug 65,9 +/- 14,4 Jahre. „Damit haben wir eine der weltweit größten Studien zu sportlicher Aktivität bei spezifischen Erkrankungen auf die Beine gestellt“, so Professor Martin Halle,

Rund die Hälfte der Patienten wurde randomisiert in die Übungsgruppe eingeteilt, die andere Hälfte wurde nur medizinisch betreut. Die Patienten der Übungsgruppe nahmen für 12 Monate ein- bis dreimal in der Woche, während der Dialyse an einem begleiteten Training teil. Für jeden Teilnehmer wurden die Übungen individuell zusammengestellt. Das Training bestand aus einer halben Stunde Ausdauertraining mit dem Ergometer sowie einer halben Stunde Krafttraining mit Gewichten, elastischen Fitnessbändern oder Gymnastikbällen. Die Übungsintensität wurde schrittweise gesteigert und alle drei Monate überprüft.

Während der SARS-CoV-2-Pandemie bekamen die Teilnehmer wegen der Quarantänebestimmungen ein Ersatz-Übungsprogramm. Das konnten sie mithilfe von Videos, schriftlichen Anleitungen und telefonischer Beratung zu Hause durchführen, bis es wieder möglich war, während der Dialyse zu üben.

Signifikante Verbesserung im 60-Sekunden-Aufstehtest

Um den Nutzen des Trainings zu bewerten, verglichen die Forscher die Veränderungen des 60-Sekunden-Aufstehtests STS60 vor Beginn des Trainings und nach 12 Monaten (primärerer Endpunkt). Außerdem bewerteten sie jeweils die Veränderungen des Ausgangswertes und die Werte nach 3, 6, 9 und 12 Monaten des STS60, des zeitgesteuerten Auf- und Gehen-Tests TUG, des 6-Minuten-Gehtests 6MWT und des Griffstärketest (sekundäre Endpunkte). Die Zahl der Krankenhauseinweisungen, die Länge der Krankenhausbehandlung, die allgemeine Lebensqualität im „Short Form Health Survey“, sowie schwerwiegende kardiale Ereignisse und das Gesamtüberleben flossen ebenfalls in die Bewertungen ein.

Die STS60-Werte verbesserten sich in der Übungsgruppe signifikant während der 12 Monate. In der anderen Gruppe verschlechterten sich die Werte im selben Zeitraum. Auch im TUG und im 6MWT schnitt die Übungsgruppe besser ab. Im Griffstärkentest gab es keine Unterschiede. Teilnehmer der Übungsgruppe waren in den 12 Monaten im Durchschnitt zwei Tage im Krankenhaus im Gegensatz zu fünf Tagen bei den anderen Teilnehmern. Zudem gaben die Patienten der Übungsgruppe im „Short Form Health Survey“ an, dass sich ihre Lebensqualität verbessert habe. Die Forscher werden die Studienteilnehmer in den nächsten Jahren weiterbegleiten, um herauszufinden, wie sich langfristiges Training auf die Gesundheit der Probanden auswirkt.

Kosten im Gesundheitswesen senken

„Für mich sprechen die Ergebnisse eine deutliche Sprache“, stellt Professor Martin Halle fest. „Mit vergleichsweise geringem Aufwand können wir die Gesundheit der Betroffenen verbessern und zudem Kosten für das Gesundheitssystem senken.“ Halle betont: „Unsere Studie zeigt, wie wichtig ein ganzheitlicher Blick auf Gesundheit gerade bei alten und gebrechlichen Patienten ist. Hightech-Medizin ist wichtig, ihr volles Potenzial kann sie aber nur in Kombination mit anderen Feldern wie der Präventionsmedizin erreichen.“