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Medizin

Bereits im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass Bakterien in der Lage sind, die Darmbarriere zu überwinden und sich über die Blut- und Lymphbahnen im Körper auszubreiten. Dies ist eine mögliche Erklärung dafür, warum es zu postoperativen Infektionen kommen kann, selbst wenn der Eingriff in einer keimfreien Umgebung stattfindet.

Ein Forschungsteam um Professor Guido Beldi, Chefarzt Viszerale Chirurgie der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals in Bern, und Dr. Mercedes Gomez de Agüero, Leiterin einer Nachwuchsforschungsgruppe am Institut für Systemimmunologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, ist dieser Hypothese jetzt auf den Grund gegangen.

Risiko besonders hoch bei Leberoperationen

In einer aktuellen Studie haben die Forschenden Bakterienkulturen von knapp 4.000 Patientinnen und Patienten analysiert, die nach einem größeren chirurgischen Eingriff eine Begleitinfektion entwickelt hatten. In einem Großteil der Fälle identifizierten sie dabei Darmbakterien der Betroffenen wie Enterococcus, Escherichia coli und Clostridium als verantwortliche Erreger.

Dies war in erster Linie nach Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse, den Gallenwegen sowie am Dünn- und Dickdarm der Fall. Im Vergleich zu kleineren Eingriffen an der Leber führten große Lebersektionen häufiger zu Infektionen durch Darmbakterien, welche die Heilung deutlich verzögerten.

Lymphozyten hemmen die Ausbreitung

Im Mausmodell konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten, dass sogenannte „Type 3 innate lymphoid cells“ (ILC3) eine wichtige Rolle bei der Eindämmung der sich ausbreitenden Bakterien und dem Heilungsprozess nach größeren Operationen spielen. Dabei handelt es sich um spezielle Zellen des angeborenen Immunsystems, die in der Leber ansässig sind.

Werden ILC3 beispielsweise durch die systemische Verbreitung von Bakterien aus dem Darm aktiviert, setzen sie Botenstoffe wie Interleukin 22 frei. Diese Botenstoffe regen Leberzellen dazu an, antimikrobielle Substanzen zu produzieren. Die ILC3-abhängigen Mechanismen scheinen nicht nur einen Einfluss auf die Ausbreitung von Darmbakterien im Körper, sondern auch auf die Regenerationsfähigkeit der Leber zu haben. Aus Sicht der Studienautorinnen und -autoren stellen sie einen möglichen Angriffspunkt für neue Therapiestrategien zur Vermeidung beziehungsweise Behandlung von postoperativen Infektionen dar.