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Medizin

Vor allem bei Patienten, die an einer Enzephalitis oder Meningitis erkrankt waren, sei das Risiko besonders hoch. Bei manchen Virusinfektionen bleibe dieses Risiko noch über fünfzehn Jahre erhöht.

Mindestens 22 verschiedene Viren als Risikofaktor identifiziert

Ein US-amerikanisches Forscherteam um Dr. Kristin Levine vom Center for Alzheimer’s and Related Dementias am National Institute of Health, Bethesda, hat mehr als 800.000 Patientendaten, die über fünfzehn Jahre erhoben wurden, aus zwei Datenbanken ausgewertet. Dabei haben die Forscher nach Zusammenhängen zwischen viralen Infektionen und häufigen neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer, generalisierter und vaskulärer Demenz, Parkinson, amyotropher Lateralsklerose und multipler Sklerose gesucht. Das Ergebnis haben sie im Januar im Fachjournal “Neuron” veröffentlicht.

Die Forscher identifizierten in der finnischen Datenbank FinnGen 45 mögliche Viruserkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen assoziiert waren. In der britischen Datenbank UK Biobank konnten sie diesen Zusammenhang für 22 Viren replizieren.

Virale Enzephalitis könnte Alzheimer befördern

Dabei fanden sie die höchste Hazard-Ratio für den Zusammenhang zwischen viraler Enzephalitis und der Alzheimer-Krankheit. 24 von 406 Patienten (FinnGen) mit viraler Enzephalitis entwickelten später eine Alzheimer-Erkrankung. Das sind 5,9 Prozent der Patienten und damit 2,9 Prozent mehr als die allgemeine Prävalenz von Alzheimer in derselben Population. Für Demenzen fand sich ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang zu viraler Enzephalitis, sowie zu Influenza, Influenzapneumonie, anderen viralen Pneumonien, viralen Magen-Darm-Infekten, viralen Warzen und Herpes Zoster Infektionen. Die Studie bestätigte auch den Zusammenhang zwischen einer Erkrankung mit dem Eppstein-Barr-Virus und Multipler Sklerose.

81 Prozent der Viren, für die die Forscher diese Zusammenhänge verifizierten, waren neurotrope Viren. Das sind Viren, die bevorzugt Nervenzellen befallen und über die Nervenbahnen oder durch Passieren der Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem eindringen können. Protektive Eigenschaften fand das Forscherteam bei keinem Virus.

Im ersten Jahr nach der Viruserkrankung sei das Risiko für eine Neurodegeneration am größten und schwäche sich anschließend ab. Besonders nach einer Influenzapneumonie bleibe das Risiko aber noch über fünfzehn Jahre bestehen. Möglicherweise auch länger. Aber das werden erst Nachfolgestudien zeigen können. Aktuell sind retrospektive Daten, die länger zurückliegen, schwer zugänglich, da es standardisierte, elektronische Aufzeichnungen erst seit den letzten zwei Jahrzehnten gibt.

Zusammenhang zwischen Virusinfekten und neurodegenerativen Erkrankungen

Die Studie zeigt deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Virusinfekten und neurodegenerativen Erkrankungen gibt. Vieles spricht dafür, dass Infekte das Risiko für Demenzen und Co. erhöhen. Aber es könnte auch genau andersherum sein. Vielleicht haben Patienten, die schon unerkannt an einer neurodegenerativen Veränderung leiden, ein erhöhtes Risiko an Virusinfekten zu erkranken. Und vielleicht beschleunigen diese Erkrankungen dann wiederum die Neurodegeneration.

Können Impfungen vor Neurodegeneration schützen?

Gegen einige dieser Viruserkrankungen gibt es Impfungen. Die schützen nicht immer vor einer Erkrankung, aber sie schwächen sie auf jeden Fall ab. Inwieweit sie auch einen Schutz vor neuroinflammatorischen Prozessen bieten, muss noch durch weitere Forschungen untersucht werden.