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Neurologie

Neueste Ergebnisse der BrainGate Machbarkeitsstudie deuten darauf hin, dass die Technologie der implantierten Gehirn-Computer-Schnittstelle ebenso sicher ist, wie andere Geräte, die dauerhaft implantiert werden (zum Beispiel Hirnschrittmacher).

Damit Menschen mit Lähmungen sich wieder bewegen oder mit anderen kommunizieren können, entwickelten Forscher der Brown University in Providence vor über zwei Jahrzehnten institutsübergreifend die Gehirn-Computer-Schnittstelle BrainGate.

Das neuronale Schnittstellensystem BrainGate besteht aus einem Sensor in Form eines Mikroelektroden-Arrays aus 100 feinsten Mikroelektroden, der in die motorische Großhirnrinde implantiert wird. Dieser Sensor ist, mittlerweile drahtlos, mit einem Computer verbunden. Der dekodiert in Echtzeit die Signale, die die Elektroden auffangen und steuert damit externe Geräte.

Implantierte Mikroelektroden übersetzen Gedanken in Bewegung

Auf diese Weise können Menschen, die aufgrund einer Rückenmarksverletzung, eines Schlaganfalls oder ALS gelähmt sind, allein dadurch einen Computercursor steuern, indem sie sich vorstellen, ihren gelähmten Arm oder die Hand zu bewegen.

Mithilfe des BrainGate BCI ist es zum Beispiel möglich, mit einem Roboterarm Gegenstände zu greifen. 2021 gelang es einem Studienteilnehmer mit einer gelähmten Hand, der sich Handschrift vorstellte, online eine Schreibgeschwindigkeit von 90 Zeichen pro Minute mit einer Rechtschreibgenauigkeit von 94,1 Prozent zu erreichen. Das ist ungefähr dieselbe Geschwindigkeit, in der gesunde Menschen im selben Alter auf ihrem Smartphone tippen.

Das BrainGate Neural Interface System scheint sicher zu sein

Die prospektive, offene, nicht randomisierte BrainGate-Machbarkeitsstudie führen Forscher verschiedener Institutionen seit über zwanzig Jahren durch. Sie ist die größte und am längsten laufende klinische Studie zu einer implantierten Gehirn-Computer-Schnittstelle.

Dennoch war es bisher nicht klar, wie sicher solche dauerhaft im Gehirn implantierten Mikroelektroden-Array-BCIs für den Menschen sind. Zu klären war, inwieweit die Gefahr intrakranieller Infektionen sowie das Risiko weiterer Behinderungen bis hin zum Tod besteht.

Ein Forscherteam verschiedener US-amerikanischer Universitäten um Daniel Rubin vom Center for Neurotechnology and Neurorecovery am Massachusetts General Hospital in Boston hat jetzt in Neurology über die Sicherheitsergebnisse aus der BrainGate Studie berichtet.

An der Studie nahmen vierzehn Erwachsene, im Alter von 18 – 75 Jahren, teil, die an einer Tetraparese nach Rückmarksverletzung, einem Schlaganfall des Stammhirns oder einer Motoneuronenerkrankung (ALS) litten. In den Jahren 2004 bis 2021 wurden ihnen an einem von sieben klinischen Standorten, ein oder zwei Mikroelektroden-Arrays in den motorischen Kortex der dominanten Gehirnhälfte implantiert. Die durchschnittliche Dauer, die das Gerät implantiert war, betrug 872 Tage. Zusammengenommen können die Forscher auf 12.203 Tage Sicherheitserfahrung blicken.

Der häufigste Zwischenfall in der Studie waren Hautreizungen

In dieser Zeit gab es insgesamt 68 unerwünschte Ereignisse aufgrund des BCI oder des neurochirurgischen Eingriffs, darunter 6 schwerwiegende. Am häufigsten, nämlich in 35 Fällen, handelte es sich dabei um eine Hautreizung rund um den Bereich, wo sich das Dekodiergerät außen am Kopf befindet. Überwiegend ausgelöst durch zu intensive Pflege der Stelle. Einer der Teilnehmer erhielt deshalb ein orales Antibiotikum.

Laut der Forscher war keines der unerwünschten Ereignisse unerwartet oder führte dazu, dass das Gerät explantiert werden musste. Es gab außerdem keine intrakraniellen Infektionen, keine Todesfälle und keine dauerhaften Behinderungen aufgrund des BCI.

Fazit der Studie: „Das BrainGate Neural Interface System hat eine vergleichbare Sicherheitsbilanz wie andere dauerhaft implantierte, medizinische Geräte. In Anbetracht der raschen jüngsten Fortschritte dieser Technologie und der fortlaufenden Leistungssteigerungen deuten diese Daten auf ein günstiges Risiko-Nutzen-Verhältnis bei entsprechend ausgewählten Personen, das die weitere Forschung und Entwicklung unterstützt.”

Weitere Quellen:
https://n.neurology.org/content/neurology/early/2023/01/13/WNL.0000000000201707.full.pdf